Doch nicht nur Freunde und Familie im Stadion haben Lückenkempers Goldlauf am Dienstagabend verfolgt. Auch in ihrer früheren Heimat, beim Leichtathletikzentrum (LAZ) Soest und beim TuS Ampen sind viele länger wach geblieben. So natürlich auch Harald Bottin. Der Trainer des LAZ Soest hat Lückenkemper bis zu ihrem Wechsel zur LG Olympia Dortmund im Jahr 2015 trainiert und sie auf dem Weg aus dem Schülerbereich in die internationale Leichtathletikszene begleitet. „Ich habe Gina wie viele nicht als Gold-Favoritin gesehen, ich hatte auf Bronze gehofft“, so Bottin am Tag danach. „Doch als sie im Startblock stand, habe ich ihren Blick gesehen und habe mich an früher erinnert. Gina ist unglaublich willensstark“, beschreibt Bottin den Moment, kurz bevor Lückenkemper zur Goldmedaille stürmte. Lückenkempers Erfolg, so seine Hoffnung, könne in Soest für ein noch größeres Interesse an der Leichtathletik sorgen.
Als sie im Startblock stand, habe ich ihren Blick gesehen und habe mich an früher erinnert. Gina ist unglaublich willensstark.
Das wissen auch die Verantwortlichen im Soester Rathaus. „Das war ein packender und fantastischer Lauf von Gina. Ich habe wie viele andere Soesterinnen und Soester vor dem Fernseher live mitgefiebert und ihr anschließend gratuliert“, sagte Bürgermeister Eckhardt Ruthemeyer, der Lückenkempers Karriere schon seit Jahren verfolgt und die letzte Heim-Europameisterschaft 2018 in Berlin sogar live im Stadion erlebte. „Wir können stolz auf ‘unsere’ Europameisterin sein. Dass sie nun EM-Gold geholt hat, lässt einen Traum wahr werden. Toll, dass sich ihre Anstrengungen der vergangenen Jahre gelohnt haben“, so der Bürgermeister.
Und der Erfolg spricht sich herum – selbst bis ans andere Ende der Welt. Eigentlich verfolge er die Leichtathletik nicht mehr so intensiv wie früher, sagt Lückenkempers ehemaliger Trainer Uli Kunst. Kunst hat Lückenkemper in ihrer Zeit bei der LG Olympia Dortmund trainiert, heute lebt er mit seiner Familie in Thailand. Von Lückenkempers Goldmedaille habe er am Morgen in den Nachrichten gehört. Dazu fällt ihm vor allem ein Wort ein: „Respekt.“
Knapp 10 000 Kilometer weiter westlich heißt es für die Reisegruppe Lückenkemper in München nun erst einmal durchatmen. Am Mittwoch hatten Wolfgang und Dagmar Lückenkemper kurz Gelegenheit, ihre Tochter persönlich zu treffen.
Am Sonntagabend werden sie wieder auf der Tribüne im Münchener Olympiastadion sitzen. Dann steht das Finale mit der 4x100-Meter-Staffel an. Die Erwartungen sind hoch.
Die deutschen Frauen zählen zu den Medaillen-Favoritinnen. Während Millionen Fans erneut angespannt die Daumen drücken, wird eine kleine Zuschauergruppe im Stadion vermutlich auch wieder ein bisschen Angst haben.