Die Obduktion ergab wenig später, dass die Tote schon einige Wochen im Wasser gelegen haben musste. „Bei der gestrigen Obduktion der Leiche fanden sich keine Spuren, die auf eine äußere Gewalteinwirkung schließen lassen. Ein Verbrechen ist einwandfrei auszuschließen“, vermeldete unsere Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. August 1994. Die Vermisstenkartei der Polizei brachte damals keine Anhaltspunkte, wer die Frau, die zum Auffindezeitpunkt eine kurze Jeanshose und ein kurzärmliges rot-weiß-gestreiftes Hemd trug – sein könnte. Auch die Hoffnung auf Zeugenhinweise verpuffte. Die Unbekannte wurde schließlich in einem anonymen Grab beerdigt.
Parallel wurde im Nachbarland von NRW weiter im Vermisstenfall Maria van der Zanden ermittelt, immer wieder wurde der Fall neu aufgerollt – vergeblich. Laut Polizeiangaben habe es nie einen Grund zur Annahme gegeben, dass die Spur nach Deutschland führen könnte. Eine DNA-Datenbank für Vermisste und unbekannte Tote gab es damals noch nicht, ein länderübergreifender Daten-Austausch war unüblich.
Die niederländische Polizei erklärte jetzt: „Da in Deutschland kein DNA-Profil der unbekannten Toten vorlag, konnte das viele Jahre später in den Niederlanden international geteilte DNA-Profil von Maria nicht mit ihr übereinstimmen.“
Die Peter R. de Vries Foundation, die sich um ungeklärte Kriminalfälle kümmert, startete Ende März 2023 eine Kampagne, um Licht in das Verschwinden von Maria van der Zanden zu bringen. Schon in den Monaten zuvor hatte ein Cold-Case-Team der niederländischen Polizei den Fall ins Visier genommen, brachte ihn ins internationale Gedächtnis. „Daraufhin reagierten die deutschen Behörden mit Informationen über die unbekannte Tote“, erklärt die niederländische Polizei. „Inzwischen hat sich der Informationsaustausch über vermisste Personen erheblich verbessert. Wir teilen jetzt besser Informationen über unbekannte Tote oder Vermisste mit anderen Ländern“, sagt Wendy van Hilst vom „Nationalen Kompetenzzentrum für vermisste Personen“.
Durch diesen Informationsaustausch entstand die Verbindung zwischen dem niederländischen Vermisstenfall und der unbekannten Toten vom Möhnesee. Deutsche und niederländische Behörden bündelten ihre Kräfte, werteten Informationen aus. „Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei der in Deutschland gefundenen Frau um Maria van der Zanden handelt.“
Doch wie kamen die Ermittler fast 30 Jahre später zu dieser Sicherheit? Sowohl in den deutschen als auch in den niederländischen Akten gab es Fingerabdrücke von Maria. Doch die Qualität der Dokumentation reichte damals nicht für die Aufnahme in die Datenbank und damit für einen automatisierten Abgleich aus. Erst als die Fingerabdrücke aus Deutschland und den Niederlanden direkt miteinander verglichen wurde, gab es einen Treffer.
Nach Informationen unserer Redaktion war den Eltern von Maria schon damals von den Ermittlern mitgeteilt worden, dass ihre Tochter vermutlich nicht mehr lebt. Jetzt konnten sie Marias Vater (83) immerhin Gewissheit geben. „Wir konnten dem Vater von Maria sagen, wo seine Tochter ist und der unbekannten Frau in Deutschland ihren Namen zurückgeben“, sagt Francien Lijnkamp, Teamleiterin des Cold-Case-Teams.
Dennoch gibt es weiter große Fragezeichen im Fall Maria: Zwar war sich die Soester Polizei damals aufgrund der Umstände sicher, dass die junge Frau sich das Leben genommen hat. Doch ist laut der niederländischen Polizei noch immer unklar, was mit Maria zwischen ihrem Abschied aus dem Elternhaus und dem Auffinden ihrer Leiche geschehen ist. „Sowohl ein Verbrechen als auch Suizid sind realistische Möglichkeiten. Für das Cold-Case-Team bleibt diese Frage daher weiterhin relevant“, heißt es.
Auch der Vermissten-Fall von Scarlett S. aus NRW wird zum Cold Case. Die Staatsanwaltschaft hat zwei Jahre nach ihrem Verschwinden die Ermittlungen eingestellt.