Ich glaube, mein Blut bestand nur noch aus Energydrinks.
Er fuhr mit seinem Vater Andreas, bekannt als „Winz“ von der Tattooschmiede in Werl. Um 3 Uhr nachts kamen sie an der Militärakademie in der Grenzstadt Przemysl an. „Dort haben wir bis 8 Uhr geschlafen und danach die Sachen ausgeladen.“ Im Anschluss ging es für die Helfer weiter nach Korczowa direkt an die Grenze zur Ukraine. „An einer Aufnahmeeinrichtung haben wir die Flüchtlinge abgeholt, die mit Bussen angekommen waren und weiterverteilt wurden.“
Um 36 Flüchtlinge kümmerte sich „Holtum hilft“ diesmal. Es sei eine „kunterbunte Mischung“ gewesen, von Kindern bis Senioren. „Die Kinder kriegen es noch nicht ganz so mit. Manchen merkt man die Strapazen an, manche verkraften es besser und sind sehr tapfer“, berichtet Erik Stephan – und gibt zu, dass die vielen Schicksale ihn nicht kaltlassen. „Es gibt Schöneres. Wir hatten auch einen Kriegsverwundeten dabei. Den haben wir an die Grenze gebracht nach Görlitz.“ Görlitz ist eine Stadt in Ostdeutschland an der polnischen Grenze.
Am Sonntagmorgen um 10 Uhr kehrte der Hilfskonvoi nach Werl zurück. Der Großteil derjenigen, die „Holtum hilft“ mitgenommen hat, ist im Kreis Soest untergebracht worden. „Sie kommen nicht in ein Flüchtlingsheim, sondern direkt in private Unterkünfte“, so Stephan. „Andere wollten gerne weiterreisen. Eine Familie wollte nach Paris, die haben wir in einen Flixbus gesetzt. Eine Frau haben wir nach Kassel gebracht, eine andere in Halle an der Saale abgesetzt.“
Nach der Rückkehr stand der Torwart des SuS am Nachmittag gleich wieder auf dem Fußballplatz – völlig übermüdet. „Ich war megakaputt. Ich glaube, mein Blut bestand nur noch aus Energydrinks, damit ich wachbleibe“, sagt Stephan. Die Tour nach Polen sei mit dem Verein abgesprochen gewesen. „Ich habe Rücksprache mit den Verantwortlichen gehalten, ob ich nach Polen fahren kann, weil wir ja mitten im Abstiegskampf stecken.“ Der SuS Scheidingen habe das sofort abgesegnet. Die einhellige Meinung: „Das ist wichtiger als jedes Fußballspiel.“
Mit dem Remis gegen Aufstiegsaspirant Bad Sassendorf kann der 21-Jährige leben. „Es hat ja für einen Punkt gereicht“, sagt er. Zunächst ärgerten sich Stephan allerdings, weil sein Team spät den Ausgleich kassierte. „Für mich waren es eher Punktverluste, wenn du so spielst, wenn du so gut verteidigst und dagegenhältst – und dann noch gegen zehn Mann spielst.“ Mit einem Tag Abstand sei es aber ein Punktgewinn. „Gegen Bad Sassendorf hatten wir uns nicht gerade die größten Chancen ausgerechnet, von daher ist es ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben gegen Soest II und Bad Sassendorf, zwei Titelkandidaten, jeweils einen Punkt geholt. Das hätten wir vorher sofort unterschrieben. Wenn wir gegen Bremen auch noch einen holen, dann hätten wir drei Punkte gegen die drei Spitzenteams geholt.“
Für Erik Stephan war aber nicht nur der späte Gegentreffer schmerzhaft, sondern auch der Zusammenstoß mit seinem Teamkollegen Moritz Stratmann. Ganz so schlimm wie befürchtet ist die Verletzung aber nicht. „Die Kniescheibe ist nicht rausgesprungen. Das Knie ist einmal überdehnt quasi“, sagt der Keeper, der in einem Trikot in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb spielte. Am Montagmorgen war er beim Arzt. „Der Oberschenkel ist geprellt und dick. Gestern konnte ich noch gar nicht laufen.“ Zudem zog er sich eine leichte Meniskusverletzung zu. „Ich habe Glück gehabt.“
Die Ausfallzeit? „Voraussichtlich wird es für Freitag eng“, sagt Stephan mit Blick auf die nächste Partie beim Höinger SV (19.30 Uhr). „Wir probieren alles, aber erst mal ist es wichtig, dass ich wieder arbeiten kann.“ Der 21-Jährige ist Handwerker im Sanitärbereich.
Mit seiner sportlichen Situation ist er zufrieden. In der Hinserie spielte Stephan noch für Schwefe – unter anderem beim 1:2 gegen seinen jetzigen Club Scheidingen. Im Winter folgte der Wechsel zum SuS. In allen fünf Partien nach der Winterpause stand er in der Anfangsformation. Lediglich im abgebrochenen Spiel am Freitagabend gegen Schwefe stand Marco Hagedorn im Tor, weil Stephan auf dem Weg nach Polen war. „Eigentlich ist eine Rotation angedacht. Marco ist ein super Torwart, hat aber mit Verletzungen zu kämpfen“, sagt der junge Schlussmann und lobt seinen Rivalen: „Von ihm kann ich megaviel lernen. Ich bin noch jung, er hat so viel Erfahrung. Er hilft mir super weiter im Training.“