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Nach Tod von Kindern aus Werl bei Flugzeugabsturz im Iran - Trauerarbeit in Schule und Kita

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Von: Gerald Bus

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Nach dem Flugzeugabsturz im Iran herrscht in Werl tiefe Trauer - auch bei Mitschülern und Kita-Kindern © dpa

Es ist kein Morgen wie jeder andere. Weil ein Platz leer bleibt. Für immer. Nach dem Absturz eines Flugzeugs im Iran mit zwei Kindern aus Werl hatten die Norbertschule und die Kita Werl-Nord an der Droste-Hülshoff-Straße am Freitagmorgen die schwierige Aufgabe, das Thema Tod und Trauer mit den Mitschülern und den Kita-Kindern aufzuarbeiten.

Werl – Wie vermittelt man Kindern, dass da jemand aus ihrer Mitte gerissen worden ist und nicht wiederkommt? Wie verschafft man der Trauer Raum? „Behutsam“, sagt Marc Weise, stellvertretender Leiter der Kita Werl-Nord, nachdem die Nachricht vom Tod einer Werler Familie beim Flugzeugabsturz im Iran am Donnerstag für große Betroffenheit gesorgt hat.

Unmittelbar hat die Einrichtung im Werler Norden, die der fünfjährige Junge besuchte, „Tod und Trauer“ zum Thema gemacht. Zunächst allerdings ohne den konkreten Verlust anzusprechen. Das soll erst später kommen, wenn die Kinder Fragen stellen, wenn sie mitbekommen, was da passiert ist. 

Eine Kerze soll leuchten für die Opfer

Bei den Eltern sei das Unglück natürlich Thema gewesen, sei Betroffenheit spürbar gewesen. Man habe sie auch per Brief gefragt, ob die Aufarbeitung gewünscht ist. Die Resonanz sei positiv gewesen. Und so sollte nun bereits am Freitag ein Tisch in der Kita aufgebaut werden. Eine Kerze soll leuchten für das verloschene Leben, ein Karton Platz bieten für Bilder oder Nachrichten der Kinder, die sich dem Thema langsam nähern sollen, bevor die Kita den Verlust in den eigenen Reihen ansprechen wird. 

All das müsse kind- und altersgerecht passieren, sagt Marc Weise, „ohne Verniedlichung oder Märchen zu erzählen“. Der Trauer soll Raum gegeben werden. Noch haben die Kinder nicht präzise gefragt nach dem Jungen, der seit 2017 nach der Flucht aus Afghanistan und über den Iran in die Werler Kita ging und im Sommer zur Walburgisschule wechseln sollte. Dass er fehlt, sei den Kindern bislang nicht aufgefallen, weil ein längerer Urlaub nach den Weihnachtsferien nicht ungewöhnlich ist. 

Kinder spüren Trauer der Eltern - und werden Fragen stellen

Aber die Fragen werden kommen, sagt Marc Weise – weil Kinder auch spüren, wenn Eltern betroffen oder traurig sind. „Aber sie zeigen das nicht sofort.“ Da gelte es für das Kita-Team, die Kinder sehr genau zu beobachten, das Thema zu lenken und dann offen zu sprechen. Dem Thema Tod können Kinder sich gut über eigene Erfahrungen nähern, sei es über einen verstorbenen Opa oder ein Haustier. Dass nun dieses eine Kind aus ihrem Umfeld gestorben ist, das soll erst später aktiv angesprochen werden. 

Das Team hat die Nachricht fassungslos aufgenommen

Bleibt das Team mit seiner Trauer. Fassungslos habe man die Nachricht durch den Onkel aufgenommen. Marc Weise hatte den Jungen selber in seiner Gruppe. „Da muss man erst mal richtig schlucken.“ Ein fröhliches, aufgewecktes Kind sei es gewesen, die Mutter immer hilfsbereit und engagiert. Dass all das mit einem Schlag ausgelöscht ist, muss auch das Kita-Team verarbeiten. Man werde viel reden, eine Aufarbeitung versuchen und dann sehen müssen, „wie wir damit umgehen.“ 

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Nach dem Flugzeugabsturz im Iran ist die Trauer in vielen Teilen der Welt groß: Auch Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, nimmt an einer Mahnwache für die Opfer des abgestürzten ukrainischen Flugzeugs teil. © dpa

Norbertschule schottet Kinder vor der Öffentlichkeit ab

Das gilt auch für die Norbertschule. Die schottete zunächst die Kinder vor der Öffentlichkeit und den Medien ab, um die Schüler und ihre Trauer zu schützen. Ein positiver Zufall sei es, so Schulrat Winfried Ebert im Gespräch mit unserer Redaktion, dass die Grundschule im Werler Westen im Krisenmanagement ausgebildet ist und daher zügig alle nötigen Schritte unternahm. 

Zwei Seelsorger waren eingeschaltet und standen bereit, das Kollegium beriet bereits freitagmorgens um 7 Uhr, wie man verfahren soll. Die Kinder in allen Klassen sollten informiert werden über das Unglück und den Tod der Mitschülerin, die eine zweite Klasse besuchte. Danach sollten die Schüler Fragen stellen, auch trauern dürfen. „Aber nicht alle reagieren sofort“, sagt der Schulrat. 

Eltern sollen Kinder ganz genau beobachten

Daher bekommen die Schüler einen Elternbrief mit, in dem die Eltern über das Vorgehen der Grundschule und das Unglück informiert und gebeten werden, ihre Kinder zu beobachten. Wie verarbeiten sie die Nachricht? Gibt es Probleme? 

Bereit steht auch der Schulpsychologische Dienst des Kreises Soest, auch am Montag noch. Denn dass einige Probleme und Trauerschübe erst später kommen, ist realistisch. „Die Schule hat das professionell gehandhabt“, sagt Ebert. „Dabei ist diese Nachricht wie ein Sturm über sie hereingebrochen.“ Alle entscheidenden Stellen seien eingeschaltet werden. 

"Extreme Betroffenheit" - ein Tisch in der 2. Klasse bleibt leer

Nun müsse man der Norbertschule Zeit zur Aufarbeitung geben. „Dort gibt es eine extreme Betroffenheit“, sagt der Schulrat, „auch bei den Kollegen.“ Lehrer können sich Hilfe beim Schulpsychologischen Dienst holen, wenn sie sie benötigen. Denn zunächst müssen sie sich zwar ihrer Verantwortung der Trauerbegleitung für die Kinder stellen. Aber auch sie brauchen Zeit, zu verarbeiten, dass ein Tisch in Klasse 2 nun leer bleibt. Für immer. 

Auch eine junge Mainzerin ist offenbar unter den Todesopfern des Flugzeugabsturzes im Iran – ihre Arbeitskollegen veröffentlichen ein emotionales Statement.

Unterdessen deutet immer mehr auf einen Abschuss der Boeing 737 hin. Neben Justin Trudeau, Premierminister Kanadas, äußerte sich jetzt auch der britische Premierminister Boris Johnson in diese Richtung. 

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