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Gemeinde stellt sich auf Großlagen ein

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Von: Martin Hüttenbrink

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Überflutete Straße
Eine Straße, ein See: Die heute vor einem Jahr einsetzenden Regenfälle fluteten einen Tag später die Erlenstraße. © Martin Hüttenbrink

Das Hochwasser kündigte sich zunächst in Echthausen an: Dort drohte nach Starkregen am 14. Juli vor einem Jahr der Fachwerkhof am Schloss abzusaufen. Doch auch in der Nacht blieb die Wehr im Einsatz. Am nächsten Tag stand Wickedes Westen unter Wasser. Ein Jahr danach laufen jetzt Strategien zur Vorbeugung.

Wickede – Die Überflutung der Ruhr rief gut 250 Einsatzkräfte aus der gesamten Region nach Wickede. Das nächste „Jahrhunderthochwasser“ nicht mal 20 Jahre nach dem vorherigen sorgte für jede Menge Betrieb in den tiefer liegenden Gemeindeteilen.

Gemeinde und Feuerwehr nehmen das Hochwasser zum Anlass für Optimierungen. Nicht zuletzt mit Hilfe öffentlicher Fördermittel sollen beispielsweise Räume im Gerätehaus umgestaltet werde. Damit wird sichergestellt, dass bei künftigen Großlagen ausreichend Raum zur Verfügung steht, um eine Lagezentrale einzurichten.

Der Schulungsraum wird dafür so umgebaut, dass dort auch an mehreren Tischen bzw. Computerplätzen gearbeitet, dass etwa eine Leinwand aufgestellt werden kann oder sonstige Hilfsmittel installiert werden können.

Einher geht eine Ertüchtigung der digitalen Strukturen im Gebäude. „Wir haben Konzept und Förderung stehen und suchen nun einen Architekten für die Feinplanung“, erläutert Bürgermeister Martin Michalzik zum Stand.

Personelle Verstärkung

Auch in personeller Hinsicht stelle man sich auf künftige Großlagen ein, wie Wehrführer Marcel Horn verdeutlicht. So geht es um die Kompetenz der Verbandsführung, die in der Lage ist, übergreifend mehrere Züge zu steuern.

Die Ausbildung haben mit Gemeindewehrführer Marcel Horn und dem Leiterteam mit Sascha Seidel und Marc Ptacek zwar schon drei Führungskräfte der Feuerwehr Wickede.

In einer Großlage sind aber weitere Verbandsführer nötig, um über mehrere Tage einen Schichtdienst sicherzustellen. Man warte auf weitere vom RP über den Kreis zugewiesene Lehrgänge, um diese Kompetenzen ausbauen zu können, so Wehrleiter Horn.

Hinsichtlich der Ausstattung der Feuerwehrkräfte werde es nicht zuletzt neue Schutzbekleidung für Einsätze der technischen Hilfe (TH) geben.

„Wir beschaffen leichte TH-Jacken, damit wir bei Flächenlagen wie Hochwasser, Vegetationsbränden oder Sturm besser durchhalten können“, erläutert Wickedes Wehrführer.

Die schweren Jacken für den Brandeinsatz eignen sich bei anderen TH-Einsätzen nur bedingt. 60 der leichten Spezialjacken sind bereits da, weitere 60 kommen im nächsten Jahr.

Das Wasserwerk will als Konsequenz des Hochwassers vom Juli 2021 die internen Kommunikationswege verbessern, die im Rahmen einer solchen Hochwasserlage nötig sind, heißt es aus Echthausen.

Wenig ändern lässt sich dort hingegen an der Treibgut-Problematik. „Das ist nun mal die Natur“, verweist Betriebsleiter Robert Hagelschuer auf den Zusammenhang von Hochwasser und mitgerissene Ästen und Stämmen.

Vor einem Jahr hatte es am Stauwehr des Wasserwerks einen beunruhigenden Anstau von Holzstämmen und anderem Treibgut gegeben – so beunruhigend, dass die Wasserwerker zunächst von der Wehrplattform aus versuchten, den Teppich vor dem Wehr mit dem Bagger aufzulösen.

Wegen des wachsenden Drucks an Material musste Gelsenwasser später das Wehr öffnen. Dies geschah in Abstimmung mit dem Lagezentrum im Gerätehaus Wickede, von wo aus während der zusätzlich zu erwartenden Flutwelle Evakuierungen und Warnungen entlang der Ruhr für das Unterdorf erfolgt waren.

Nach der Wehröffnung oberhalb der Ortslage ergaben sich glücklicherweise aber nicht die Überflutungsszenarien, für die sich das Rettungssystem aus Einsatzstab im Gerätehaus, Feuerwehr und THW gewappnet hatte.

Problem Treibgut

Auch andere Wehranlagen wie etwa jene des Wasserkraftwerks Wickede/Warmen unterhalb der Ruhrbrücke waren durch Treibgut in ihrer Funktion beeinträchtigt. Dort hatte ein dichter Teppich aus Treibgut die Wehranlage blockiert.

Kraftwerksbetreiber Dr. Walters kündigte anschließend Gespräche mit den Behörden an, um bei künftigen Renaturierungsmaßnahmen die Verwendung extrem langer Baumstämme als künstlich eingebautes Strukturmaterial zu überdenken.

Gerade diese langen Stämme hatten für den Schwemmgut-Teppich vor dem Wehr gesorgt, der sich durch den Wasserdruck immer weiter verfestigte. Dass es sich dabei tatsächlich um Langstämme aus der Renaturierung handelt, zeigten Ketten und Stahlteile, mit denen die Hölzer für die Renaturierung an den Ufern befestigt worden waren, bevor sie von den Fluten ab- und mitgerissen wurden.

Beim Hochwasser in Wickede vor 12 Monaten konnte trotz massiver Einsätze von Feuerwehr und THW Privatbesitz „Am Graben“ nicht geschützt werden. Dort, wo Jahre zuvor bereits ein kompletter Handwerksbetrieb geflutet worden war, mussten die Einsatzkräfte auch diesmal dem Wasser weichen.

Großeinsatz im Juli 2021 aber auch am Ruhrufer und in der Erlenstraße. Hier allerdings handelte es sich bei der Nachbetrachtung um zwei verschiedene Paar Schuhe: Es geht zum einen um das über die Ufer tretende Wasser der Ruhr, vor dem die Gewerbe- und Wohnbereiche dort zu schützen sind. Zum anderen geht es um ein strukturelles Problem, gegen das kein Kraut gewachsen ist.

Dieses strukturelle Problem äußerte sich am Morgen der Flut z.B. im Keller von Rolf Breyholz. Da nämlich drückte das Wasser aus allen möglichen Ritzen ins Innere: Stufen und Absätze, Mauerecken – wer das nicht gesehen hat, mag kaum glauben, wie sich Wasser seinen Weg in einen Keller bahnen kann, der vermeintlich abgeschlossen ist.

Wichtig hier vor allem: Es handelt es sich zum Gutteil um Grundwasser. Hinzu kommt eine Komponente jener Fluten, die von der Straße über die Kellerfenster und andere Öffnungen hereinschwappten.

Das Thema wird spätestens dann interessant, wenn es um den künftigen Hochwasserschutz für Wickede geht. Dessen Bau läuft gerade, war aber nicht erst seit dem Hochwasser 2021 in Planung. „Im Frühjahr 2023 wollen wir fertig sein“, sagt Bürgermeister Martin Michalzik zum Zeitplan.

Hochwasserschutz

Die Wasserschutzmauer ist schon beachtlich in die Höhe gewachsen. Folgen werden noch die Geländeanschüttungen, um im Bereich der Kläranlage einen künstlichen Damm anzulegen, über den künftig auch die Straße geführt wird.

Das nötige Erdreich hierfür sollte ursprünglich mit dem Abraum der Ruhr-Renaturierung bestritten werden. Wenn sich die Maßnahme an der Ruhr aber noch verzögert, werde man den Boden auch anderweitig beziehen können, so Wickedes Bürgermeister. Die Renaturierung wiederum soll u.a. durch Ausbau einer Flutrinne ihrerseits dafür sorgen, dass künftige Hochwasserfolgen für die Anrainer eingedämmt werden.

Während der Westen der Gemeinde damit besser vor oberflächlichen Fluten geschützt wird, werden die Anwohner an der Ruhr auch bei künftigen Hochwasserlagen nicht vor Wassereinbrüchen sicher sein, die durch das steigende Grundwasser verursacht werden. Diese Ursache für geflutete Keller lässt sich durch oberirdische Bauwerke nun mal nicht verhindern.

Schadensregulierungen abgewickelt

Versicherungstechnisch sind die Schadensregulierungen nach dem Hochwasser inzwischen abgewickelt, sagt bei der Provinzial Versicherungsagent Werner Mischke. Anders als etwa im Ahrtal hätten sich die Folgen hier im Rahmen gehalten und nicht mal sechsstellige Regionen erreicht.

Immerhin aber hatte die Versicherung ihre Kunden nach dem Hochwasser auf eine eventuell zusätzlich nötige Elementarversicherung hingewiesen, die verschiedene Risiken etwa durch Witterungseinflüsse abdeckt.

„Das Wetter schlägt immer größere Kapriolen“, erläutert Mischke. Da müsse jeder Hausbesitzer prüfen, ob er ausreichend abgesichert ist oder die Elementarversicherung als zusätzlichen Baustein hinzubuchen sollte.

„Das hat man ja auch in Fröndenberg gesehen“, weist Mischke auf hohe Schäden durch bergab strömendes Wasser vor einem Jahr im Nachbarort hin. Die Regenfront hätte sich damals genau so gut einige Kilometer weiter östlich über Wickede entladen können, sagt der Versicherungsfachmann.

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