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Schon 140 Katzen aus Lippstädter Wohnhaus gerettet - Ärztin schildert blanken Horror

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Von: Daniel Schröder

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In Lippstadt wurden zahlreiche Katzen aus einem Haus gerettet.
In Lippstadt wurden zahlreiche Katzen aus einem Haus gerettet. © Daniel Schröder

Der schreckliche Fund in einem Lippstädter Einfamilienhaus sorgt für Wut und Unverständnis. Mittlerweile wurden mehr als 140 Katzen aus dem Haus gerettet.

Lippstadt - Der schreckliche Katzen-Fund in einem Lippstädter Wohnhaus nimmt immer größere Ausnahme an. Nachdem am Sonntag geschätzt worden war, dass 50 bis 60 Katzen in dem Haus gefangen waren, musste die Zahl am Montag deutlich nach oben korrigiert werden: „Inzwischen wurden 140 Katzen aus dem Haus gerettet“, erklärte die Kreis-Veterinärin Dr. Katharina Bonitz gegenüber unserer Redaktion. Sie erklärte zudem, dass damit zu rechnen sei, dass sich noch viele weitere Katzen in dem Haus aufhalten würden.

„Im günstigsten Fall sind es noch zehn, es können aber auch noch mehr als 30 sein.“ Das Problem: Die Tiere verstecken sich in ihrer Angst. „Das Treppenhaus ist bis zum Dachboden komplett offen. Der Dachboden ist voller Zeug und geöffneten Schränken. Darin haben wir Katzen verschwinden sehen. Sie sind aktuell unerreichbar.“ Die Hoffnung liegt daher nun auf Lebendfallen. „Die Arbeit in dem Haus kann noch ein bis zwei Wochen dauern. Erst, wenn zwei Tage lang keine Katze mehr in einer Lebendfalle sitzt, können wir davon ausgehen, dass das Haus leer ist.“

140 Katzen aus Wohnhaus gerettet: „Ich habe noch nie etwas Vergleichbares erlebt“

Bonitz‘ Stimme verrät, wie sehr sie dieser extreme Fall mitnimmt: „Ich habe noch nie etwas Vergleichbares erlebt. Es gab einen Fall in Werl - in der Wohnung wurden damals 36 Katzen gefunden.“ Im aktuellen Fall ist damit zu rechnen, dass fünfmal so viele Tiere „wie in einem Käfig“ in dem Haus gehalten wurden - sofern von Tierhaltung in diesem Fall überhaupt die Rede sein kann.

140 Katzen aus Wohnhaus gerettet: Tiere waren versteinert und wirkten wie tot

Am Sonntag war über die Polizei erklärt worden, dass viele Katzen in dem Haus nur noch tot gefunden werden konnten. Am Folgetag erklärte Bonitz: „Alle Katzen leben. Durch ihre blanke Angst befanden sie sich jedoch in einer Schockstarre, sie bewegten sich einfach nicht.“ Die Katzen waren dermaßen versteinert, dass die Experten davon ausgehen mussten, dass sie verendet waren.

In Lippstadt wurden zahlreiche Katzen aus einem Haus gerettet.
In Lippstadt wurden zahlreiche Katzen aus einem Haus gerettet. © Daniel Schröder

Der mutmaßliche Eigentümer des Hauses standen am Sonntagabend plötzlich vor der Tür. Er hatte über die Medien von dem Einsatz erfahren, protestierte gegen die Maßnahmen. Die Polizei verwies ihn des Grundstücks, das Haustürschloss musste getauscht werden. Noch hätte er sich nicht beim Kreis Soest gemeldet, erklärte Bonitz: „Ich versuche, einen Kontakt zu bekommen.“ Der mutmaßlich Verantwortliche muss sich auf gleich mehrere behördliche Verfügungen einstellen: Zum einen wird es eine „Anordnung zur pfleglichen Unterbringung auf Kosten des Tierhalters“ geben, zudem sei eine Haltungsuntersagung in Vorbereitung. „Das geht doch nicht. So darf man keine Katzen halten. Und: So eine Situation kommt ja nicht von heute auf morgen. Die Katzen müssen schon lange unter solch schlimmen Bedingungen gelebt haben“, betonte die Veterinärin.

140 Katzen aus Wohnhaus gerettet: Zu den Hintergründen gibt es zwei Theorien

Über den mutmaßlichen Hauseigentümer sagte sie: „Es wäre schön, wenn wir uns treffen würden und mal sprechen könnten. Ich will das ganze ja auch verstehen, ich hoffe, dass ich es verstehen kann.“ Zu den möglichen Hintergründen gab sie folgende Einschätzung: „Es gibt zwei Varianten. Entweder, es handelt sich um eine gewerbsmäßige, illegale Zucht. Oder aber, es ist irgendetwas Einschneidendes im Leben des Katzenhalters passiert, wodurch er psychisch so beeinträchtigt war, dass alles aus dem Ruder gelaufen ist. Katzen vermehren sich sehr schnell.“

140 Katzen aus Wohnhaus gerettet: „Ein sozialisierter Mensch würde dort so nicht leben können und wollen“

Dass der Mann tatsächlich, in dem Haus lebte, wie er am Sonntagabend behauptete, will die Expertin nicht grundsätzlich ausschließen: „Ich mache den Tierschutzjob jetzt seit 20 Jahren und ich staune immer wieder, unter welchen Bedingungen Menschen bereit sind, zu leben. Ich halte nichts für unmöglich. Gleichzeitig muss man festhalten: Ein durchschnittlicher, sozialisierter Mensch in Deutschland würde dort so nicht leben können und wollen.“

Neben den Einfang-Maßnahmen im Haus gelte es parallel, jede der gefangenen langhaarigen Rassekatzen zu untersuchen und alles zu dokumentieren. Viele Tiere würden sich in einem furchtbaren Zustand befinden: „Das Fell war bei vielen total verfilzt, faustgroße Filzplatten sind abgerissen. Das sorgte für entsprechende Wunden und Entzündungen.“

140 Katzen aus Wohnhaus gerettet: „Kein Tierheim kann sowas alleine stemmen“

Alle Tiere werden zunächst im Lippstädter Tierheim aufgenommen. „Ich hoffe, dass alle Katzen vermittelt werden können“, blickt Dr. Katharina Bonitz in die Zukunft. Sie ist froh, dass der Zusammenhalt unter den Tierheimen riesig ist. Das bestätigt auch Birgit Oberg, Leiterin des Soester Tierheims: „Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind und die Tiere verteilt werden können, werden wir selbstverständlich etliche von ihnen aufnehmen“, sagt sie. Mit einem Rundruf habe sie noch am Sonntag alle Tierheime in Ostwestfalen-Lippe mobilisiert, viele von ihnen wollen ebenfalls betroffene Vierbeiner aufnehmen. Zudem gebe es das Angebot, dass andere Tierheime „Stammkatzen“ aus dem Lippstädter Tierheim aufnehmen würden, um in Lippstadt Platz für die Tiere aus dem Haus zu schaffen. Oberg betont: „Kein Tierheim kann sowas alleine stemmen, das ist unmöglich.“ Zudem sei aktuell Geburtenzeit bei Katzen: „Die Tierheime füllen sich dadurch sowieso schon.“

Auch sie denkt an den Fall aus Werl: „Damals war das schon der blanke Horror. Aber der Fall aus Lippstadt - das sind noch einmal ganz andere Dimensionen. Das ist absolut grauenvoll.“ Sie hofft, dass die Halter zur Verantwortung gezogen werden. „Bis so ein Zustand erreicht ist, vergehen Monate und Jahre. Jeder Mensch hat Krisen, aber bei so einer Situation hört mein Verständnis auf. Ich möchte gar nicht wissen, in wie vielen Haushalten sich derartige Schicksale ebenfalls abspielen, wie viele Katastrophen noch hinter verschlossenen Türen geschehen.“

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