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Lebensretter: Polizisten aus Hamm und Welver erhalten seltenste Ehrung des Landes NRW

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Von: Daniel Schröder

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Joachim Hoen (links) und Mario Reck wurden am Freitagabend von Hendrik Wüst mit der seltensten Ehrung des Landes NRW, der Rettungsmedaille, ausgezeichnet.
Joachim Hoen (links) und Mario Reck wurden am Freitagabend von Hendrik Wüst mit der seltensten Ehrung des Landes NRW, der Rettungsmedaille, ausgezeichnet. © Daniel Schröder

Zwei Polizisten aus Hamm und Welver wurden am Freitagabend in Köln mit der seltensten Ehrung des Landes, der Rettungsmedaille, ausgezeichnet.

Welver/Rhynern/Köln – An den 12. März 2021 können sich die Polizeihauptkommissare Mario Reck (60) aus Welver und Joachim Hoen (59) aus Hamm noch ganz genau erinnern. An jenem Freitagmorgen retteten die beiden Bezirksbeamten einem jungen Mann in letzter Sekunde das Leben. Dafür wurden sie am Freitagabend in Köln von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit der Rettungsmedaille des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Eine Ehre die nur denen zuteil wird, die im Kampf um ein fremdes Leben ihr eigenes aufs Spiel setzen – die seltenste Auszeichnung des Landes NRW.

Gegen 7.20 Uhr war damals der Notruf bei den Rettungskräften eingegangen: Eine Obergeschosswohnung in einem Haus am Vogelbeerweg in Hamm-Rhynern sollte brennen. Sofort machten sich Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei auf den Weg. Mario Reck und Joachim Hoen haben an diesem Morgen Dienst. Die beiden Bezirksbeamten des Polizeipräsidiums Hamm sehen sich „als das Bindeglied zwischen Bürgern und Polizei“, sind oft zusammen unterwegs, so auch am 12. März 2021.

Polizisten werden Lebensretter: „Wir sind ins Haus gegangen, um zu gucken, was wir ausrichten können“

„Der Einsatz kam über Funk herein, wir standen günstig und meldeten, dass wir hinfahren“, erinnert sich Joachim Hoen. Am Unglücksort habe bereits die aufgebrachte Nachbarschaft gestanden und den ersteintreffenden Polizisten sofort signalisiert: Es ist noch jemand im Haus, doch sei der Rauch bereits viel zu dicht. „Wir sind ins Haus gegangen, um zu gucken, was wir ausrichten können. Doch es stimmte: Wir konnten zwei, drei Stufen der Treppe in den ersten Stock gehen, da wurde der Rauch so dicht, dass kein Weiterkommen war.“

Der Wohnungsbrand am 21. März 2021: Diesen Tag werden Mario Reck (60) aus Welver und Joachim Hoen niemals vergessen.
Der Wohnungsbrand am 21. März 2021: Diesen Tag werden Mario Reck (60) aus Welver und Joachim Hoen niemals vergessen. © Beuning

Polizisten werden Lebensretter: Ein plötzlicher Luftzug gibt neue Hoffnung - „komm, wir probieren es noch einmal!“

Hoen und Reck verließen das Haus wieder, als plötzlich ein Luftzug durch das Gebäude pfiff – mit einer Leiter war ein Nachbar an ein Obergeschoss-Fenster gelangt und hatte es eingeschlagen. „Der Rauch zog daraufhin leicht ab und wir sagten uns: Komm, wir probieren es noch einmal!“, berichtet Hoen. Jetzt konnten die beiden ein paar Stufen mehr hinaufgehen. Gerade genug, um einen Blick über den Treppenabsatz zu werfen. „Dort lag eine Person bäuchlings auf dem Fußboden, sie bewegte sich nicht mehr. Wir bekamen sie gerade so gegriffen, um sie herauszuziehen.“

Als die beiden Beamten und die von ihnen gerettete Person, ein gehandicapter 25-Jähriger, nach Frischluft ringend ins Freie drangen, traf gerade der erste Rettungswagen ein. Die Rettungskräfte übernahmen den wegen einer schweren Rauchgasvergiftung in Lebensgefahr schwebenden Mann. Er kam in eine Unterdruckkammer in Düsseldorf, kämpfte dort lange gegen den Tod. Er sollte siegen.

Polizisten werden Lebensretter: Bei ihrer Heldentag werden auch sie verletzt

Mit dem zweiten Rettungswagen wurden die Polizisten ins Krankenhaus gebracht, auch sie hatten Verletzungen bei ihrer Heldentat davongetragen: „Wir haben Rauch eingeatmet, die Atemwege waren gereizt. In der Klinik wurden wir eine Stunde lang mit Sauerstoff versorgt und konnten dann wieder gehen. Mehr war es eigentlich nicht“, schildert der Hammer Polizist, als wäre es das Selbstverständlichste gewesen.

Polizisten werden Lebensretter: „Wir haben nur das gemacht, wofür wir bezahlt werden“

Bescheiden sagt er: „Wir haben nur das gemacht, wofür wir bezahlt werden. Außerdem hatten wir Glück: Wäre die Treppe nur ein bisschen höher gewesen, hätten wir dem Mann nicht helfen können. Der dunkle, schwarze Rauch hat die Atemwege sofort belegt.“ Wie lebensfeindlich die Umgebung gewesen ist, in der Mario Reck und Joachim Hoen agierten, beschreibt Hoen mit einer Beobachtung: „Es war ja dickste Corona-Zeit, deshalb trugen wir FFP2-Masken. Die waren tiefschwarz, als wir wieder draußen waren. Vermutlich haben die Masken uns einiges erspart.“

Mit der Fahrt ins Krankenhaus war der Einsatz für die beiden Beamten vorbei. „Danach hat es zwei, drei Tage Zeit gebraucht, um das Ganze zu verstehen. Die Kollegen klopften uns auf die Schultern, doch so richtig registriert hatten wir es nicht.“ Nach etwa einer Woche, der 25-Jährige lag noch immer auf der Intensivstation, sei den beiden bewusst geworden, „dass das ein Umstand war, der über das normale Maß hinaus gegangen ist.“ Ein befreundeter Feuerwehrmann habe ihnen erklärt, „dass es mehr als grenzwertig gewesen ist, da ohne Schutzausrüstung reinzugehen.“

Polizisten werden Lebensretter: „Wir sind aus allen Wolken gefallen“

Die lebensgefährliche Grenzüberschreitung rettete einem jungen Menschen das Leben. Dass ihr Handeln keine Selbstverständlichkeit gewesen ist, wurde ihnen vor rund einem Monat, fast zwei Jahre danach, deutlich: „Wir sind aus allen Wolken gefallen, als die Staatskanzlei uns kontaktiert hat, weil uns die Rettungsmedaille verliehen werden sollte.“ Das sei in 40 Jahren Dienstzeit schon „eine ganz außergewöhnliche Auszeichnung“. NRW-Ministerpräsident lobte die beiden heimischen Lebensretter. Sie und die anderen Geehrten seien Vorbilder. „Sie können stolz sein auf das, was sie getan haben.“

Die Auszeichnung

Die Rettungsmedaille wird seit 1951 auf der Grundlage des Gesetzes über die staatliche Anerkennung für Rettungstaten des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen. Seither wurden 1362 Bürger mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.

Seit ihrer Rettungsaktion hatten die beiden Polizisten keinen Kontakt mehr zu dem 25-Jährigen. „Seine Tante war auf unserer Dienststelle und hat ein Dankeschön hinterlegt. Da waren wir beide aber leider nicht im Dienst“, erklärt Hoen. Durch ihr wachsames Auge auf „ihr“ Rhynern wissen die Polizisten lediglich, dass die Brandwohnung lange unbewohnbar gewesen ist. „Die Arbeit gingen nicht so voran. Wir wissen nicht, wo die Familie hingezogen ist.“ Die beiden Polizisten glauben übrigens nicht, dass diese gemeinsame Erfahrung sie noch mehr zusammengeschweißt hat: „Das geht, glaube ich, gar nicht“, ist sich Joachim Hoen sicher.

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