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„Moderne Hexenjagd“: TikTok-Accounts der Tatverdächtigen im Fall Luise gesperrt

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Von: Hannah Decke

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Videos, die die mutmaßlichen Täterinnen im Fall Luise zeigen sollen, kursieren auf TikTok. In den Kommentaren: Hetze und Hass. Die Behörden haben reagiert.

Freudenberg - Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) nennt es eine „moderne Form der Hexenjagd“: In den sozialen Netzwerken wurden Bilder und Videos verbreitet, die die mutmaßlichen Täterinnen im Fall Luise zeigen sollen. In den Kommentaren tummelten sich Hass und Hetze. Auch ein Video von der 12-Jährigen aus Freudenberg (NRW) selbst wurde veröffentlicht. Mittlerweile sind einige der Postings schon gelöscht worden. Die Polizei hat das Ganze im Blick – und warnt die Nutzer.

„Moderne Hexenjagd“ im Fall Luise: TikTok-Accounts der mutmaßliche Täterinnen gesperrt

„Mutmaßliche Täterinnen von Luise F. aus Freudenberg gefunden“, heißt es unter einem Video, das am Mittwoch (15. März) auf TikTok veröffentlicht und auch auf anderen Plattformen verbreitet wurde. Zu sehen: zwei TikTok-Profile inklusive Namen von zwei Mädchen. Auch ein Foto ist beigefügt, auf dem die abgebildete Person sehr gut zu erkennen ist. Laut dem Nutzer, der das Video postete, soll es sich um die mutmaßlichen Täterinnen handeln, die die 12-jährige Luise töteten.

Unter dem Video tummelten sich zahlreiche hasserfüllte Kommentare und Drohungen. Gerüchte wurden verbreitet – über das Motiv der Tat, über die mutmaßlichen Täterinnen, über das Opfer selbst. Mittlerweile ist das besagte Video, genauso wie ähnliche Postings, auf TikTok gelöscht worden. Auf Twitter kursieren allerdings noch besagte Bilder und auch Namen. Auch hier finden sich Drohungen und Hetze, unter anderem wird die Frage nach dem Migrationshintergrund der mutmaßlichen Täterinnen gestellt.

Polizei prüft TikTok-Videos im Fall Luise

Auf TikTok wurde eingegriffen, unter anderem wohl von der Polizei. „Wir haben ein Monitoring dazu und prüfen laufend, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird“, sagte ein Sprecher der Polizei Siegen-Wittgenstein der Deutschen Presse-Agentur. Die Polizei appellierte an die Nutzer, keine Mutmaßungen und Drohungen zu verbreiten. „Es gehen sehr, sehr zügig auch Falschinformationen durchs Internet - und vieles deckt sich einfach nicht mit unseren Ermittlungen“, so der Sprecher. Auch die Staatsanwaltschaft Siegen warnte vor Spekulationen und die dadurch entstehende Weiterverbreitung von Falschmeldungen in den Sozialen Medien.

Kerzen und Blumen liegen in einem Wald im südlichen Nordrhein-Westfalen.
Kerzen und Blumen liegen in dem Waldstück, in dem die Leiche der 12-jährigen Luise gefunden wurde. © Oliver Berg/dpa

Mit Verweis auf den Persönlichkeitsschutz des Opfers und der minderjährigen mutmaßlichen Täterinnen halten sich die Ermittler mit Informationen zu der Tat sehr zurück. Das lässt viel Raum für Spekulationen. So sind etwa das Motiv für die Tat und nähere Informationen zu den Mädchen, die die Tat gestanden haben, nie offiziell mitgeteilt worden. Es stehen unzählige Fragen im Raum.

Hinzu kommt die unfassbare Wut und Verständnislosigkeit der Menschen über die Tatsache, dass die mutmaßlichen Täterinnen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Aufgrund ihrer Minderjährigkeit kann die Staatsanwaltschaft keine Anklage erheben. Die Mädchen könnten mit Genehmigung eines Familiengerichts in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht werden. Derzeit befinden sie sich nicht mehr bei ihren Eltern, haben aber wohl noch Kontakt zu ihren Familien. Laut WDR haben auch die Eltern Freudenberg verlassen.

„Moderne Form der Hexenjagd“ – TikTok-Accounts der Täterinnen mittlerweile offline

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) warnt davor, Bilder, Namen oder angebliche Social-Media-Profile der mutmaßlichen Täterinnen im Internet zu teilen. „Die Verbreitung von persönlichen Daten oder Bildern mutmaßlicher Beschuldigter durch private Personen in Sozialen Medien stellt eine moderne Form der Hexenjagd dar“, sagte BDK-Chef Dirk Peglow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Gefahr sei groß, dass Menschen öffentlich mit der Tat in Verbindung gebracht werden, die gar nichts mit ihr zu tun hätten. Und es bestehe die Gefahr, dass angeprangerte Menschen verbal oder gar körperlich angegangen werden.

Mittlerweile sind die Profile der Täterinnen gesperrt, wie eine Tiktok-Sprecherin dem RND bestätigte. Das Unternehmen habe einem „behördlichen Gesuch“ sofort entsprochen und die betroffenen Accounts offline genommen. Andreas Müller, Landrat Siegen-Wittgensteins, sagte der Siegener Zeitung dazu: „Wir haben die Löschung über die jeweiligen Plattformbetreiber veranlasst. Dort hat man schnell reagiert.“

Tatsächlich zeigt ein Fall auf TikTok, wie schnell Menschen fälschlicherweise mit der Tat in Verbindung gebracht werden können: Ein Video soll Luise und „eine ihrer Freundinnen“ zeigen. In den Kommentaren fassen viele das Posting so auf, dass das andere Mädchen eine der mutmaßlichen Täterinnen sein soll. Andere widersprechen der Annahme. Was stimmt und was nicht, bleibt ungewiss.

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