Was den Fußball an der Uni enorm vom Vereinssport in Deutschland unterscheidet, sind der Spielplan und die weiten Fahrten. Die Colleges sind in regionale Bereiche (Conferences) eingeteilt. Es gibt aber auch Spiele gegen Teams aus anderen „Staffeln“, was zu gewaltigen Fahrten in dem riesigen Land führt. In der U19-Bundesliga mit dem SCP ging es mal nach Mönchengladbach als weiteste Auswärtsfahrt. In den USA musste das UIC-Team, genannt die Flames, schon mal neun Stunden mit dem Bus nach Tennessee fahren. Andere Auswärtsspiele erforderten fünf oder sechs Stunden Anfahrt. „Immerhin ist im Bus für Essen gesorgt und wir haben W-Lan, sodass wir auf dem Tablet etwas für das Studium machen können“, gewinnt Paul Brauckmann den Fahrten auch etwas Positives ab.
Und so ein Studium hat es in sich. „Ich war in Englisch nicht schlecht. Aber den ganzen Tag alles in Englisch übersetzen, ist schon anstrengend. Da bin ich abends platt“, erklärt er. Zumal er nicht nur Psychologie macht, sondern auch andere Kurse belegen muss. „Das ist eine allgemeinere Ausbildung zu Beginn, mit einer größeren Bandbreite“, hat er festgestellt. So muss er auch Mathe, Englisch, Politik (über die amerikanische Gesellschaft) und mehr pauken. Daher sind die Tage gut ausgefüllt. Um 5.30 Uhr aufstehen, um 6 Uhr zum Physiotherapeuten, von 7 bis 9.30 Uhr Fußballtraining. Danach Duschen, Frühstück, Kurse. Nachmittags Hausaufgaben, abends manchmal noch Krafttraining: „In den ersten zwei, drei Monaten habe ich die Belastung schon gemerkt“, sagt Paul Brauckmann.
Ich wurde als Innenverteidiger geholt, habe alle Spiele bis auf eines mitgemacht, als ich krank war. Die letzten sechs Spiele stand ich im Sturm, das hat ganz gut geklappt.
Los ging das Abenteuer College in den USA für den Berwicker Mitte August. Seit Mitte Dezember weilt er wieder in der Heimat, bei der Familie, der Freundin und Freunden. Anfang Januar geht es wieder zurück nach Chicago, denn am 9. Januar beginnt für ihn das zweite Semester. Bis es wieder in die Meisterschaftsspiele geht, dauert es aber deutlich länger. Denn da gibt es noch einen großen Unterschied zum deutschen Liga-Betrieb. In drei Monaten im Herbst wurden 17 Spiele absolviert (inklusive zwei Testspielen), dann war die UIC ausgeschieden und die Saison schon beendet.
Eine Serie, die sich über mehr als ein halbes Jahr hinzieht, mit einem Spiel am Wochenende, gibt es am College nicht. „Das System in Deutschland finde ich besser, da sind die Abläufe anders. In den USA ist das sehr komprimiert“, sagt Paul Brauckmann daher, „das ist ein wenig schade, aber so hat man auch mehr Zeit für das Studium.“ Und in der Dachorganisation des College-Sports, der NCAA, sei alles auf die Studenten abgestimmt.
Die Saison in der Conference (die UIC spielt dabei in der höchsten Division 1) bezeichnet Paul Brauckmann als enttäuschend. Seine Mannschaft verbuchte insgesamt eine Bilanz von fünf Siegen, zwei Unentschieden und neun Niederlagen. Im Viertelfinale der Missouri Valley Championship gab es eine 0:1-Heimniederlage gegen Belmont und damit das frühzeitige Aus.
Mit seinen persönlichen Leistungen zeigte er sich aber durchaus zufrieden. „Ich wurde als Innenverteidiger geholt, habe alle Spiele bis auf eines mitgemacht, als ich krank war. Die letzten sechs Spiele stand ich im Sturm, das hat ganz gut geklappt“, sagt er. Doch in seiner zweiten Saison werde er wieder in die Innenverteidigung zurückkehren. Dann ist er ein „Sophomore“, wie in den USA die Studenten und Sportler im zweiten Jahr genannt werden – im Moment ist er noch ein „Freshman“. Danach folgen im dritten und vierten Jahr die Bezeichnungen Junior und Senior.
Mit Marco Laenen und Lambert Ruland studieren zwei weitere heimische Sportler in den USA: Über ihre Namen geht es zu ihren Geschichten.
Seine vier Jahre am College will Paul Brauckmann auch auf jeden Fall durchziehen, wie er erklärt. Wobei erst im Raum stand, dass er erst 2023 über den großen Teich geht. Denn er hatte sich mit seiner Familie erst Anfang 2022 mit einer Agentur in Verbindung gesetzt, die Sport-Stipendien vermittelt. Ende März waren die nötigen Unterlagen erst in den USA, „vier, fünf Unis haben sich dann gemeldet und Chicago war die beste Adresse. Das war ein super Angebot mit einem Vollstipendium und einem guten ersten Gespräch mit dem dortigen Manager“, freut sich der Berwicker, der sich im April für die Acht-Millionen-Einwohner-Metropolregion entschied. Ein Highlight-Video von ihm hatte an der UIC offensichtlich überzeugt. „Dann musste alles ganz schnell gehen“ – so schnell, dass es im Sommer 2022 noch klappte – auch, wenn er die ersten zwei Wochen der Vorbereitung verpasste. Ähnliche Bedingungen mit Sport und Studium an einem Standort hätte er beispielsweise in Paderborn nicht vorgefunden, sagt er.
„Die nehmen Geld in die Hand, um nach vorne zu kommen“, sagt Paul Brauckmann zum „Soccer“ genannten Fußball in den USA. „Bei uns gab es bei der Weltmeisterschaft viel Kritik an unserer Mannschaft, hier in Amerika gab es hingegen eine tolle Unterstützung“, zieht er einen Vergleich. „Die sind hier auf dem aufsteigenden Ast“, sieht er Fußball in den Vereinigten Staaten vor einer guten Entwicklung. Er selber will seine Leistungsgrenzen austesten am College, macht sich im Moment noch keine Gedanken, wie es nach den vier Jahren (Regel-)Studium, die ja gerade erst mehr oder minder begonnen haben, weitergehen wird. „Da kann ich mich jetzt noch nicht festlegen“, sagt er. Ob er in den USA weiterstudieren wird oder nach Deutschland zurückkehrt, sei völlig offen. Klar sei, dass er im Raum Chicago gute Arbeitsbedingungen in seinem Bereich Psychologie vorfinden würde. Auf jeden Fall freut er sich über die „tolle Chance, Studium und Sport zu vereinbaren.“ Aber er betont auch, dass er gerne in Berwicke wohnt, wo er nach seinem Abitur ein Jahr lang im väterlichen Maler-Betrieb mitgearbeitet hat – auch das habe ihm viel Spaß gemacht.
Die Eingewöhnung sei ihm durch Trainerteam und das Umfeld mit den Kommilitonen nicht schwer gefallen. „Ich lebe in einer WG mit vier weiteren Freshmen aus meiner Mannschaft, habe dabei ein Einzelzimmer. Das sind richtig nette Jungs, wir verstehen uns sehr gut. Sie haben mir mit ihrer anderen Art Humor sehr geholfen. Bei einem war ich sogar Thanksgiving zuhause eingeladen, wir sind zusammen zum Football gegangen“, ist er sehr zufrieden. Zudem wurde natürlich auch die eine oder andere Party besucht. „Man ist in zehn Minuten in der Innenstadt. Zum Lake Michigan sind es mit dem Fahrrad zehn oder zwölf Minuten“, hatte er trotz hohen Pensums auch ein wenig Zeit, Stadt und Umgebung zu erkunden. Da braucht es mehr Zeit als für Berwicke und Umgebung…