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Nach tödlichem Unfall auf der A44: Was wird gegen Geisterfahrer getan?

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Von: Daniel Schröder

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Geisterfahrer-Unfall auf der A44 bei Werl. Ein Mann starb, eine Frau wurde schwer verletzt. Ein Großaufgebot an Rettungskräften war im Einsatz. © Michael Neumann

Nach dem tödlichen Geisterfahrer-Unfall auf der A44 zwischen Werl und Unna gibt es weiter mehr Fragen als Antworten.

Werl/Unna - Drei Tage nach dem tödlichen Geisterfahrer-Unfall auf der A44 erklärte Joshua Pollmeier, Sprecher der Polizei Dortmund, dass sich „sehr viele Zeugen“ bei der Polizei melden würden, die den Wagen des Bergkameners gesehen hatten - allerdings, als er bereits in falscher Fahrtrichtung auf der Autobahn unterwegs war.

Wo der 75-Jährige falsch herum auf die Autobahn gefahren war oder seinen Wagen gewendet hatte, ist weiter unklar. Der Leichnam des Todesopfers sei nicht obduziert worden, es habe lediglich eine Leichenschau stattgefunden. Es sei jedoch „bei solchen Sachen“ gängig, dass nicht zwangsläufig eine Obduktion angeordnet wird.

Geisterfahrer-Unfall: Unklar, ob es ein Suizid war

Am Ende gilt für die Staatsanwaltschaft zudem die Regel, dass gegen Tote nicht ermittelt wird. Ob sich das Rätsel um die Geisterfahrt auf der A44 also auflösen lassen wird, bleibt fraglich. Es sei darüber hinaus weiter unklar, ob es sich um einen Suizid handelte oder ob die Geisterfahrt andere Hintergründe hatte. „Die Ermittlungen dazu laufen noch“, berichtete Pollmeier.

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Der Geisterfahrer raste frontal in den Peugeot einer Frau. © Michael Neumann

Da der Grund für die Falschfahrt des Seniors noch unbekannt ist, kann auch noch nicht gesagt werden, ob Präventiv-Maßnahmen den Unfall hätten verhindern können. „Neben einer eindeutigen und gut sichtbaren Beschilderung (Einbahnstraße für die falsche Fahrtrichtung etc.) sind in den Auf- und Abfahrten auf der Fahrbahndecke große weiße Pfeile markiert, die die jeweilige Fahrtrichtung anzeigen. Dies ist jedoch Standard und keine Besonderheit für die Autobahnen im Kreis Soest oder in Westfalen“, berichtete Mirko Heuping, Sprecher der Autobahn GmbH.

Geisterfahrer auf der Autobahn: Warum gibt es keine Krallen?

Die Deutsche Polizeigewerkschaft NRW hatte bereits vor etwa zehn Jahren gefordert, dass sogenannte Krallen gegen Geisterfahrer eingesetzt werden sollten. Die Metallkrallen beschädigen die Reifen und hindern den Falschfahrer somit an der Weiterfahrt. Auch elektronische Warntafeln und Blinklichter, die sich bei falscher Einfahrt aktivieren, wurden in Betracht gezogen. Die Polizeigewerkschaft hatte damals gefordert, dass die Krallen an allen Autobahnabfahrten installiert werden sollten. Man würde „eher geplatzte Reifen als Tote und schwerverletzte Menschen in Kauf nehmen“.

Johannes Badengoth von der Autobahn GmbH erklärte, warum es aus sich des Straßenbaulastträgers schwierig sei, solche Krallen zu nutzen: „Metallkrallen wären eine harte konstruktive Einschränkung. Aus Sicherheitsgründen müssten all diejenigen, die gegen die Fahrtrichtung auffahren müssen, wie beispielsweise der Rettungsdienst, Einfluss auf diese Anlagen haben. Sonst stehen die Rettungswagen auch plötzlich mit platten Reifen da.“ Dass Einsatzfahrzeuge entgegen der Fahrtrichtung auf Autobahn auffahren, passiere häufiger als man denkt, so der Experte. „Die Krallen würden im Ernstfall Wirkung zeigen. Aber steht das Ganze in einem realistischen Verhältnis?“, fragt sich Badengoth.
 
In Bayern und Baden-Württemberg gibt es neongelbe Schilder, die Falschfahrer aufhalten sollen. Doch solche Schilder könnten nicht einfach so bundeslandübergreifend aufgestellt werden. „Jedes Verkehrszeichen bedarf einer Verkehrs-behördlichen Anordnung.“ In NRW sei man derzeit überzeugt, dass die bestehende Beschilderung in Kombination mit Fahrbahnmarkierung ausreichend sei. Schnell herrsche zudem die Gefahr, dass eine „Schilder-Inflation“ dazu führen könnte, dass die wichtigen Schilder nicht mehr wahrgenommen werden.
 
„Über das normale Maß hinaus“ sollten nur dort Maßnahmen ergriffen werden, wo es regelmäßig zu derartigen Unfällen kommt. Eine Unfallkommission würde auch den Geisterfahrer-Unfall von Dienstagabend analysieren. So habe es beispielsweise nach einem solchen Unfall auf der A52 ergänzende Maßnahmen gegeben, bei dem ein Ehepaar - verwirrt durch die Verkehrs-Situation - falsch auf die Autobahn gefahren und im Zuge eines Zusammenstoßes gestorben war. „Das war ein sehr tragischer Unfall“, so Badengoth.

Geisterfahrer auf der Autobahn: „Wie kann das jemandem passieren, ohne dass er es merkt?“

Er kann aus eigener Erfahrung berichten, weil er dienstlich regelmäßig entgegengesetzt der Fahrtrichtung auf Autobahnen fahren muss: „Sobald man falsch auffährt, spürt man das: Es gibt sofort ein anderes Fahrverhalten, die Querneigung ist anders. Und spätestens, wenn einem jemand auf der Autobahn entgegenkommt, sollte man reagieren.“ Jedes Mal, wenn er falsch herum auf eine Autobahn fahre, stelle er sich die eine Frage: „Wie kann das jemandem passieren, ohne dass er es merkt?“
 
Im Zuständigkeitsbereich der Autobahnpolizei Dortmund, zu dem im Kreis Soest die A44, die A445 und die A2 zählen, wurden 91 Falschfahrer im Jahr 2021 gemeldet. 2020 gab es 71 Meldungen, 2022 waren es bis Mai 42, berichtete Joshua Pollmeier vom Dortmunder Polizeipräsidium. In der Leitstelle der Polizei gebe es ein standardisiertes Vorgehen, wenn ein Falschfahrer über den Notruf gemeldet wird: „Die Leitstelle einen Ticker, der direkt zu den Radios führt. Im konkreten Fall wurde sofort ein Warnhinweis zu dem Falschfahrer auf der A44 herausgeschickt. Zusätzlich wird der WDR angerufen, um sicherzugehen, dass die akute Warnung auch frühzeitig verteilt wird.“ Der WDR spielt die Meldung dann unter anderem automatisiert auf die Cockpit-Displays vieler Autos.

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