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Konservierungsbad fürs Mittelalter-Wrack aus der Lippe - Ausstellungsort ungewiss

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Von: Michael Dülberg

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Vor dem Abtransport des mittelalterlichen Bootswracks aus der Lippe nehmen Mitarbeiter des LWL-Archäologie für Westfalen in Münster ein Stück des 850 Jahre alten Wrack aus einem Wasserbecken.
Vor dem Abtransport des mittelalterlichen Bootswracks aus der Lippe nehmen Mitarbeiter des LWL-Archäologie für Westfalen in Münster ein Stück des 850 Jahre alten Wrack aus einem Wasserbecken. © Guido Kirchner/dpa

Die 850 Jahre alten Holzbalken müssen beim Transport ins Konservierungsbad in Schleswig-Holstein schön feucht bleiben. Deshalb wurden sie jetzt vom Chef-Restaurator des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, Sebastian Pechthold, und seinen Mitarbeitern schön luftdicht in Folie verpackt, ehe sie auf die Reise gingen.

Münster/Lippetal - Die aus Eichenholz bestehenden Planken und Spanten des mittelalterlichen Schiffes, das im Jahr 2020 in einer spektakulären Aktion zwischen Herzfeld und Liesborn aus der Lippe geborgen worden war, werden im Museum für Archäologie in Schloss Gottdorf bei Schleswig für einige Jahre in einer Spezial-Konservierungsflüssigkeit liegen, bis sie „durchgezogen“ und damit haltbar geworden sind.

„Wo und wie das Wrack nach seiner Konservierung einmal ausgestellt werden wird, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es für die Westfalen zugänglich gemacht werden soll“, sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger und zeigt sich von der Entdeckung begeistert: „Der Fund des Wracks ist auch drei Jahre nach seiner Entdeckung immer noch hoch faszinierend und von großer Bedeutung für die Archäologie Westfalens. Wir werden in den kommenden Jahren noch viele Geheimnisse lüften können, denn die Forschungsarbeit hat gerade erst begonnen.“

Schiffswrack aus Lippetal: Historischen Erkenntnisse

Die historischen Erkenntnisse darüber, wer das Boot einst gebaut hat und wo überall es genutzt und was damit transportiert wurde, sollen erst noch erforscht werden. Für Rüschoff-Parzinger steht fest, dass der spätere Ausstellungsort angesichts der Ausmaße der Entdeckung angemessen sein muss. Solch ein Museum könne nicht ehrenamtlich betreiben werden. Immerhin spricht vorerst einiges für eine Ausstellung in der Region, in der das Boot gefunden wurde. Noch ist aber nicht festgestellt, wer das Boot gebaut hat und wo.

Prof. Michael Baales, Leiter der LWL-Archäologie-Außenstelle in Olpe, begleitet das Wrack seit seiner Entdeckung: Der sensationelle Fund habe völlig neue Erkenntnisse gebracht. So sei man bisher davon ausgegangen, dass die Menschen in der Zeit des Mittelalters ihre Waren und Güter oder Baustoffe allein mit Karren gezogen hätten. Dass damals auf der Lippe und vermutlich auf dem Rhein Schiffe gefahren und vielleicht getreidelt seien, sei eine völlig neue Erkenntnis. „Es hat erste Analysen der Moose aus der Kalfatmasse gegeben, also der Dichtmasse zwischen den Fugen der einzelnen Planken“, so Baales. Offenbar kamen für die Herstellung dieser Dichtmasse mehrere Moosarten zum Einsatz, die damals in Westfalen heimisch waren. Das spreche für den Bau des Bootes hier in Westfalen, so die erste Einschätzung.

Es geht auf Reisen nach der Rekonstruktion durch die Archäologen. Sie vermuten auch eine Mastkonstruktion, an der das Schiff die Lippe hochgezogen, also getreidelt worden sein könnte.
Es geht auf Reisen nach der Rekonstruktion durch die Archäologen. Sie vermuten auch eine Mastkonstruktion, an der das Schiff die Lippe hochgezogen, also getreidelt worden sein könnte. © Michael Dülberg

Seit die aus der Lippe geborgenen Hölzer im Restaurierungslabor des LWL in der Speicherstadt in Münster angekommen sind, kümmert sich Chef-Restaurator Sebastian Pechtold um das Wrack: „Das Holz wurde hier in Leitungswasser gelagert, um es bis zum Transport zu den Kollegen in Schleswig fit zu halten“, sagt Pechtold. Nun soll das Wrack dort, in den großen Konservierungsbecken des Museums für Archäologie Schloss Gottorf, über mehrere Jahre konserviert werden. Pechtold: „Dazu sind hohe und weite Räume mit großen Becken und Hebeeinrichtungen nötig, und wir freuen uns über die Unterstützung.“

Er selbst begleitet die inzwischen mehrfach zersägten Bootsteile bei ihrem Transport in einem 7,5-Tonner in den Norden. Die Zerteilung der Holzplanken war nötig, weil das Konservierungsmittel nur durch die Fasern des Holzes diffundieren und damit wirken kann, nicht aber durch die Außenseiten.

Schiffswrack aus Lippetal: Weitere Untersuchungen

Allerdings stehen auch noch ein paar weitere Untersuchungen an: Anhand der Wuchsmuster des Holzes hoffen die Fachleute rekonstruieren zu können, welche Teile aus den Eichenstämmen zum Bau des Bootes genutzt wurden. Michael Baales: „Das würde uns mehr Informationen über die Baugeschichte des Lippeschiffes bringen. Außerdem erhofft sich das Team weitere Erkenntnisse aus anstehenden Pollenanalysen durch die Universität Köln. Dann könnten sich Fragen zum Umfeld der Wuchsstandorte der genutzten Moose klären: Wie hat die Umwelt ausgesehen, als die Menschen in den Wald gingen, um die Eichen für das Lippeboot zu schlagen?

Die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und das Team um den Unterwasserarchäologen Dr. Martin Mainberger aus Staufen im Breisgau hatten die Reste mit schwerem Gerät geborgen und untersucht. Seit November 2020 lagerte das alte Eichenholz in den Restaurierungswerkstätten der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster.

Fakten und Erkenntnisse rund um das Wrack

Es hat Untersuchungen zur Altersbestimmung des Holzes gegeben: „Die ersten Datierungen wiesen auf die Mitte des 12. Jahrhunderts. Das konnte durch die Analyse weiterer Holzproben bestätigt werden“, sagt Professor Michael Baales.

Dr. Thorsten Westphal, Dendroarchäologe von der Universität zu Köln, konnte ermitteln, dass die Eichen zwischen 1132 und 1164 gefällt wurden. Auch ein Stück Holz, das in einer großen Seitenplanke eingesetzt worden war, liegt mit einem Fälljahr von 1147 ziemlich genau in der Mitte. Dieses eingesetzte Holzstück haben die Fachleute bisher als Reparaturmaßnahme interpretiert, aber nach den aktuellen Untersuchungen ist man auch hier schlauer: „Zu vermuten ist, dass gut gelagerte Eichen verbaut wurden und dass der vermeintliche Reparatureinsatz gar keiner ist, sondern eine von vornherein problematische Wuchsstelle in der Eiche für die Seitenplanke verbessert wurde“, erklärt Michael Baales.

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