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Russische Elite könnte Putin zum Verhängnis werden

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Von: Anna-Katharina Ahnefeld

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Seit 12 Monaten führt Russland einen Invasionskrieg gegen die Ukraine. Frieden, hier symbolisiert durch die Friedenstaube in den ukrainischen Farben, ist nicht absehbar.
Seit 12 Monaten führt Russland einen Invasionskrieg gegen die Ukraine. Frieden, hier symbolisiert durch die Friedenstaube in den ukrainischen Farben, ist nicht absehbar. © Efrem Lukatsky/dpa

Konfliktforscher Thorsten Bonacker meint: Putins Überleben hängt am Kriegsverlauf. Russische Unternehmer könnten einen anderen Präsidenten aufbauen.

Marburg/Köln – Erinnern Sie sich noch, wo Sie am 24. Februar 2022 waren? Der Tag, an dem nach Jahrzehnten wieder Krieg in Europa ausbrach. Nicht wenige dachten, dass Russland innerhalb von ein paar Monaten die Ukraine vollständig erobert haben würde. Doch es kam anders, nicht zuletzt wegen anhaltender westlicher Waffenlieferungen. Beide Seiten sind weiter kampffähig, die Ukraine konnte sogar bereits okkupierte Gebiete wieder zurückerobern. Ein schnelles Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

Dennoch betonen immer wieder Politiker:innen in Kiew, dass das Jahr 2023 eine Wende bringen wird. In Moskau wiederum soll eine große russische Frühjahrsoffensive vorbereitet werden. Denn aktuell kommt Russland militärisch kaum vorwärts, nennenswerte Erfolge bleiben aus. Ein mögliches Ende hängt derweil von zahlreichen Faktoren ab –  von militärischen Erfolgen und dem Durchhaltevermögen der Ukraine ebenso wie von der politischen Lage im Umfeld Wladimir Putins und der fortdauernden Bereitschaft des Westens, der Ukraine Militärhilfe zu leisten. So entwickelte sich der Krieg zuletzt immer mehr zu einer Abnutzungsschlacht mit zahlreichen Toten.

Ukraine-Russland-Krieg: Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin nicht möglich

Die Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA hat mit Prof. Thorsten Bonacker vom Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg über das weitere Kriegsgeschehen gesprochen. Er rechnet nicht mit einem schnellen Ende des Ukraine-Krieges. Dafür müsse Russland zu der Einsicht gelangen, dass es keinen Sinn mache, diesen Krieg weiterzuführen, weil die eigenen Kosten einfach zu hoch seien, sagt er. Beispielsweise bei steigender Zahl der Gefallenen, zerstörtem militärischen Gerät und einer weiteren Schwächung der russischen Wirtschaft. „Dann wird man sich am Verhandlungstisch treffen. Aber das kann noch eine lange Zeit dauern. Fest steht: Russland wird diesen Krieg nicht gewinnen“, analysiert der Soziologe. Aktuell gebe es keine Möglichkeit, dass Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an einem Tisch sitzen. Solange Putin der Ukraine ihr Existenzrecht abspricht, erscheinen Verhandlungen utopisch.

„Das Problem ist, dass Putins eigenes politisches Schicksal viel zu stark damit verknüpft ist, den Krieg zu gewinnen. Aber das wird nicht geschehen. Putin kann daher politisch nur überleben, wenn er den Krieg am Laufen hält. Unter der Bedingung führt man keine Friedensverhandlung“, sagt Thorsten Bonacker. Es sei aber sehr schwer für Putin, diesen Krieg zu beenden und dies gleichzeitig als Sieg verkaufen. Das sei jedoch notwendig, denn als geschlagener Präsident könne Putin nicht weiter existieren. „Das funktioniert nicht in der russischen Gesellschaft und auch nicht in seinem Narrativ“, so Bonacker.

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Russische Eliten könnten für Wladimir Putin zum Verhängnis werden

Eine Hoffnung ist, dass Wladimir Putin aus den eigenen Reihen gestürzt – und der Krieg damit beendet wird. Denn ein Frieden zwischen Russland und der Ukraine erscheint nur ohne den russischen Machthaber möglich. Doch ist das überhaupt ein realistisches Szenario? Prof. Thorsten Bonacker verweist auf die Bedeutung der russischen Eliten. Für die stehe aktuell durch die Sanktionen wirtschaftlich einiges auf dem Spiel, meint der Soziologe: „Wenn Gruppen sich abspalten und einen anderen Präsidentschaftskandidaten aufbauen, kann es für Putin gefährlich werden. Denn bei schwindender Unterstützung der Eliten müsste er viel stärker innenpolitisch agieren. Auf Kosten seiner Außenpolitik.“ Ein Aufstand aus dem Volk selbst heraus sei jedoch nicht zu erwarten, denn dafür habe das Regime die Gesellschaft zu stark unter Kontrolle, so Bonacker.

Erschwerend hinzu kommt ein aktueller Bericht des Instituts für Kriegsstudien (ISW). Demnach gelinge es Putin angesichts des Versagens der russischen Streitkräfte im Krieg mit der Ukraine weiter nicht, der Öffentlichkeit seines Landes Erfolge bei der Aggression gegen das Nachbarland zu präsentieren. Der letzte bedeutsame Erfolg sei die Einnahme der Stadt Sjewjerodonezk im Juli 2022 gewesen, schreibt die Denkfabrik mit Sitz in Washington. Die Analysten halten es für unwahrscheinlich, dass Putin in seiner anstehenden Rede zur Lage der Nation am 21. Februar eine Maßnahme ankündigen werde, die den Krieg noch mehr eskalieren lasse. Inhalt der Rede werde vermutlich auch keine Bekanntmachung größerer Mobilmachungspläne oder anderer bedeutsamer politischer Initiativen sein, so das US-Institut. Nach 12 Monaten Krieg sieht es für den russischen Machthaber nicht gerade gut aus.

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