Kritik an Lückenkempers Kritik an Kritikern

Dass 100-Meter-Europameisterin Gina Lückenkemper klare Worte findet, ist bekannt.
Soest – Nach dem schwachen Auftritt der deutschen Athleten bei der Leichtathletik-WM hatte sie die Kritiker der deutschen Athleten selbst kritisiert und das Förderungssystem in Deutschland bemängelt. Die deutschen Sportler müssten sich nach Ansicht der 25-Jährigen „den Arsch aufreißen, um gegen diese Vollprofis antreten zu können“.
Kein Staffelstart in der Vorrunde
Gina Lückenkemper blickte auf ihre Hand, an der Blut klebte. Es war vom Bein, vom Knie. Es bekümmerte sie zunächst nicht, „weil ich voller Adrenalin war, ich wusste auch nicht, wie es passiert war“. Sie wurde behandelt, die Wunde verbunden, sie lief eine Ehrenrunde, die üblichen Medienverpflichtungen ersparte ihr der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), schickte sie ins Krankenhaus. Denn über der Szenerie schwebte auch die Frage: Wie geht es weiter bei der EM? Die Sprintstaffel braucht Gina Lückenkemper.
Um 1.10 Uhr in der Nacht war sie im Teamhotel zurück, alle waren aufgeblieben, großes Hallo. Die 25-Jährige hatte mittlerweile auch Klarheit, wie es zur Verletzung gekommen war: Sie hatte sich mit den Dornen der Schuhe selbst geschlitzt. Das musste mit acht Stichen genäht worden. Sie nahm das Missgeschick mit Humor: „Ich bin noch nie Krankenwagen gefahren.“ Lakonisch ging sie über die Verwundung hinweg: „Ich spüre das noch ganz gut. Das linke Knie ist geflickt, das rechte voller Schürfwunden. Läuft“, erzählte sie bei der Pressekonferenz am Mittwoch. Die damit verbundene Neuigkeit: Sie wird im Vorlauf der 4x100-m-Staffel, mit der sie bei der WM in Eugene Bronze gewonnen hatte, nicht an den Start gehen. Was das Finale angeht, von dessen Erreichen man ausgeht, weil Tatjana Pinto, Alexandra Burghardt und Rebekka Haase aufeinander eingespielt sind und wohl auch mit Ersatz klarkommen, ist Lückenkemper „guter Dinge. Aber eine Garantie gibt es nicht.“
Ersatzläuferin – das war ihr Status vor einem Jahr in Tokio bei Olympia. Sie hat damals ihr Karrieretief durchmachen müssen.
Die Auffassung der Lady mit den schnellen Beinen und dem noch schnelleren Mundwerk, dass in Deutschland ja nur Halbprofis gegen Vollprofis aus anderen Ländern antreten, ist populistischer Unfug.
Dafür gibt es nun wiederum Kritik von der zweimaligen Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth, die die Aussagen von Lückenkemper indes nicht nachvollziehen kann.
So fieberte die Familie und Weggefährten mit
„Die Auffassung der Lady mit den schnellen Beinen und dem noch schnelleren Mundwerk, dass in Deutschland ja nur Halbprofis gegen Vollprofis aus anderen Ländern antreten, ist populistischer Unfug“, sagte die 66-Jährige dem Tagesspiegel. Die finanzielle Förderung in Deutschland schätzt Nasse-Meyfarth als ausreichend ein.
Sportlich ist Gina Lückenkempers Traum wahr geworden. Die für den SCC Berlin startende Sprinterin ist am späten Dienstagabend Europameisterin im 100-Meter-Sprint. In einem Wimpernschlagfinale stürmte sie am Dienstagabend zum größten Einzelerfolg ihrer Karriere.
Sportlerin | Gina Lückenkemper |
Geboren | 21. November 1996, Hamm |
Verein | SSC Berlin |
Wie schon zuvor im Halbfinale erwischte Lückenkemper auch im Endlauf einen schwachen Start, kämpfte sich dann aber mit den Zuschauern im Münchener Olympiastadion im Rücken in einer starken zweiten Rennhälfte an die Spitze des Feldes. Hier stolperte sie im richtigen Moment über den Zielstrich - und damit zum EM-Titel.
Gina Lückenkemper holt bei EM in München den Titel
Der Vorsprung auf die Zweitplatzierte Mujinga Kambundji aus der Schweiz betrug nicht einmal eine Hundertstelsekunde, sodass letztendlich der Blick auf das Zielfoto entscheiden musste, welche der beiden 10,99-Sprinterinnen Europameisterin wird. Die Bronzemedaille ging an die Britin Neita Darryl mit einer Zeit von 11,00 Sekunden.
Eine zweite EM-Medaille kann Gina Lückenkemper in der Staffel über 4 x 100 Meter am Sonntagabend gewinnen.