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Das Ende nach 154 Jahren

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Von: Martin Hüttenbrink

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Bagger am Abbruchhaus
Zuletzt war nur noch die Schieferfassade vom alten Haus Heimann an der Hauptstraße zu sehen. Foto: Schulte © Andrea Schulte

Auf dem ehemaligen Hof von Kohlen Heimann soll neu gebaut werden, hieß es jüngst. Befeuert wurde die Info, als der Bagger zum Abriss anrückte. Doch als Eigentümer der Immobilie nach der Übernahme von der Familie Heimann zeigt sich der Wickeder Unternehmer Michael Gülde in Bezug auf Baupläne einstweilen zurückhaltend. Zu unsicher wirken gegenwärtig die Rahmenbedingungen.

Wickede – Michael Gülde bestätigt zwar das grundsätzliche Vorhaben, hier eine neue Wohnbebauung zu schaffen. Aber er verweist auch auf aktuelle Begleitumstände mit explodierenden Preisen, steigenden Zinsen, Handwerkerengpässen und Lieferschwierigkeiten.

Angesichts von Kalkulationen, nach denen eine Miete von 12 Euro erhoben werden müsste, seien die Perspektiven für die Schaffung von Wohnraum derzeit nicht günstig, so der Geschäftsführer. „Und das kalt“, setzt Gülde hinzu und verweist auf die Steigerungen der Energiekosten, die Wohnraum weiter verteuern.

Vor diesem Hintergrund werde die Fläche daher nun zunächst sauber freigezogen. Die Scheune nebenan solle einstweilen stehen bleiben – sie könne auch zu einem späteren Zeitpunkt abgerissen werden, erläutert der Wickeder Geschäftsführer, der gemeinsam mit seinem Bruder das Kaltwalzwerk Gülde in Kamen leitet. Machbar ist auf der Fläche der ehemaligen Kohlenhandlung an der Hauptstraße einiges. Immerhin handelt es sich hier um rund 3000 Quadratmeter Fläche.

Das jetzt abgerissene Gebäude war „eines der letzten Fachwerkhäuser in zentraler Lage von Wickede“, wie Josef Kampmann im Heimatverein-Heft 2004 zum Haus Hei-mann an der Hauptstraße 36 festhält. Eine Denkmalwürdigkeit hatte es nach Aussage der Verwaltung als Unterer Denkmalbehörde durch verschiedene Um- und Anbauten nicht mehr gegeben.

Im Urkataster von 1828 sei an dieser Stelle das Haus des Tagelöhners und Brinksitzers Hermann Guthoff eingezeichnet, der aus Herdringen stammte. Er verkauft das Haus an Eberhard Humpert, der im Juni 1832 stirbt. Die Witwe Maria Sybille heiratet fünf Monate später den aus Rödinghausen stammenden Förster und Holzaufseher Johann Heinrich Heimann.

Die Ehe ist nicht von langer Dauer: Nach einer ersten Tochter 1833 stirbt Maria Sybille 1836 bei der Geburt von Zwillingen, die ebenfalls nach zwei bzw. 13 Monaten sterben. 1838 heiratet Hei-mann erneut – diesmal die aus Wimbern stammende Catharina Elisabeth Severin. Der Ehe entstammen vier Kinder. 30 Jahre später brennt das Haus nieder.

„Am 18. Januar 1869 vereinbaren der Förster Heinrich Heimann und der Zimmerermeister Bernhard Centiny (1822-1897) die Errichtung des neuen Hauses. Bernhard Centiny ist in Wickede kein unbekannter, hat er doch von August 1861 bis Dezember 1862 die katholische Kirche erbaut. Das neue Haus wird 50 Fuß (=15,70 m) lang und 30 Fuß (=9,42 m) breit“, berichtet Josef Kampmann weiter. Die Kosten damals: 8500 Thaler.

Mit 5 Hektar Land

Später im Jahr wird das Haus bezogen, stirbt aber auch Ehefrau Elisabeth. Heinrich Heimann ist zu dem Zeitpunkt seit sechs Jahren beim Militär, kommt 1871 als Sergeanten zurück nach Wickede und verstirbt selbst im Haus an der Hauptstraße am 25. März 1884.

Das Erbe auf der Hofstelle tritt sein 43-jähriger, gleichnamiger Sohn an, er ist Privatwaldwärter, Förster und Ackerer und hat sieben Jahre zuvor die 21-jährige Sofia Franziska Kemper geheiratet. Von den bisher bekannten vier Kindern übernimmt der Sohn Friedrich, geb. am 22. September 1881, den Hof.

Inzwischen wurde der Lebensunterhalt wohl durch die Landwirtschaft bestritten, die Ländereien hatten 1892 eine Größe von rund 5 Hektar, so Josef Kampmann. Mit 32 Jahren heiratet Friedrich Heimann im Juni 1914 die aus Wickede stammende und zwei Jahre jüngere Franziska Gertrud Quenter. Von vier Kindern sterben zwei in jungen Jahren, die Mutter verstirbt mit 53 Jahren 1936, Vater Friedrich Heimann erreicht das gesegnete Alter von 84 Jahren und stirbt 1965.

Sein Sohn Friedrich, geboren am 15. April 1923, übernimmt den Hof, betreibt zunächst Landwirtschaft, führt dabei aber auch Fuhraufträge etwa für die Kohlenhandlung Kree aus, in deren Folge der frühere Bauernhof später selbst zur Kohlenhandlung wird.

1951 heiratet Friedrich Heimann die 1928 geborene Anneliese Bischopink aus Altenilpe. „Der ältere der beiden Söhne bekommt den Namen des Vaters und Großvaters und ist heute Dipl.-Ing. der Elektrotechnik. Der jüngere Ulrich wurde Arzt. Beide haben sich außerhalb von Wickede niedergelassen“, beleuchtete Josef Kampmann den weiteren Werdegang der Geschichte der Familie und des Fahrwerkhauses, das nach der Veräußerung nun in dieser Woche abgerissen wurde.

Schutz vor den Bomben in Heimanns Keller

Eine ganz besondere Erinnerung an das Haus Heimann hat die Wickederin Inge Werra, geb. Becker. Das Fachwerkgebäude wurde in den letzten drei Kriegstagen für die damals 14-Jährige und ihre Eltern Anna und Wilhelm zur Zuflucht vor amerikanischen Bombardierungen.

Die Familie wohnte wenige Meter unterhalb auf der Ecke Eichkampstraße/Hauptstraße im Haus Beckmann. Später entstand dort das als „Gerbens-Haus“ bekannte Gebäude mit Obstverkauf, heute ist die Fläche als Parkplatz freigeräumt. Bombensicher war der Keller des Beckmannschen Häuschens aber nicht und so flohen Eltern und Tochter im April 1945 eben zum Heimann-Haus, wo man mit Hauseigentümer Heimann, Tochter Elvira und einem russischen Mädchen ausharrte.

Inge Becker weiß heute noch, wie der Luftdruck einer niedergehenden Bombe die Backformen von den Wänden riss und zu Boden scheppern ließ, als nebenan das Haus Beckmann getroffen wurde. Nach Ende des Bombardements, als die Familie drei Tage später wieder zu ihrem Haus gelangte, war das Gebäude zu schwer beschädigt, um noch darin zu wohnen.

Unterschlupf fand die Familie Becker in der alten Post gegenüber dem Bahnhof. Oben im Haus wohnte die Familie Mols, deren beide Söhne im Krieg waren und die zwei Zimmer ihrer Wohnung dem ausgebombten Ehepaar Becker und seiner Tochter zur Verfügung stellte.

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