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Tränen fließen nach Gina Lückenkempers Goldlauf: So feierten Familie und Fans den EM-Titel

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Von: Sebastian Moritz

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Gina Lückenkemper gewinnt Gold über 100 Meter bei den Euopean Championships.
Gina Lückenkemper gewinnt Gold über 100 Meter bei den European Championships. © DPA

Die schnellste Frau Europas kommt aus Soest. Fans und Familie feierten am Dienstagabend mit Gina Lückenkemper - und auch noch am Tag danach.

München/Soest – Dienstagabend 22.25 Uhr, die Augen der rund 40 000 Zuschauer im Münchener Olympiastadion und der offiziell 4,154 Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten haben nur ein Ziel: Bahn sechs. Es ist die Bahn, auf der Gina Lückenkemper in wenigen Sekunden Sportgeschichte schreiben wird. Doch das weiß in diesem Augenblick noch niemand. Es herrscht Stille – im Stadion und vermutlich auch bei vielen, die den Wettkampf von zu Hause aus verfolgen.

SportlerinGina Lückenkemper
Geboren21. November 1996, Hamm
VereinSSC Berlin
Größter ErfolgEM-Titel über 100 Meter 2022 in München

Die Fans sind angespannt, drücken die Daumen und freuen sich auf das Spektakel, das der Startschuss gleich auslösen wird. Doch bei einer kleinen Zuschauergruppe im Stadionblock auf Höhe der Ziellinie überwiegt ein anderes Gefühl. „Wir haben in solchen Situationen immer auch ein bisschen Angst“, sagt Wolfgang Lückenkemper über den Moment, in dem mehrere Millionen Menschen auf seine Tochter schauen. Vater Lückenkemper weiß, wie es läuft: „Gewinnt sie, wird sie gefeiert. Verliert sie, muss sie aufgefangen werden“, so der Soester, der gemeinsam mit seiner Frau Dagmar schon so viele Rennen seiner Tochter im Stadion erlebt hat. An diesem Abend muss er seine Tochter nicht auffangen.

Um 22.30 Uhr dröhnt aus den Boxen im Olympiastadion „Oh, wie ist das schön.“ Wenig später lässt sich Gina Lückenkemper mit Deutschlandfahne um den Hals und Verband am linken Knie von den Massen feiern. Die 25-Jährige ist nach einem 10,99 Sekunden schnellen Rennen inklusive Wimpernschlag-Finale Europameisterin im 100-Meter-Sprint – der größte Erfolg ihrer Karriere und für Vater Wolfgang ist es „die emotionalste Geschichte, die ich je erlebt habe“.

Wir haben in solchen Situationen immer auch ein bisschen Angst.

Gina Lückenkempers Vater Wolfgang über den Moment vor dem Startschuss.

Wenig später tut er das, was er an diesem Abend vermutlich ohnehin getan hätte. Er nimmt seine Tochter in den Arm – diesmal nicht zum Auffangen, sondern zum Gratulieren. Tränen fließen trotzdem. Doch wie schafft man das eigentlich, so kurz nach dem Rennen an die ansonsten eigentlich gut abgeschirmten Athletinnen heranzukommen? „Das schafft man, in dem Gina zum Stadionordner sagt: ‚These are my parents‘“, schmunzelt Lückenkemper. Die Lückenkempers wissen eben, wie es auf der großen Leichtathletik-Bühne läuft.

Fans und Familie von Gina Lückenkemper feiern in München ihre Goldmedaille.
Fans und Familie von Gina Lückenkemper feiern in München ihre Goldmedaille. © Lückenkemper

Doch nicht nur Freunde und Familie im Stadion haben Lückenkempers Goldlauf am Dienstagabend verfolgt. Auch in ihrer früheren Heimat, beim Leichtathletikzentrum (LAZ) Soest und beim TuS Ampen sind viele länger wach geblieben. So natürlich auch Harald Bottin. Der Trainer des LAZ Soest hat Lückenkemper bis zu ihrem Wechsel zur LG Olympia Dortmund im Jahr 2015 trainiert und sie auf dem Weg aus dem Schülerbereich in die internationale Leichtathletikszene begleitet. „Ich habe Gina wie viele nicht als Gold-Favoritin gesehen, ich hatte auf Bronze gehofft“, so Bottin am Tag danach. „Doch als sie im Startblock stand, habe ich ihren Blick gesehen und habe mich an früher erinnert. Gina ist unglaublich willensstark“, beschreibt Bottin den Moment, kurz bevor Lückenkemper zur Goldmedaille stürmte. Lückenkempers Erfolg, so seine Hoffnung, könne in Soest für ein noch größeres Interesse an der Leichtathletik sorgen.

Als sie im Startblock stand, habe ich ihren Blick gesehen und habe mich an früher erinnert. Gina ist unglaublich willensstark.

Harald Bottin, Gina Lückenkempers Entdecker

Das wissen auch die Verantwortlichen im Soester Rathaus. „Das war ein packender und fantastischer Lauf von Gina. Ich habe wie viele andere Soesterinnen und Soester vor dem Fernseher live mitgefiebert und ihr anschließend gratuliert“, sagte Bürgermeister Eckhardt Ruthemeyer, der Lückenkempers Karriere schon seit Jahren verfolgt und die letzte Heim-Europameisterschaft 2018 in Berlin sogar live im Stadion erlebte. „Wir können stolz auf ‘unsere’ Europameisterin sein. Dass sie nun EM-Gold geholt hat, lässt einen Traum wahr werden. Toll, dass sich ihre Anstrengungen der vergangenen Jahre gelohnt haben“, so der Bürgermeister.

Gina Lückenkemper gewinnt Gold über 100 Meter bei den Euopean Championships.
Gina Lückenkemper gewinnt Gold über 100 Meter bei den European Championships. © DPA

Und der Erfolg spricht sich herum – selbst bis ans andere Ende der Welt. Eigentlich verfolge er die Leichtathletik nicht mehr so intensiv wie früher, sagt Lückenkempers ehemaliger Trainer Uli Kunst. Kunst hat Lückenkemper in ihrer Zeit bei der LG Olympia Dortmund trainiert, heute lebt er mit seiner Familie in Thailand. Von Lückenkempers Goldmedaille habe er am Morgen in den Nachrichten gehört. Dazu fällt ihm vor allem ein Wort ein: „Respekt.“

Knapp 10 000 Kilometer weiter westlich heißt es für die Reisegruppe Lückenkemper in München nun erst einmal durchatmen. Am Mittwoch hatten Wolfgang und Dagmar Lückenkemper kurz Gelegenheit, ihre Tochter persönlich zu treffen.

Die „Reisegruppe Lückenkemper“ traf die frisch gebackene Europameisterin Gina am Mittwochmorgen in der BMW-Lounge. Mit dabei auch Rebekka Haase (hinten links).
Die „Reisegruppe Lückenkemper“ traf die frisch gebackene Europameisterin Gina am Mittwochmorgen in der BMW-Lounge. Mit dabei auch Rebekka Haase (hinten links). © Lückenkemper

Am Sonntagabend werden sie wieder auf der Tribüne im Münchener Olympiastadion sitzen. Dann steht das Finale mit der 4x100-Meter-Staffel an. Die Erwartungen sind hoch.

Die deutschen Frauen zählen zu den Medaillen-Favoritinnen. Während Millionen Fans erneut angespannt die Daumen drücken, wird eine kleine Zuschauergruppe im Stadion vermutlich auch wieder ein bisschen Angst haben.

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