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Afghanistan-Lage spitzt sich zu - Merkel wird bei PK deutlich

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Von: Florian Naumann, Andreas Schmid

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird nach dem Corona-Gipfel zwischen Bund und Ländern vor die Presse treten. (Archivbild)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Pressekonferenz. (Archivbild) © Odd Andersen/dpa

Angela Merkels Regierung ist in der Kritik: Der Bundeswehr droht nun eine gefährliche Mission in Afghanistan. Die Kanzlerin erklärt am Abend Details.

Afghanistan: Merkel spricht über Flüchtlingslage - Erinnerungen an 2015

Update vom 16. August, 19.24 Uhr: Merkel wird gefragt, ob Deutschland - ähnlich wie 2015 - für Flüchtlinge offen sein werde: „Unser Hauptziel liegt bei denen, die uns sehr direkt geholfen haben, eine Perspektive zu bieten. Ob wir die umsetzen können, hängt von den Gegebenheiten in Kabul ab. Wir werden danach in Gesprächen mit den Taliban und über all unsere Kanäle versuchen, möglichst vielen Menschen zu helfen.“ Für alle anderen sich auf der Flucht befindenden Menschen in Sorge müsse man schauen, dass sie „eine sichere Bleibe in der Umgebung“ haben.

Eine Situation wie 2015 solle aber vermieden werden. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, nicht ausreichend Geld an die UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, d. Red.) oder die Welthungerhilfe gegeben haben und sich Menschen dann auf die Reise gemacht haben nach Europa. Wir müssen schneller sein und den Nachbarstaaten Hilfe anbieten.“

Update vom 16. August, 19.19 Uhr: Dass die Taliban so zügig vorrücken und Gebiet um Gebiet erobern, hätte man also nicht ahnen können. „Wir haben eine falsche Einschätzung gehabt“. Das liege allerdings nicht nur an Fehlern der Bundesrepublik: „Das war keine falsche deutsche Einschätzung, sondern die ist weit verbreitet.“

Update vom 16. August, 19.17 Uhr: Wie Außenminister Maas übt auch Merkel Selbstkritik. „Wir haben alle - und da übernehme ich auch die Verantwortung - die Entwicklung falsch eingeschätzt“. Man sei davon ausgegangen, „dass wir länger Zeit haben, Lösungen zu finden, aber die Dinge haben sich beschleunigt. Die afghanische Armee hat keinen Widerstand geleistet - aus welchen Gründen auch immer.“

Afghanistan: Merkel-PK im Live-Ticker - „Haben wir alle falsch eingeschätzt“

Update vom 16. August, 19.14 Uhr: Merkel gibt zu, aus der Afghanistan-Operation Lehren zielen zu wollen. In Zukunft müsse man seine „Ziele kleiner halten“, da in der Vergangenheit nicht alles gelungen sei. Positiv sei, dass die Terrorgruppe Al-Qaida eingedämmt werden konnte, aber jenseits der Bekämpfung des Terrorismus sei alles „nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben.“ Merkel selbstkritisch: „Wir haben alle - und da übernehme ich auch die Verantwortung - die Entwicklung falsch eingeschätzt“.

Update vom 16. August, 19.11 Uhr: Die „operative Evakuierung“ stehe derzeit absolut im Vordergrund. Bis zum Montagnachmittag starteten insgesamt vier A400M-Militärtransportflieger Richtung Kabul. Sie sollen als Teil einer geplanten Luftbrücke möglichst viele Gefährdete ins benachbarte Usbekistan bringen, von wo aus dann Flüge nach Deutschland abheben sollen.

Update vom 16. August, 19.09 Uhr: Menschen, die in den letzten Jahren mit der deutschen Regierung zusammengearbeitet haben, müssen sich besonders vor den Taliban fürchten. Ihnen droht im schlimmsten Fall der Tod. Merkel verspricht: „Wir werden alles dafür tun, diese Personen sicher außer Landes zu bringen.“

Update vom 16. August, 19.07 Uhr: Dass die Taliban Afghanistan zurückerobern konnten, sei „bitter, dramatisch und furchtbar.“

Update vom 16. August, 19.05 Uhr: Mit etwa 20 Minuten Verspätung beginnt die Pressekonferenz.

Update vom 16. August, 18.56 Uhr: Die Bundeskanzlerin lässt noch auf sich warten. In wenigen Minuten soll die Pressekonferenz allerdings beginnen.

Update vom 16. August, 18.39 Uhr: In wenigen Minuten tritt Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Kameras. Was sagt sie zur sich zuspitzenden Lage in Afghanistan?

Afghanistan: Maas übt Selbstkritik - „es gibt nichts zu beschönigen“

Update vom 16. August, 17.40 Uhr: Ehe in etwa einer Stunde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Lage in Afghanistan spricht, äußerte sich Außenminister Heiko Maas (SPD). Am späten Nachmittag räumte er eine falsche Lageeinschätzung in Afghanistan ein. „Es gibt da nichts zu beschönigen“, sagte Maas in Berlin. Weder die Bundesregierung noch ihre westlichen Partner einschließlich der Nachrichtendienste hätten die aktuelle Entwicklung so vorhergesehen. „Es gebietet die Ehrlichkeit, das in aller Form so einzugestehen.“

Die aktuellen Bilder, vor allem von den verzweifelten Menschen am Flughafen von Kabul, nannte Maas „außerordentlich schmerzhaft“. Es komme jetzt für die Bundesregierung darauf an, „so viele Menschen wie möglich aus dieser Situation zu retten“. Dafür solle der Kreis derjenigen, die in Deutschland aufgenommen werden, noch einmal erweitert werden, sagte der Außenminister. Er solle neben den Ortskräften der Bundeswehr und der Bundesregierung nun auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, der Entwicklungshilfe sowie Menschenrechtsaktivisten und Frauenrechtlerinnen umfassen.

Maas räumte allerdings ein, dass noch unklar sei, wie diese Menschen unter den aktuellen Umständen zum Flughafen gelangen könnten. Soweit ihnen das gelinge, sollten sie sowohl mit deutschen wie auch mit US-Flugzeugen ausgeflogen werden, sagte der Minister.

Außenminister Heiko Maas (SPD).
Wegen der Lage in Afghanistan in der Kritik: Außenminister Heiko Maas (SPD). © Christoph Soeder/dpa

Merkel erklärt Details: Gefährliche Bundeswehr-Mission in Afghanistan – Kanzlerin nennt Geflüchteten-Zahl

Ursprungsmeldung vom 16. August: Berlin/Kabul - Die radikal-islamischen Taliban haben Afghanistans Hauptstadt Kabul erreicht – nun steht auch die Bundeswehr vor einer schwierigen Mission: Die weiterhin nötige Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr und deutscher Ministerien ist schwierig und gefährlich. Heftige Kritik gibt es dabei auch an den Planungen der Bundesregierung. Die Opposition nahm am Montag vor allem Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) ins Visier. Der Vorwurf: Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel* (CDU) habe zu spät auf die sich zuspitzende Lage in Afghanistan reagiert. Das Auswärtige Amt räumte Fehler ein.

Am Montagabend wollen sich die Gescholtenen selbst äußern: Das Bundespresseamt kündigte eine Pressekonferenz mit Merkel im Kanzleramt für 18.45 Uhr an. Bereits um 17.00 Uhr will sich Maas zum Thema Afghanistan* äußern.

Merkel erklärt Details zu Bundeswehr-Mission in Afghanistan: Mindestens 10.000 Menschen zu evakuieren?

Das Bundesverteidigungsministerium startete am Montag eine Luftbrücke, über die deutsche Staatsbürger und besonders gefährdete Afghanen aus Kabul ausgeflogen werden sollen. Merkel sagte in einer internen Parteisitzung*, inklusive den Angehörigen müssten bis zu 10.000 Menschen nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden. Sie warnte zugleich vor einer neuen Flüchtlingskrise.

Die Bundesregierung habe vor Monaten bereits 2500 Ortskräfte identifiziert, wurde Merkel zitiert. Zudem habe die Regierung 2000 weitere Einheimische identifiziert, die mit deutscher Hilfe außer Landes gebracht werden sollten – etwa Menschenrechtler und Anwälte. Inklusive der Angehörigen könnten so rund 10.000 Menschen zusammenkommen, die nach Deutschland ausgeflogen werden sollten. „Fest steht: Es ist ein gefährlicher Einsatz für unsere Soldatinnen und Soldaten“, schrieb das Verteidigungsministerium auf Twitter.

Der Einsatz der Bundeswehr erfordert die Zustimmung des Bundestags; wegen der Dringlichkeit der Lage wird das Parlament nachträglich über das Mandat abstimmen. Dieses soll den Einsatz von „einigen hundert Soldaten“ genehmigen – das teilte Merkel nach AFP-Informationen bei einer Unterrichtung der Bundestagsfraktionsvorsitzenden mit. Ausgeflogen werden sollten neben deutschen Staatsbürgern und einheimischen Ortskräften auch „besonders gefährdete Frauen, Menschenrechtler und weitere Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen“. Merkels Regierung geht demnach von einem „Operationsfenster bis zum 31. August“ aus, hieß es weiter. Die Regierung wollte aber nicht ausschließen, dass sich dieses Fenster für die Evakuierungseinsätze der Bundeswehr früher schließt.

Afghanistan: Kritik an Merkels Regierung – „Sie hat zu lange gewartet“

Die nun überaus dramatische Lage hat nach Ansicht vieler Kritiker Merkels Regierung mitverschuldet. Der Sicherheitsexperte der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Markus Kaim, etwa geht davon aus, dass der Flughafen Kabul nicht mehr lange für Evakuierungsflüge genutzt werden kann. Es gebe noch ein Zeitfenster von vielleicht drei Tagen oder höchstens einer Woche – „dann schließt sich dieses Zeitfenster und wer dann das Land nicht verlassen hat, wird dort bleiben müssen“, sagte Kaim am Montag im Sender Phoenix.

Zur Aufnahme ehemaliger afghanischer Ortskräfte in Deutschland sagte er, der Bundesregierung müsse „ein schlechtes Zeugnis“ ausgestellt werden. „Sie hat zu lange gewartet, sie hat zu hohe bürokratische Hindernisse aufgebaut, sie hat darauf bestanden, dass alle, die nach Deutschland kommen wollen, einen afghanischen Pass vorlegen.“ Das habe das Verfahren erheblich verlangsamt. „Und jetzt ist es wirklich an der Zeit, unbürokratisch all die mitzunehmen, die man mitnehmen kann“, mahnte Kaim.

Ähnlich äußerten sich einige Oppositionspolitiker. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, warf der Bundesregierung ebenso wie FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff „Versagen“ in dieser Frage vor. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erhob Vorwürfe*. Sogar aus Reihen der Regierungsparteien kam Kritik. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter räumte einen „gravierenden Fehler“ ein, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich monierte indirekt ein zu langes Abwarten.

Afghanistan: Dramatische Lage in Kabul – Panik vor den Taliban

Die Taliban hatten in den vergangenen Tagen in einem rasanten Tempo eine Stadt nach der anderen teilweise kampflos eingenommen, waren am Sonntag auch in die Hauptstadt Kabul eingedrungen und haben bereits den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle. Die Bundesregierung hatte angesichts der dramatischen Lage am Freitag entschieden, das Botschaftspersonal auf ein Minimum zu reduzieren.

Am Sonntag wurden bereits alle Mitarbeiter zum Flughafen gebracht, der von mehreren tausend US-Soldaten abgesichert wird. Höchst bedrohlich ist indes die Lage vor allem für die afghanische Bevölkerung. Am Flughafen versuchten Berichten zufolge unzählige Menschen, einen Flug aus dem Land heraus zu bekommen – die kommerzielle Luftfahrt ist allerdings eingestellt. Fotos und Videos zeigten am Montag, wie sich Fluchtwillige an Flugzeuge klammerten. Berichtet wurde auch von Menschen, die von Flugzeug-Fahrwerken aus größer Hohe in die Tiefe stürzten*. (dpa/AFP/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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