Woran es zurzeit mangele, seien ehrenamtliche Helfer, „da müssen wir uns neu aufstellen“, so Strauß. „Während Corona konnten wir keine Juleica-Tage anbieten, aus denen die Helfer generiert werden. Der nächste Ausbildungsjahrgang ist jedoch voll, wir hoffen, dadurch neue Helfer zu finden.“ Die Jugendleiter-Card (Juleica) ist der bundesweit einheitliche Ausweis für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendarbeit.
Seine Attraktivität erheblich steigern können habe das Jugendzentrum durch den Erwerb von Fahrrädern, mit denen die Jugendlichen sich im Bike-Park austoben können. Finanziert wurden sie durch das Leader-Regionalbudget, die Zusage kam Mitte 2021. „Seither konnten wir 500 Ausleihen verzeichnen – manchmal sind es vier am Tag, dann wieder zehn“, rechnet Strauß vor. Auch für Kurse und Schulklassen würden die Fahrzeuge angefragt. Was hingegen mittlerweile voll an der Lebenswirklichkeit der Klientel vorbeigegangen sei, seien die Versuche, Spieleabende zu etablieren, „die Zeiten sind wohl vorbei“.
Überschneidungen gibt es fast zwangsläufig in Patrick Strauß’ Arbeit mit der seiner Schwester, Wickedes Streetworkerin Bianca Strauß, sowie mit der Schulsozialarbeiterin der Sekundarschule, Jessica Schomaker. Bianca Strauß’ vorrangige Themenfelder sind die Wohnungssuche für die älteren Jugendlichen, die berufliche Orientierung oder die Behandlung der Folgen „toxischer Männlichkeit“. Der häufigste Grund, aus dem die Heranwachsenden ebenso wie ihre Eltern mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, sei das Fahren ohne Führerschein (oder mit in Deutschland nicht anerkannten Lizenzen aus dem Ausland). Fälle, an die Patrick Strauß nicht mehr herankomme, seien ein Fall für seine Schwester, umgekehrt schicke auch sie junge Leute zu ihm, um im Jugendzentrum ihre Freizeit zu verbringen.
Von drastischen Fällen aus ihrer Praxis weiß auch Schomaker zu berichten, so von einem jungen Mädchen, das sich ritzte, behauptete, Stimmen zu hören, und gar einen Selbstmordversuch unternahm. Hier wurden streng nach Handlungsleitfaden Kontakte zu psychologischen Fachkräften aufgenommen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet.
Doch auch von solchen Extremfällen einmal abgesehen, hätten nur neun Prozent aller Sekundarschüler keine Probleme. 19 Prozent hätten massive Probleme, die übrigen 72 Prozent liegen irgendwo dazwischen. Durch die Zeit der Lockdowns sei die Zahl psychischer Erkrankungen gestiegen, die sozialen Kompetenzen hätten gelitten.
Zu den Problemkindern zählten natürlich auch jene, derer man in der Schule kaum je ansichtig würde. Da gibt’s dann auch mal einen Hausbesuch. Und auch Strauß konnte vermelden, dass man einen Jugendlichen, der sich eigentlich so gut wie nie in der Schule habe blicken lassen, dafür aber gelegentlich im Jugendzentrum, mittlerweile in eine Ausbildungsstelle habe vermitteln können.
Zwar ist Jessica Schomaker derzeit „nur“ die Schwangerschaftsvertretung für Anne Schneidermann. Doch der Ausschussvorsitzende Norbert Spieth, sowohl die Kompetenz Schomakers anerkennend als auch das Ausmaß der Arbeit, der sich die junge Frau gegenübersieht, winkte förmlich mit dem Zaunpfahl: „Vielleicht ist es ja nach Anne Schneidermanns Rückkehr möglich, zwei Schulsozialarbeiterinnen zu beschäftigen. Auch wenn es natürlich am schönsten wäre, wenn man Ihre Dienste gar nicht nötig hätte. Denn das würde bedeuten, es wäre alles gut. Aber das ist wohl nur Wunschdenken“.