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Tollkühne Kisten im tristen Niselregen fahren in Werl um Weltmeisterschaft

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Von: Klaus Bunte

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Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl
Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl © Klaus Bunte

Autos aus Motorradteilen, alle selbstgemacht - verrückt genug, um eine Weltmeisterschaft auszurichten: Sieben der in Deutschland bekannten acht Cyclekarts fuhren in Werl um die Wette.

Werl – Sie sollte schon vor 90 Minuten gestartet sein. Doch der Dauerregen sorgt für Verzögerung beim Hauptereignis, einem Superkart-Slalom des Motorsportclubs Deutschland. Etwas unbemerkt am Rande auf einem Parkplatz der Rennbahn, zu der an diesem Sonntag das Gelände des Unternehmens Europart ganz im Norden Werls umfunktioniert wird, stehen sieben Fahrer, immerhin unter Zelten, mit ihren Karts, die aussehen wie einem amerikanischen Film aus den Zwanziger oder Dreißigerjahren entsprungen – oder Filmen, die in dieser Zeit spielen.

Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl
Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl © Klaus Bunte

Denn sie sind echten Modellen nachempfunden, nur fallen sie etwas kleiner aus – Seifenkisten mit Motor. Doch sie knattern eher wie Motorräder. Zurück geht die Idee auf die Zwanzigerjahre, in denen die Menschen in den USA sich preiswert aus Motorradteilen Autos bauten. Deshalb heißen sie auch Cyclekarts – ein auf den ersten Blick irreführender Name, man könnte sie für gepimpte Kettcars halten. Mit denen müsste man sich aber schon richtig abstrampeln, um auf 50 km/h zu kommen.

Und hier in Werl treten sie nun an zur Weltmeisterschaft. Wie, nur sieben Teilnehmer bei einer WM? Die Szene scheint ja sehr überschaubar zu sein. Stimmt nur zum Teil – denn dies sind ja lediglich die deutschen Teilnehmer.

„Letztes Jahr nahmen 180 Fahrzeuge an der WM teil. Es gibt eine Weltrangliste, und wir melden heute Abend unsere Ergebnisse nach Amerika. Wir haben uns über die sozialen Medien zusammengefunden, es scheint noch einen achten Fahrer im Ruhrgebiet zu geben“, meint Michael „Schrotti“ Nacke.

Der Oberenser hat die kürzeste Anfahrt, ist der Organisator und noch Neuling, wenn auch nicht auf dem Gebiet Oldtimer. In seinem Dorf betreibt er ein kleines Museum mit alten Schätzchen. Wie alle anderen hat er sein Cyclekart selber gebaut, allerdings erst im vergangenen Jahr, drehte im Oktober seine ersten Runden damit. Der kurzen Anfahrtstrecke zum Trotz hat er wie alle anderen auch sein Fahrzeug auf einem Anhänger hertransportiert. Denn für den Straßenverkehr sind sie nicht zugelassen.

Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl
Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl © Klaus Bunte

Nun also holt er die Weltmeisterschaft nach Werl. Die deutschen Fahrer sammeln hier Punkte für die Gesamtwertung. Das haben sie schon am Vortrag getan, haben dort Wertungsläufe bei absolutem Sauwetter rund um einen Schweinestall absolviert. Kein Witz. Entsprechend versaut sehen am Sonntag die Fahrzeuge aus, „und das knirscht hinterher doch arg zwischen den Zähnen beim Putzen“, amüsiert sich Nacke.

Und an diesem zweiten Tag sammeln sie mal mehr, mal weniger erfolgreich ihre Punkte. Daniel Atzpodien etwa ist eigens aus Baden-Württemberg gekommen. Kurz vor Rennbeginn versucht er, seinen Wagen zu starten, mit einem Zugseil, als wäre er ein Rasenmäher. Und dann: Motorschaden. „Aber gestern hatte ich meinen Spaß“, meint Atzpodien, während der den Kollegen vom Rand aus zuschaut. „Da werde ich daheim wohl mal meine Finanzen checken und dann einkaufen gehen.“ Ein zweiter Wagen erleidet schon in der ersten der beiden Runden einen Achsbruch, ein dritter kommt so gerade eben noch mit allen vier Reifen durchs Ziel.

Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl
Cyclekart-Weltmeisterschaften in Werl © Klaus Bunte

Eher gemütlich nimmt Siegfried Plate die Kurven im Slalom. Deshalb wird er sich hinterher mit einem anderen Fahrer den sechsten Platz teilen. Aber der Hildesheimer ist 86. In dem Alter noch hier anzutreten, das ist allen Respekts würdig. Newcomer Nacke kommt auf Platz zwei. Und er dankt dem MSC Werl für die Möglichkeit, die Rennstrecke zu nutzen, „denn die braucht man für die Austragung eines solchen Rennens. Das allein für sieben Mann einzurichten, das lohnt sich sonst nicht“, sagt Nacke.

MSC-Chef Ulrich Canisius sieht die Freude auf seiner Seite, darüber, „dass wir die Ausrichter des ersten Rennens dieser Art in Deutschland sein durften und dass Ihr trotz dieser widrigen Witterungsverhältnisse immer ein Lächeln im Gesicht behalten habt. Das zeigt auch den Geist dieser ganzen Truppe“. Und bietet sich direkt als Ausrichter auch fürs kommende Jahr an.

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