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Gemeinde sucht Deutschlehrer

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Von: Martin Hüttenbrink

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Wickede Gespräch mit syrischen Flüchtlingen
Informatives Treffen: Bürgermeister Martin Michalzik (Mitte) und Birte Deigmann (rechts) vom Sozialteam im Rathaus informierten jetzt zugewiesene Flüchtlinge aus Syrien über Geschichte, Wirtschaft und soziales Leben in der Ruhrgemeinde. © Gemeinde

Die Gemeinde sucht Lehrkräfte, die vor Ort aufgenommenen Flüchtlingen Deutschunterricht geben können. Außerdem hilft Wickede auch bei der Suche nach weiterem Wohnraum. So würde die Kommune als Erstmieter auftreten, um damit auch Vermietern mehr Sicherheit bei der Vergabe von Wohnraum zu geben. Bürgermeister Michalzik hatte jüngst eine Gruppe syrischer Flüchtlinge zum Gespräch begrüßt.

Wickede – „Sie sind Fliesenleger, Krankenschwestern, Steinmetz, Schneider oder Zahnarzt und zwischen 22 und 39 Jahren alt. Sie haben bittere Erfahrungen von Krieg und Zerstörung, Flucht und Tod nächster Angehöriger im Gepäck– und hoffen, in Wickede ein Zuhause mit Zukunft zu finden“, berichtet Michalzik vom Ergebnis seiner Begegnung.

Bei dem Treffen im Bürgerhaus habe er sich über die Lebenswege der syrischen Flüchtlinge informiert, die in den vergangenen Wochen der Gemeinde zugewiesen wurden. Dabei gab er den Neubürgern auch einen Überblick über Geschichte, Wirtschaft und soziales Leben in der Ruhrgemeinde.

19 Personen aus Syrien, darunter zwei Familien mit insgesamt fünf Kindern, seien zuletzt im Verteilverfahren des Landes mit Bleibepflicht für drei Jahre nach Wickede (Ruhr) gekommen. „Aus Städten wie Homs, Raqqa und Aleppo, deren brutale Zerstörungen im syrischen Bürgerkrieg inzwischen aus den Nachrichten hierzulande verschwunden sind, mussten sie vor dem Terror des Islamischen Staats oder dem Bombardement der syrischen und russischen Luftwaffe Zuflucht suchen“, erfuhr Michalzik bei den Gesprächen.

Teilweise lägen jahrelange Aufenthalte in Flüchtlingscamps hinter ihnen. In einigen Fällen seien die nächsten Angehörigen noch über verschiedene Länder verteilt – oder wurden in Deutschland durch die Zuteilungsbürokratie auf unterschiedliche Orte zerstreut.

Schon zweimal vor Krieg geflohen

Der 39-jährige Ali G. ist gleich zweifacher Flüchtling. Erst floh er vor dem Krieg in Syriern und ließ sich in der Ukraine nieder, habe dort als Zahnarzt praktiziert, ehe dann mit dem russischen Überfall auch dort der Krieg begann. „Er spricht fünf Sprachen und möchte rasch wieder Patienten helfen können“, erfuhr Bürgermeister Michalzik. Ein weiterer Mann aus Syrien sei Schneider. Er habe Aussicht, schon in Kürze in einer Nachbarstadt Arbeit und Auskommen zu finden.

Die wichtigste Aufgabe sei es nun, die deutsche Sprache zu lernen, unterstrich der Bürgermeister. „Da es für die nächsten Jobcenterkurse aber leider sehr lange Wartelisten bis ins nächste Frühjahr gibt, würden wir als Gemeinde gerne selbst etwas anbieten und suchen nach geeigneten Lehrkräften für einen Einsteigerkursus. Leider trotz intensiver Bemühungen unserer VHS bisher ohne Erfolg“.

Ein weitere Herausforderung sei das Finden geeigneten Wohnraums. Für die Geflüchteten mit Kindern sei die enge Wohnsituation in den Übergangsräumen im Dachgeschoss der früheren Westerheideschule nicht günstig. „Das gilt gerade für eine Familie, die in Kürze weiteren Nachwuchs erwartet“, wird Birte Deigmann zitiert, die sich im kleinen Team des Sozialamtes besonders intensiv um Flüchtlinge kümmere.

„Wir sind sehr dankbar für die Aufnahme in Deutschland“ – das hätten ihm die Männer versichert, die derzeit in kleinen Zweibettzimmern in der kommunalen Unterkunft für Wohnungslose in der Erlenstraße untergebracht sind. „Aber um die Belastungen der zurückliegenden Jahre zu verarbeiten und den Kopf für die Aufgaben, die jetzt vor ihnen liegen, frei zu bekommen, wäre eine andere Wohnsituation mit etwas Rückzugsmöglichkeit im eigenem Zimmer wertvoll, etwa in kleinen WGs“, setzt der Bürgermeister hinzu.

„Wie schwierig die Situation auch für wohnungssuchende Einheimische ist, habe ich den Neuankömmlingen erläutert. Doch hier und da kann es immer noch Reserven geben: Als Gemeinde würden wir als Erstmieter eintreten können und ein Kennenlernen zwischen möglichen Mietern aus dem Kreis der Flüchtlinge und Wohnungsgebern organisieren“, bietet Michalzik an.

Für die Zukunft der Wickede zugewiesenen syrischen Neubürger vor Ort formuliert Bürgermeister Martin Michalzik eine gemeinsame Perspektive. „Ich bin überzeugt, uns alle verbinden zwei wichtige Ziele: Dass diese Neubürger bei uns bald neue Sicherheit und Zuversicht spüren – und dass Sie sich möglichst schnell tatkräftig und produktiv als Nachbarn in Wirtschaft und Zusammenleben der Gemeinde einbringen können, z.B. im Blick auf den großen Arbeitskräftebedarf in unserem Land“.

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