Wie war es zu jener Lagerbildung gekommen, bei der sich der frühere Vorstand nicht an der Wahl seiner Nachfolger beteiligte? Von Bedeutung ist hier der Fakt, dass der bisherige Vorstand nach der Corona-Pause und aufgrunddessen von der Regierung abgesegneten Sitzungs- und Wahlverschiebungen bis 31. August zu einer Sitzung mit Wahlen hätte einladen müssen. Das hat er nicht getan.
Lothar Kemmerzell begründet dies u.a. mit Krankheitsfällen auf Ortsebene. Wenn er zwischen reinen Formalien und der menschlicher Dimension zu entscheiden habe, sei ihm das Menschliche einfach wichtiger. Es hätten keine wichtigen Beschlüsse angestanden, daher habe er die Frist als nicht so wichtig angesehen.
Mattis Barske vom neuen Vorstand erläuterte, man habe Lothar Kemmerrzell seit Juni darauf hingewiesen, dass bis 31. August aus rechtlichen Gründen zur Versammlung einzuladen ist und dann auch gewählt werden muss. „Aber wir sind abgeblockt worden“.
In der Folge gab es einen Kontakt zwischen dem Kreis- und dem Landesverband der Grünen – Kreisvorsitzende ist Sonja Raeck, die Ehefrau von Jens Oliver Raeck, der nun gemeinsam mit Nadine Barske das neue Vorsitzendengespann bildet.
Vom Land sei die Direktive gekommen, dass sich nach Ablauf der Frist der Kreisverband um die Sitzung in Wickede kümmern müsse – was dann auch mit Termin Sonntag, 2. Oktober, geschah. Dort waren insbesondere die 2020 bei Wickedes Grünen neu Aufgenommenen zugegen wie eben Mattis Barske oder Jens Raeck, der 2014 noch als Spitzenkandidat der Piratenpartei im Kreis Soest kandidierte.
Die Neuzugänge hatten bereits vor zwei Jahren signalisiert, in Wickede anpacken und die Grünen weiter nach vorn bringen zu wollen, hatten sich vor diesem Hintergrund bei der nun vom Kreis einberufenen Wahlversamlung in Position gebracht.
Zu dem Zeitpunkt sei allerdings nicht bekannt gewesen, dass sowohl Lothar Kemmerzell als auch Serap Güneser und Sascha Goral nicht mehr für den Vorstand kandidieren wollten, erläuterte jetzt Mattis Barske. „Fehlende Kommunikation“, sieht auch Kemmerzell als einen Begleitumstand der aktuellen Entwicklung.
Angesichts der über den Kreisverband erzwungenen Versammlung, bei der zudem noch für eine Stimmenmehrheit neue Mitglieder aktiviert und andere aus dem benachbarten Ortsverein Ense nach Wickeder geholt worden seien, habe man dann noch vor der Wahl die Versammlung verlassen, begründet Kemmerzell diesen Schritt. Da schwinge auch Enttäuschung darüber mit, dass nach Ablauf der Frist am 31. August und der seitdem geltenden Vakanz des Vorstandes hinterrücks Mehrheiten für einen neuen Vorstand organisiert worden seien. „Wäre ich zur Wahl dort geblieben, hätte ich das Ganze auch noch gebilligt“, so Kemmerzell, dessen Auszug sich dann auch weitere Mitglieder der Fraktion anschlossen.
Übrigens war eine nach dem 31. August von Kemmerzell dann doch verschickte Einladung zu einer Versammlung vom Kreis als ungültig erklärt worden – weil der alte Vorstand zu dem Zeitpunkt offiziell schon nicht mehr in Amt und Würden war.
Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet von zwei Lagern: Dem neu und legitim gewählten Vorstand der Grünen in Wickede (Ruhr) und dem nicht mehr amtierenden Vorstand, der aber weiterhin die Ratsmandate der Grünen hält, die Lothar Kemmerzell, Serap Güneser und Gerd Schulte auch nicht genommen werden können und die sie nach Ausage von Kemmerzell auch bis zur Kommunalwahl 2025 behalten wollen.
Damit blickt Wickedes Parteienlandschaft derzeit zwar auf eine grüne Partei, die aber nicht über ihren politischen Arm im Gemeinderat verfügen kann.
Und doch gibt es Verflechtungen. So ist etwa der neue Kassierer Mattis Barske auch stellvertretender Sachkundiger Bürger und damit ebenfalls Fraktionsmitglied. Lothar Kemmerzell sieht sich im Übrigen in erster Linie als „Parteisoldat“, dem es vor allem um die Sache geht.
So bleibt gegenwärtig abzuwarten, ob der in der aktuellen Entwicklung von beiden Seiten vermissten Kommunikation in nächster Zeit eine Chance eingeräumt wird. Glaubt man den Aussagen beider Lager, könnte eine Verständigung funktionieren.