Medikamenten-Mangel in Deutschland: Karl Lauterbach will neue Preisregeln einführen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagt der Medikamenten-Knappheit und leeren Apotheken-Regalen den Kampf an. Aber ihm läuft die Zeit davon.
Hamm – Nahezu ganz Deutschland hustet und schnieft. Wer dieser Tage in eine Apotheke taumelt, steht mitunter fiebrig vor leeren Regalen und langen Schlangen. Die Medikamente werden knapp. Gerade Kinderarzneimittel sind betroffen, aber auch diverse Medikamente für Erwachsene. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will nun reagieren und plant nach übereinstimmenden Medienberichten eine deutliche Änderung bei den Preisregeln.
Medikamenten-Mangel: Lauterbach will neue Preisregel einführen
So bezieht sich tagesschau.de auf Informationen „aus Ministeriumskreisen“. Demnach wolle Lauterbach mit einer Änderung der Preisregeln für Kinderarzneimittel kurzfristig den Lieferengpässen entgegensteuern. Das Ziel sei es, einen sehr viel größeren Markt als heute zu erschließen. Offenbar soll für bestimmte Medikamente künftig das bis zu 1,5-fache des „Festbetrags“ von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden - also des maximalen Betrags, den sie für ein Arzneimittel bezahlen.
Wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf ein Eckpunktepapier des Ministeriums berichtet, solle eine solche bessere Vergütung nicht nur kurzfristig gelten. Vielmehr solle sie Kindermedikamente auch dauerhaft wirtschaftlich attraktiver machen. Dadurch wollen man Lieferengpässe bei Medikamenten in Zukunft vermeiden. Ähnliche Maßnahmen seien auch für bestimmte Krebsmedikamente und Antibiotika für Erwachsene geplant.
In Deutschland werden die Medikamente und Arzneimittel knapp
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es derzeit gut 330 Meldungen zu Lieferengpässen von Präparaten. Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht alle Lieferengpässe auch Versorgungsengpässe bedeuten. Es können also Alternativen beschafft oder hergestellt werden, was aber mehr Aufwand für Apotheken bringt.
Seit einigen Tagen und Wochen sorgen neben Corona auch die Grippe sowie bei Kindern RS-Viren in NRW und in ganz Deutschland für viele Erkrankungen. Zuletzt hatte bereits unter anderem die Stadt Münster Alarm geschlagen und vor einer Medikamenten-Knappheit gewarnt. Lauterbach schilderte außerdem das Problem, dass bestimmte Arzneimittel wie Krebsmedikamente oder Antibiotika für Erwachsene nicht in ausreichender Menge hergestellt würden. „Da werden wir den Krankenkassen jetzt die Vorgabe geben, dass sie einen Teil der Arzneimittel aus China, Indien und Übersee besorgen, aber einen Teil auch aus Europa“, sagte der Gesundheitsminister. Das solle dazu führen, dass die Produktion in Europa wieder hochgefahren werde.
Neue Preisregel für Medikamente: Lauterbach stimmt sich mit Lindner ab
Zur Finanzierung seiner Vorschläge sagte Karl Lauterbach: „Wir werden das in der Ressortabstimmung besprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder hier einsieht, dass wir handeln müssen.“ Er ziehe dabei mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) an einem Strang – und muss auf eine schnelle Lösung pochen. Lauterbach läuft die Zeit davon.
Ärztevertreter befürchten noch schlimmere Engpässe in der Kindermedizin über Weihnachten und Silvester. „Im Moment beobachten wir, dass Infektionen mit dem RS-Virus zurückgehen, dafür kommen jetzt immer mehr Kinder mit Grippe und anderen Atemwegserkrankungen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Durch die Personallage an den Feiertagen wird die Lage in Kliniken und Praxen gleichzeitig noch einmal angespannter sein als jetzt.“
Kaum Medikamente und Personal vorhanden: Krise in der Kindermedizin bis Februar befürchtet
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte: „Ich gehe davon aus, dass diese akute Krise in der Kindermedizin noch bis Februar andauert.“ Die Zahl der Infektionsfälle werde nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen voraussichtlich in den kommenden Wochen noch weiter steigen. „Gleichzeitig geraten die Kinderkliniken über die Feiertage durch ausgedünnte Dienstpläne zusätzlich unter Druck - zumal dann, wenn viele niedergelassene Kinderärzte ihre Praxen in dieser Zeit schließen oder die Sprechstunden reduzieren.“ (mit dpa)