Etliche Ortskräfte hoffen in Kabul auf Rettung - doch Bundeswehr-Aussagen machen wenig Hoffnung

Laut Bundeswehr ist es unklar, ob den afghanischen Ortskräften geholfen werden kann - auch wegen Versäumnissen deutscher Politik. Die Bundesregierung will mit den Taliban verhandeln.
Berlin/Kabul - Die Meldungen vom Flughafen in Kabul ändern sich stündlich. Nachdem die afghanische Hauptstadt von den Taliban eingenommen wurde, ergriffen tausende Menschen die Flucht – aus Angst vor dem Tod* Darunter waren auch etliche Ortskräfte, die in den vergangenen Jahren für Deutschland im Einsatz waren. Ob allen geholfen werden kann, scheint am Dienstagabend (17. August) mehr als unklar.
Afghanistan: Wenig Hoffnung für Ortskräfte - „Wenn wir noch jemanden retten, haben wir viel Glück“
Bundeswehr-Hauptmann Marcus Grotian hat wenig Hoffnungen, dass noch Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland geholt werden können. „Wenn wir hier noch überhaupt jemanden retten, dann haben wir viel Glück“, sagte Grotian vom Patenschafts-Netzwerk Afghanische Ortskräfte am Dienstag in Berlin. Die Taliban hätten den Flughafen in Kabul umzingelt. „Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde erreichen uns unzählige Nachrichten“, sagte Grotian. Diese Hilferufe werde er nie vergessen.
Grotian, der für die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz war, spricht auch von einer Verantwortung der Politik. Politiker und Bürokraten hätten einfach nur die Regeln umgesetzt und nicht geholfen. „Bürokratie bis zum Schluss. Wenn Sie nicht den richtigen Antrag dreimal ausgefüllt haben, würde man Ihnen keinen Rettungsring zuwerfen“, sagte Grotian. Hätte man stattdessen versucht Menschenleben zu retten, dann würde heute nicht von 8000 Menschen gesprochen werden, die zurückgelassen wurden, sondern vielleicht von 30. Der Druck auf die Politik wird größer.
Afghanistan: Bundesregierung will mit Taliban verhandeln
Die Bundesregierung hat derweil angekündigt, mit den Taliban über die Evakuierung der afghanischen Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien verhandeln zu wollen. Der in der Kritik stehende Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)* sagte am Dienstag in Berlin, dass Botschafter Markus Potzel nach Katar geschickt worden sei, um sich mit Taliban-Repräsentanten zu treffen. Maas verwies darauf, dass auch die Amerikaner bereits mit den Taliban über die Evakuierung ehemaliger und derzeitiger afghanischer Mitarbeiter reden würden. Potzel werde in seinen Gesprächen in Doha darauf hinwirken, „dass die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich auch Ortskräfte an den Flughafen begeben können“.
Die Taliban haben Kontrollpunkte in der Nähe des Flughafens errichtet und lassen nach Angaben des Außenministers nur Ausländer durch. Nach seinen Angaben halten sich derzeit 180 Menschen am Flughafen auf, die mit Bundeswehrmaschinen ausgeflogen werden sollen. Zwei Evakuierungsflüge mit zusammen 129 Passagieren aus 15 Ländern ins Nachbarland Usbekistan haben bereits stattgefunden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, man werde so lange wie möglich Menschen aus Kabul ausfliegen. (as/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA