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Mehr üble Beleidigungen und weniger Respekt - Schiedsrichter schlagen Alarm

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Von: Thomas Müller

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Schiedsrichter mit Roter Karte
Die Schiedsrichter schlagen Alarm: Auf den Fußballplätzen nimmt das Niveau rapide ab. © Guido Kirchner/dpa

In anderen Fußballkreisen mag die Lage noch schlimmer sein, doch im FLVW-Kreis Soest wird der Ton rauer: Gerade bei Zuschauern nimmt das Niveau ab und das respektlose Verhalten zu.

Kreis Soest – Der Schiedsrichter bläst in seine Pfeife, ein Kreisliga-Fußballspiel endet. Der „Schiri“ läuft nach dem Schlusspfiff zu seiner Kabine. Und muss sich dabei lautstark – vornehm formuliert – kritisieren lassen. Er hat genug: Er legt eine Pause ein, wochenlang fehlt bei Spielen nun ein Schiedsrichter.

„So etwas ist leider kein Einzelfall, es kommt häufiger vor als früher“, bestätigt Christian Dahlmann, seit dieser Saison der Vorsitzende des Kreisfußballausschusses im FLVW-Kreis Soest und selber Schiedsrichter. Beim Kreis kann man froh sein, dass der Unparteiische nur eine Pause einlegt.

Wer als Erwachsener geht mit seinem Kind am Sonntag auf einen Fußballplatz, auf dem nur noch herumgepöbelt wird, die schlimmsten Schimpfworte zu hören sind?

Siegfried Reffelmann sorgt sich um die Zukunft des Fußballs.

„Im Moment ist es so, dass wirklich jede Entscheidung von Zuschauern verbal unter der Gürtellinie kommentiert und von den Spielern nicht akzeptiert wird“, sagt Siegfried Reffelmann, Vorsitzender des Kreisschiedsrichter-Ausschusses.

Beleidigungen durch Zuschauer nehmen zu

Fußball, Schiedsrichter, Respekt – Begriffe, die immer seltener richtig zueinander passen. Im Kreis Soest ist es vielleicht noch nicht so schlimm wie in benachbarten Fußball-Kreisen. Doch es ist schlimm genug, dass die Soester Schiedsrichter Alarm schlagen: Die Stimmung auf den Plätzen und rund herum sei alarmierend aggressiv und respektlos geworden. „Wir sind ja vor der Welle, es ist noch nicht akut und wir hoffen, dass sie gar nicht kommt. Wir wollen gucken, was wir tun können, damit es gar nicht so weit kommt“, sagt Dahlmann.

Fußball, Kreis Soest, Schiedsrichter, Christian Dahlmann
Christian Dahlmann in Aktion als Schiedsrichter. © Müller, Thomas

Kleinere Ausläufer gibt es aber auch hier schon: Vor einem Jahr attackierte ein Zuschauer einen Trainer, aktuell läuft ein Verfahren gegen einen Spieler, der einem Schiedsrichter ein Bein gestellt hat. Ein Vater eines gefoulten Spielers stürmte auf den Platz und machte den Schiri „runter“…

Die Respektlosigkeit äußert sich auf verschiedene Weisen: Immer wieder schrecken Fälle auf, wenn Spieler Schiedsrichter verbal attackieren. Das Niveau rund um die Plätze sinkt. Zuschauer beleidigen die Unparteiischen aufs Übelste. Jugendspieler sitzen am Rand und überziehen den Spielleiter mit schlimmen Schimpfworten. Daneben stehen Trainer, Funktionäre, Erwachsene, Vorbilder. Es zieht sich durch alle Altersschichten. Das machen zwar längst nicht alle Zuschauer. Das Problem ist aber: Niemand widerspricht.

Sobald der erste Zuschauer aufs Feld läuft und den Schiedsrichter auch nur schubst, gibt es Riesentheater. Es wird dazu kommen, ob in dieser oder nächster Saison.

Christian Dahlmann befürchtet Schlimmes.

Reffelmann und Dahlmann geht es nicht nur um die Schiedsrichter, es geht ihnen um den Amateurfußball: „Wir haben es ja noch gut, in anderen Kreisen tagen die Sportgerichte täglich. Und das wird dazu führen, dass wir bald keinen Amateurfußball mehr haben“, warnt Reffelmann.

„Wer als Erwachsener geht mit seinem Kind am Sonntag auf einen Fußballplatz, auf dem nur noch herumgepöbelt wird, die schlimmsten Schimpfworte zu hören sind?“ Das Ergebnis schlage sich in der sinkenden Zahl an Jugendmannschaften nieder. Es gebe nicht weniger Kinder, es gebe immer weniger Kinder, die Fußball spielen. Darüber müsss man sich Gedanken machen. Und es fange damit an, wie sich Zuschauern am Sonntag an den Amateurplätzen verhalten, so Reffelmann.

Fußballplätze als Spiegelbild der Gesellschaft

Er sieht im Mangel an Respekt auch ein Spiegelbild der Gesellschaft: „Es wird nichts mehr akzeptiert, nur noch gemeckert, keiner will sich ehrenamtlich engagieren. Man hört nur noch: Da muss sich die Politik drum kümmern. Es gibt nur noch Egoisten.“ Hier könnte der Sport, der Fußball, eigentlich einen Gegenpol bilden. Aber er tut es nicht.

Siegfried Reffelmann
Siegfried Reffelmann, Vorsitzender des Soester Kreis-Schiedsrichter-Ausschusses. © Zöllner

Es fehlen die Lösungen. Reffelmann plädiert unter anderem für härtere Strafen: „Solche Leute, da, wo Tätlichkeiten sind, wo verbale Entgleisungen mit Fäkalsprache sind, da müssten die Leute für eine deutliche längere Zeit aus dem Verkehr gezogen werden als bislang.“ Doch einfache Zuschauer, die nicht einmal Mitglied in einem Fußballverein sind, kann ein Sportgericht nicht belangen. Hier kann nur der Verein selbst mit seinem Hausrecht einschreiten, nach dem Motto: Wenn wir so etwas noch einmal hören, zeigen wir euch die Tür.

Emotionen, Pöbeleien – all das gehöre sicherlich irgendwie zum Kreisliga-Fußball. „Aber der Grat ist eben auch sehr schmal“, so Dahlmann. Und die „rote Linie“ werde immer häufiger überschritten: „Bei den Zuschauern haben wir eine neue Dimension erreicht.“ Doch von den Vereinen höre man immer: „Ist alles nicht so schlimm gewesen.“

Eigentlich ist verpflichtend für den Heimverein, für die Sicherheit der Gäste und der Schiedsrichter zu sorgen. Und für die Ordnung. Die Vereine gingen zu leichtsinnig mit dem Thema Ordnung und Respekt rund um die Fußballplätze um. Dahlmann versteht die Vereine, war selbst mal Vorsitzender: „Es ist schwer für einen Verein, sich mit den Zuschauern zu beschäftigen und für Ordnung zu sorgen. Man kommt sich doof vor mit den Warnwesten. Ich kann sie aber nur empfehlen – kontrollieren kann und will ich es nicht.“ Aber er skizziert das Schreckensszenario: „Sobald der erste Zuschauer aufs Feld läuft und den Schiedsrichter auch nur schubst, gibt es Riesentheater.“ Es dauere nicht mehr lange: „Es wird dazu kommen, ob in dieser oder nächster Saison.“ Ordner wirkten abschreckend, das sei immer besser, als wenn zwei die Binde vorsorglich in der Tasche mit sich führten.

Die Vereine seien in der Verantwortung, müssten sich fragen: Was können wir mehr tun, ohne viel mehr Aufwand zu haben, um Schiedsrichter und gegnerische Mannschaften zu schützen und unsere Zuschauer besser im Griff zu haben? Dahlmann: „Das ist schwer und tut weh. Man muss mal ein Zeichen setzen: Das war heute zu viel und du gehst nach Hause.“ Eine undankbare Aufgabe – aber auch die richtige.

3000 Euro Ordnungsgelder wegen fehlender Schiedsrichter

Die Schiedsrichter selbst müssten keinen Druck aufbauen – der sei längst da, sagt Reffelmann und verweist auf die sinkende Zahl der Referees, die bewirkt, dass durchschnittlich nur noch ein D-Liga-Spiel besetzt wird. Die Clubs scheint es nicht zu stören, staunt Reffelmann: „Die Vereine beschweren sich nicht. Es stimmt mich nachdenklich, dass es kein Aufbäumen gibt.“ Und obendrein kostet es auch noch richtig viel Geld: 3000 Euro Ordnungsgelder waren es zuletzt kreisweit, die aus Mitgliedsbeiträgen oder Sponsorengeldern berappt werden.

In den Vereinen müsste etwas geschehen: mehr für die Schiedsrichter. Und mehr für die Stimmung auf dem Fußballplatz. Reffelmann träumt von selbstreinigenden Kräften, glaubt aber nicht so recht daran, dass das gelingt: „Man kann nur hoffen und bitten, dass der Mut der Vernünftigen aufkommt, gegen die Unvernünftigen vorzugehen. Es gibt ja genügend Vernünftige an den Plätzen. Denen fehlt aber der Mumm zu sagen: ‚Halt die Klappe und bleib nächsten Sonntag mal zuhause.‘ “

Vereine müssten Rückgrat zeigen: „So etwas akzeptieren wir nicht, so jemand hat bei uns nichts zu suchen.“ Es müsse ein Ruck durch den gesamten Fußball gehen. Sonst würden bald noch mehr Spiele gar nicht erst angepfiffen.

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