Wickedes älteste Taxifahrerin gibt das Steuer ab

Unternehmer Detlef Stebbe ist dankbar für den langjährigen Einsatz und die Verlässlichkeit seiner Fahrerin Isolde Garbas. Doch jetzt verabschiedete er die 82-Jährige in den Ruhestand.
Wickede – Irgendwann vor mehr als zehn Jahren, da habe sie mal ein Fahrgast gefragt, ob sie in ihrem Alter überhaupt noch hinter dem Lenkrad eines Taxis sitzen dürfe. Die Kundin hatte sie schon damals auf das Alter geschätzt, das sie heute erreicht hat, das man ihr aber noch immer nicht ansieht: über 80. Etwas verärgert war die sonst so gut gelaunte und humorige Isolde Garbas dann doch, zumal: „Die war ja selber noch viel älter ich.“
Im Februar wird Garbas 83. Und fährt noch immer Taxi. Oder vielmehr: fuhr. Bis jetzt. Denn sie, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur die älteste aktive Taxifahrerin Wickedes, sondern vermutlich im ganzen Kreisgebiet gewesen sein dürfte, geht jetzt doch in Rente. Um mehr Zeit zu haben, ihren Mann zu pflegen. Und um zu schlafen. „Denn ich schlafe ja so gerne.“ Zum Glück nie am Lenkrad. Sonst wäre sie in dem Job nie so alt geworden. „Und für den Fahrgast ist es ja auch nicht so schön, wenn da so ‘ne alte Schachtel hinterm Lenkrad sitzt. Meine Kinder schreien ja auch immer: Willste nicht endlich aufhören und mal in Urlaub fahren. Aber mein Mann und ich, wir sind keine Urlauber. Wir brauchen unsere Betten.“
Es sei die „Lust am Autofahren“, wegen derer sie bislang nie auf die Idee gekommen sei, die Füße von Gas und Kupplung zu nehmen und stattdessen hochzulegen. „Und so kam ich auch unter die Leute, anstatt daheim zu versauern.“ Um den Haushalt kümmerte sich bislang ihr Mann. „Ich selber bin keine Hausfrau“, meint die gebürtige Sächsin, die mit ihren Eltern 1960, kurz vorm Mauerbau, in den Westen kam. Dabei war Isolde Garbas eine absolute Spätzünderin, erst mit Mitte 40 begann sie, Taxi zu fahren. Beim damaligen Arbeitgeber putzte sie zunächst: „Aber die schliefen da alle immer so lang, und daher fragte die mich, ob ich nicht einen Taxischein machen und fahren möchte, wenn die selber noch im Bett lagen.“
Fahrten auf Abruf
Später landete sie dann bei Detlef und Gudrun Stebbe, die sie nun schweren Herzens gehen lassen: „Sie war zu jeder Zeit auf Abruf einsatzbereit, ein Anruf reichte, sie war absolut zuverlässig. Wir sind dankbar für die vielen Jahre, in denen sie uns zur Verfügung stand“, meint Gudrun Stebbe. Isolde Garbas: „Wenn sie ruft, stehe ich auf der Matte. Es bringt ja auch heute nichts mehr, den ganzen Tag am Bahnhof oder am Markt auf Kundschaft zu warten und mich dafür nach Stunden bezahlen zu lassen. Dazu ist das Taxigeschäft zu sehr eingebrochen.“
Zumindest gibt es in Wickede noch immer zwei Unternehmen, in Werl dagegen nur noch eines. Obendrein habe nicht nur die Bereitwilligkeit, Trinkgelder zu geben, deutlich nachgelassen. Vielmehr versuchten viele Fahrgäste sogar, den Preis zu drücken: „Ich sage, macht 7,20 Euro. Er sagt: Hier haste sieben Euro. Soll ich da den Rest aus eigener Tasche drauflegen, oder was?“
In 38 Jahren hinterm Lenkrad erlebt man so einiges. Resolut ging sie mit gänzlich zahlungsunwilligen Kunden um. Einem, der in seine Wohnung gehen wollte, um das Geld zu holen, stellte sie sofort nach, den Braten riechend. Als er die Tür aufschloss, sagte er, er habe kein Geld. „Ich meinen Fuß zwischen die Tür. Geguckt: Was kannste mitnehmen? Da stand ein neuer Vorwerk-Staubsauger. Den habe ich mir gepackt. Hab mit ihm drum gekämpft. Hab gesagt, Du kannst ihn Dir wieder abholen. Weißt ja, wo wir sind.“ Dem kam er auch nach, bezahlte seine Fuhre.
Resolut durchgreifen
„Dann hatte ich mal einen Obdachlosen, der hatte im Kloster zu Mittag gegessen, dem hatten die Nonnen ein Taxi bestellt, der wollte nach Menden-Lendringsen. Unterwegs kaufte er sich eine Bildzeitung, eine Flasche Cola und eine Flasche Mariacron. In Lendringsen sagte er, er habe sein ganzes Geld jetzt schon ausgegeben.“ Da warf sie ihn kurzerhand aus dem Taxi und seine Flüssignahrung in den Kofferraum. Die er natürlich nicht abholte. „Mein Mann meinte daraufhin: Bist Du denn verrückt geworden, jetzt hast Du dem armen Mann das ganze Wochenende verdorben.“
Junge, komm bald wieder – das wird sie als Fan von Freddy Quinn beiden nicht nachgerufen haben. Mit ihren musikalischen Vorlieben haderte hingegen manch junger Fahrgast, der unterwegs Hand anlegen wollte an ihrem Autoradio. Etwas anderes als WDR 4, das kam für Isolde Garbas nicht in Frage: „Ich habe dann immer gesagt, das Radio gehört mir, da habt ihr nichts dran zu suchen.” Doch aller Liebe zum deutschen Schlager zum Trotz, wenn samstagabends plötzlich Gudrun Stebbe anrief, dann ist sie gefahren: „Dann ist mir der Silbereisen auch egal. Das ist das A und O: die Fahrgäste möglichst schnell zu bedienen.“