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Durchbruch nach fast 30 Jahren: Maria ist die Tote aus dem Möhnesee

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Von: Daniel Schröder

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Nach fast 30 Jahren ist klar: Bei der Frauenleiche, die aus dem Möhnesee geborgen wurde, handelte es sich um Maria van der Zanden.
Nach fast 30 Jahren ist klar: Bei der Frauenleiche, die aus dem Möhnesee geborgen wurde, handelte es sich um Maria van der Zanden. © Polizei/Archiv

Durchbruch in einem fast 30 Jahre alten Cold Case: Nachdem 1994 eine junge Frauenleiche aus dem Möhnesee geborgen wurde, ist jetzt klar: Sie ist die vermisste Maria van der Zanden.

Möhnesee/Putten (NL) – Fast 30 Jahre lang war unklar, wer die Tote ist, die am 28. August 1994 aus dem Möhnesee geborgen wurde. Jetzt ist klar: Es handelt sich um die Niederländerin Maria van der Zanden. Die junge Frau war damals im Alter von 22 Jahren von jetzt auf gleich spurlos verschwunden. Ein unerwarteter Ermittlungserfolg brachte jetzt die Gewissheit, dass sie die Tote aus dem See ist. Nun wollen die Ermittler herausfinden: Nahm die junge Frau sich damals wirklich das Leben, wie seinerzeit vermutet, oder wurde sie doch Opfer eines Verbrechens?

Es ist ein unerwarteter Durchbruch in einem rund 29 Jahre alten Cold-Case-Fall: Maria van der Zanden wurde am 6. August 1994 vermisst gemeldet. Ihr Verschwinden kam damals völlig überraschend: Mit dem Fahrrad hatte sie das Elternhaus im niederländischen Putten (rund 60 Kilometer östlich von Amsterdam) verlassen. Ihre Eltern hatten sie eigentlich zur Essenszeit zurückerwartet, zudem hatte sie für die Tage danach mehrere Termine vereinbart, ein geplanter Urlaub stand bevor. Doch seither fehlte von der damals 22-Jährigen jede Spur.

Drei Wochen nach Marias Verschwinden wird im Möhnesee eine Frauenleiche entdeckt

Ende desselben Monats im Jahr 1994, rund drei Wochen nach ihrem Verschwinden, bargen Rettungskräfte von Feuerwehr und DLRG eine Frauenleiche aus dem Möhnesee. Ein Spaziergänger hatte sie am bewölkten Sonntag des 28. August auf der Ostseite der Staumauer im Wasser des Möhnesees treibend entdeckt. Schnell waren sich die Ermittler damals sicher, dass sich die unbekannte Frau das Leben genommen hatte – dafür sprach damals aus Ermittlersicht vor allem ein Rucksack, den die junge Frau trug. Darin befand sich ein schwerer Stein.

So berichtete unsere Zeitung am 29. August 1994 über den Leichenfund am Möhnesee.
So berichtete unsere Zeitung am 29. August 1994 über den Leichenfund am Möhnesee. © Daniel Schröder

Die Obduktion ergab wenig später, dass die Tote schon einige Wochen im Wasser gelegen haben musste. „Bei der gestrigen Obduktion der Leiche fanden sich keine Spuren, die auf eine äußere Gewalteinwirkung schließen lassen. Ein Verbrechen ist einwandfrei auszuschließen“, vermeldete unsere Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. August 1994. Die Vermisstenkartei der Polizei brachte damals keine Anhaltspunkte, wer die Frau, die zum Auffindezeitpunkt eine kurze Jeanshose und ein kurzärmliges rot-weiß-gestreiftes Hemd trug – sein könnte. Auch die Hoffnung auf Zeugenhinweise verpuffte. Die Unbekannte wurde schließlich in einem anonymen Grab beerdigt.

Es gab nie einen Grund zur Annahme, dass die Spur nach Deutschland führt

Parallel wurde im Nachbarland von NRW weiter im Vermisstenfall Maria van der Zanden ermittelt, immer wieder wurde der Fall neu aufgerollt – vergeblich. Laut Polizeiangaben habe es nie einen Grund zur Annahme gegeben, dass die Spur nach Deutschland führen könnte. Eine DNA-Datenbank für Vermisste und unbekannte Tote gab es damals noch nicht, ein länderübergreifender Daten-Austausch war unüblich.

Maria van der Zanden.
Maria van der Zanden. © Polizei

Die niederländische Polizei erklärte jetzt: „Da in Deutschland kein DNA-Profil der unbekannten Toten vorlag, konnte das viele Jahre später in den Niederlanden international geteilte DNA-Profil von Maria nicht mit ihr übereinstimmen.“

Deutsche Behörden geben den niederländischen Kollegen einen Hinweis

Die Peter R. de Vries Foundation, die sich um ungeklärte Kriminalfälle kümmert, startete Ende März 2023 eine Kampagne, um Licht in das Verschwinden von Maria van der Zanden zu bringen. Schon in den Monaten zuvor hatte ein Cold-Case-Team der niederländischen Polizei den Fall ins Visier genommen, brachte ihn ins internationale Gedächtnis. „Daraufhin reagierten die deutschen Behörden mit Informationen über die unbekannte Tote“, erklärt die niederländische Polizei. „Inzwischen hat sich der Informationsaustausch über vermisste Personen erheblich verbessert. Wir teilen jetzt besser Informationen über unbekannte Tote oder Vermisste mit anderen Ländern“, sagt Wendy van Hilst vom „Nationalen Kompetenzzentrum für vermisste Personen“.

Durch diesen Informationsaustausch entstand die Verbindung zwischen dem niederländischen Vermisstenfall und der unbekannten Toten vom Möhnesee. Deutsche und niederländische Behörden bündelten ihre Kräfte, werteten Informationen aus. „Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei der in Deutschland gefundenen Frau um Maria van der Zanden handelt.“

Maria van der Zanden: Wie kam es nach fast 30 Jahren zu dem Durchbruch?

Doch wie kamen die Ermittler fast 30 Jahre später zu dieser Sicherheit? Sowohl in den deutschen als auch in den niederländischen Akten gab es Fingerabdrücke von Maria. Doch die Qualität der Dokumentation reichte damals nicht für die Aufnahme in die Datenbank und damit für einen automatisierten Abgleich aus. Erst als die Fingerabdrücke aus Deutschland und den Niederlanden direkt miteinander verglichen wurde, gab es einen Treffer.

„Wir konnten dem Vater sagen, wo seine Tochter ist“

Nach Informationen unserer Redaktion war den Eltern von Maria schon damals von den Ermittlern mitgeteilt worden, dass ihre Tochter vermutlich nicht mehr lebt. Jetzt konnten sie Marias Vater (83) immerhin Gewissheit geben. „Wir konnten dem Vater von Maria sagen, wo seine Tochter ist und der unbekannten Frau in Deutschland ihren Namen zurückgeben“, sagt Francien Lijnkamp, Teamleiterin des Cold-Case-Teams.

Dennoch gibt es weiter große Fragezeichen im Fall Maria: Zwar war sich die Soester Polizei damals aufgrund der Umstände sicher, dass die junge Frau sich das Leben genommen hat. Doch ist laut der niederländischen Polizei noch immer unklar, was mit Maria zwischen ihrem Abschied aus dem Elternhaus und dem Auffinden ihrer Leiche geschehen ist. „Sowohl ein Verbrechen als auch Suizid sind realistische Möglichkeiten. Für das Cold-Case-Team bleibt diese Frage daher weiterhin relevant“, heißt es.

Auch der Vermissten-Fall von Scarlett S. aus NRW wird zum Cold Case. Die Staatsanwaltschaft hat zwei Jahre nach ihrem Verschwinden die Ermittlungen eingestellt.

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