Kino in NRW reagiert auf TikTok-Trend: „Creed 3“ erst ab 18
Betreiber von Kinos in NRW ergreifen Maßnahmen, weil ein TikTok-Trend für Chaos während Vorstellungen von „Creed 3“ sorgt. In einigen Kinos ist der Film ab 18.
Hamm - Das erste Wochenende, an dem ein Film in den Kinos läuft, gilt als wichtige Zeitspanne. Denn dann zeigen die Zuschauerzahlen, wie gut oder schlecht ein Titel ankommt. Im Fall des Boxer-Dramas „Creed 3“, dem neuen Ableger der kultigen „Rocky“-Reihe, steht das erste Spiel-Wochenende aber vor allem für Randale in den Kinosälen in NRW und ganz Deutschland. Offenbar ein neuer TikTok-Trend sorgt dafür, dass junge Zuschauer so lange im Saal rumwüten, bis der Film abgebrochen werden muss. Insbesondere der Fall im Cinemaxx Essen, bei dem die Polizei den Saal räumte, hat für Aufsehen gesorgt. Auch kleinere Standorte wie Hamm waren betroffen. Kein Wunder, dass genau diese Kino-Kette jetzt schwere Geschütze auffährt, um weitere Randale zu verhindern.
TikTok-Randale: So reagieren Kinos in NRW auf das „Creed 3“-Chaos
„Creed 3“ wurde von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ab 12 Jahren freigegeben. Da es vor allem jugendliche Besucher sind, die der TikTok-Challenge nachgehen, haben sich die Verantwortlichen von Cinemaxx zu einem drastischen Schritt entschieden: Zumindest für den Standort in Hamm wurde die Freigabe des Films hochgestuft, von 12 auf 18 Jahre. Heißt: Nur noch volljährige Zuschauer dürfen hier noch das Boxer-Drama anschauen.
„Wir haben in vielen unserer Standorte vergleichbare Vorfälle erlebt“, erzählt Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch auf Nachfrage von wa.de. So seien nach TikTok-Aufforderungen an dem ersten Märzwochenende überwiegend junge Menschen, „die üblicherweise nur selten in unseren Kinos anzutreffen sind“, zusammengekommen, um die „Creed 3“-Vorführungen zu stören. „Dabei nehmen Sie auch Straftaten wie Vandalismus, Körperverletzung und Sachbeschädigung wenigstens billigend in Kauf“, so Koch.
Dass ein Film Anlass für eine fragwürdige TikTok-Challenge ist, ist dabei erst einmal nichts Neues. Im vergangenen Jahr hat es auch schon bei den Filmen „Minions 2“ und „Smile“ Vorfälle gegeben. Aber: „Im Vergleich zu ‚Minions‘ oder ‚Smile‘ hat ‚Creed 3‘ schon eine neue Qualität an Rücksichtslosigkeit gezeigt“, ordnet Kim Ludolf Koch den aktuellen Social-Media-Trend ein. „Die Störung von Vorstellungen und auch der Abbruch derselben ist konkreter Vorsatz, die eingesetzten Mittel werden immer rauer.“
„Neue Qualität an Rücksichtslosigkeit“: TikTok-Trend zu „Creed 3“ alarmiert Kinobetreiber
Carsten Dunke vom Cineplex Lippstadt bestätigt, dass es auch im Kino im Kreis Soest Probleme am Wochenende gab. „Wir mussten bei einer ‚Creed‘-Vorstellung sechs Personen aus dem Saal werfen“, erzählt Dunke. Im Vergleich zu den Szenen aus Essen sei das allerdings harmlos gewesen. Als Reaktion auf die „Creed 3“-Vorfälle haben die Betreiber des Lippstadt-Kinos einen Mitarbeiter zu den Zuschauern in den Saal gesetzt, der direkt hätte reagieren können, wenn es zu weiteren Vorfällen gekommen wäre.

Dunke, der ab Mai 2023 sein Comeback als Theaterleiter im Cineplex Hamm geben wird, fühlt sich durch die „Creed 3“-Randale an eine Situation erinnert, die schon länger zurückliegt. Schon lange, bevor es TikTok gab, startete im Jahr 2010 der niederländische Film „New Kids Turbo“. „Da gab es auch schon richtig wilde Szenen in den Kinosälen“, erzählt Dunke. „Das war das Schlimmste, das ich in dieser Beziehung erlebt habe.“
Im Capitol Cinema Center in Werne hingegen gab es bislang noch keine Vorkommnisse. „Bei uns verliefen bislang alle ‚Creed 3‘-Vorstellungen friedlich“, so Betreiber Wido Wagner. „Bei uns kommt es aber generell sehr selten zu Störungen.“ Dennoch beobachtet er interessiert die große Anzahl an Meldungen, die aus Kinos in ganz Deutschland kommen. „Wir werden in nächster Zeit wohl ein paar Mal mehr in den Kinosaal schauen und etwas wachsamer sein.“ Was er tun würde, wenn es zu ähnlichen Szenen wie beispielsweise im Cinemaxx Essen, wo rund 40 Zuschauer mit Popcorn und Nachos um sich warfen und über die Stühle sprangen, kommen würde? „Wenn auf uns nicht gehört wird, würde ich sofort die Polizei rufen.“
„Gezielter und früher einschreiten“: Kinos kämpfen gegen „Creed 3“-TikTok-Trend
Auch Benjamin Kerstan, Theaterleiter-Assistent im Kino Zinema Rheine im Regierungsbezirk Münster, würde im Falle einer „Creed 3“-Randale nicht lange überlegen: „Ich würde das Licht einschalten und den Film abbrechen.“ So weit kam es in dem Lichtspielhaus im Münsterland allerdings noch nicht. Zwar würde durchaus auffallen, dass viele jüngere Zuschauer in den Film gehen und der bespielte Saal nach Filmende vergleichsweise dreckiger ist als die anderen Säle. Tumultartige Szenen haben sich jedoch noch nicht außerhalb der Leinwand abgespielt. „Ich denke, dass das auch eher ein Großstadt-Phänomen ist“, so Kerstan.
Trotzdem gilt auch im Zinema Rheine erhöhte Wachsamkeit. So schaut der Theaterleiter-Assistent durchaus einige Male während einer „Creed 3“-Vorstellung in den Saal - etwas, was er bei anderen Filmen normalerweise nicht macht. „Wenn man feststellt, dass ein Film immer wieder für chaotische Szenen im Kinosaal sorgt, müsste man im krassesten Fall darüber nachdenken, den Film aus dem Programm zu nehmen“. Dass es überhaupt zu solchen Überlegungen kommen muss, ist für Benjamin Kerstan allerdings erschreckend. „Ich kann den TikTok-Trend null nachvollziehen“, erzählt er. „Das ist sinnlos, einfallslos und respektlos!“
Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch sucht aufgrund des Ausmaßes der aktuellen Vorkommnisse nach Wegen, damit sich die Cineplex-Kinos in Deutschland gezielt auf kommende Social-Media-Trend vorbereiten können. „Wir werden in Zukunft genauer untersuchen, welche Filme auf TikTok für vergleichbare Aktionen missbraucht werden und gezielter und früher einschreiten“, so Koch.
Benjamin Kerstan vom Zinema Rheine sieht hier allerdings auch ein großes Problem: „Es ist kaum vorhersehbar, welcher Film nach ‚Minions‘, ‚Smile‘ und ‚Creed‘ als nächstes für eine TikTok-Challenge herhalten muss“, ist der Theaterleiter-Asssistent nachdenklich. „‘Creed 3‘ hätten wir zum Beispiel gar nicht auf dem Schirm gehabt.“ Das würde es schwierig machen, präventiv tätig zu werden und Vorstellungen von Filmen, die eventuell betroffen sein könnten, von Anfang an aufmerksamer zu beobachten.