das Dummheit?
Professor Wolfgang Schroeder: Dieser Vorgang zeigt, dass die AfD keine „normale“ parlamentarische Kraft ist. Es handelt sich um eine Partei der Streithansl, die ihre Interessendivergenzen, die es in jeder Partei gibt, häufiger nicht in einen friedlichen Ausgleich bringen kann.
Einerseits beobachten wir Kulturkämpfe innerhalb der AfD zwischen dem „Flügel“ und den „Gemäßigten“. Andererseits geht es auch einfach um Auseinandersetzungen, die jenseits ideologischer Strömungen stattfinden, wenn sich einzelne Personen bis aufs Blut bekämpfen. Im baden-württembergischen Landtag haben solche Konflikte schon zur Spaltung der Fraktion geführt.
In Bremen ist dies jetzt besonders pointiert zum Ausdruck gekommen. Der Streit mündete hier in einen „Not“- und einen „Rumpfvorstand“. Durch konkurrierende Listenvorschläge haben sie die rechtlichen Grundlagen für die Teilnahme an einer Landtagswahl unterminiert.
Wer könnte von einem AfD-Aus bei der Bremen-Wahl profitieren?
Die AfD ist im Bremer Landtag ohnehin schwach vertreten. Ein Ausschluss von der Wahl wäre kein „Beben“, sondern eine Fußnote. In Bremerhaven darf sie aber sehr wohl antreten – und es gibt das Phänomen, dass diejenigen, die eine solch populistische Partei präferieren, dann Ausschau nach Alternativen halten. In Bremen und Bremerhaven gibt es mit der Wählergruppierung Bürger in Wut (BiW) nun eine Alternative zu den Rechtspopulisten, die im Landtag mittel- und langfristig eine Konkurrenz zur AfD werden könnte.
Das haben wir in Sachsen ja bereits. Dort haben sich neben der AfD die Freien Sachsen gebildet, die weitaus radikaler sind. Parteien, die aus einer gewissen Radikalität in den Raum des Parlamentarismus vorstoßen, werden durch den Parlamentarismus dann ein Stück weit geschliffen – das wiederum bietet im eigenen Lager den Resonanzboden für neue radikale Kräfte.
In Bremen und Bremerhaven gibt es mit der Basisdemokratischen Partei Deutschland nun eine Alternative zu den Rechtspopulisten.
Streitet die AfD häufiger als andere Parteien?
Ja, das kann man auf jeden Fall sagen, wenn man die kompromisslose Form des Streits meint. Die AfD ist auch ein Sammelbecken für Menschen, die durchaus „robust“ mit anderen umgehen und eine gewisse unversöhnliche Haltung ihrer Umwelt gegenüber zeigen.
Es existiert also ein hohes Maß an Unzufriedenheit und Wut auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite die Einschätzung, selbst alleine die Lösung darzustellen und zu wissen, wo es langgeht. Eine egozentrische Überhöhung der eigenen Person und eine unzureichende Fähigkeit, die Interessen anderer zu berücksichtigen und auf einen Ausgleich bedacht zu sein – das scheint mir ein Markenzeichen der AfD zu sein. Sie ist ein Becken für Streithansel und Leute, die Schwierigkeiten im Sozialverhalten haben.
Wir hatten das ähnlich 2019 bei den Landtagswahlen in Sachsen. Da hat die AfD es nicht vermocht, auf einem Nominierungsparteitag alle Kandidaten aufzustellen, weil sich die einzelnen Bewerber nicht an die Vorgaben gehalten haben und damit das gesamte zeitliche Arrangement gesprengt haben.
Eine egozentrische Überhöhung der eigenen Person scheint mir ein Markenzeichen der AfD zu sein.
Sehen Sie Parallelen zum Streit in der Linken?
Da muss man vorsichtig sein. Die Personalquerelen in der AfD sind auf allen Ebenen; bei der Linkspartei hat man den Eindruck, es ist besonders stark auf die Person Sahra Wagenknecht bezogen, die innerhalb der Partei ja eine ähnliche Fokussierung genießt wie Björn Höcke in der AfD.
Es sind dennoch zwei sehr unterschiedliche Parteien, auch mit einer unterschiedlichen Nähe zu unserer Verfassung. Von außen betrachtet gibt es einige Gemeinsamkeiten; das hängt aber auch damit zusammen, dass in beiden Parteien der ideologische Streit eine wichtige Rolle spielt.
In Parteien, in denen das Ringen um die theoretisch (!) beste Ordnung im Zentrum steht und weniger die praktische Gestaltung der täglichen Lebensverhältnisse, ist das Entstehen einer unversöhnlichen „Kampfzone“ wahrscheinlicher. Da, wo die Linkspartei in Regierungsverantwortung ist, ist sie eine ganz „normale“ sozialdemokratische Partei eher konservativer Art, die absolut pragmatisch vorgeht.
Die AfD und Die Linke sind zwei sehr unterschiedliche Parteien.
Der „Sonntagstrend“ sieht die AfD bundesweit aktuell vor den Grünen.
Erstens ist das gerade nur bei der Insa-Umfrage so, bei denen die Rechten in der Regel höher bewertet werden als in den anderen Umfragen. Zweitens ist es beunruhigend, dass die AfD überhaupt so starke Zustimmungswerte erreicht. Und drittens ist es auch wiederum wenig beunruhigend, weil das Momentaufnahmen sind. Und wir hatten es vor der Ampel-Koalition ja so, dass die AfD stärkste Oppositionspartei war.