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Flüchtlinge: Gemeinde bittet Bürger um Unterstützung 

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Von: Martin Hüttenbrink

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Breite Hilfsbereitschaft: Rund 75 Vertreter aus Vereinswelt, Kirche und sonstigen Gruppen kamen zum Treffen.
Breite Hilfsbereitschaft: Rund 75 Vertreter aus Vereinswelt, Kirche und sonstigen Gruppen kamen zum Treffen. © Hüttenbrink

Wie können wir den zu erwartenden Zustrom von Ukraine-Flüchtlingen vor Ort angemessen aufnehmen? Diese Frage stand beim Treffen mit allen heimischen Gruppen im Fokus.

Wickede – Klar ist: Je besser organisiert, umso besser kann die Gemeinde helfen. Die große Bereitschaft ist da – und notwendig: Am Montag beginne das Verteilverfaren der Landesregierung. „Es bleibt nur noch dieses Wochenende, um uns mental und organisatorisch vorzubereiten“, so der Bürgermeister, „ab Dienstag, Mittwoch wird’s ernst“.

Michalzik verdeutlicht auch: Das Rathaus kann die mit der Flüchtlingsaufnahme entstehenden Aufgaben alleine nicht schaffen, soll nicht das übliche Pensum leiden. „Wir brauchen Verstärkung“. Nötig seien „feste freie Mitarbeiter für die Verwaltung in den nächsten Monaten“, gebraucht werde ein fester Stab Ehrenamtlicher und die Bereitschaft von Einzelpersonen und Gruppen aus der Bürgerschaft, die für die verschiedenen, zielgerichteten Hilfen ansprechbar sind. Das Rathaus denke zudem über zwei, drei Teilzeitkräfte nach, um die Arbeit in den nächsten Monaten zu koordinieren.

Der Organisation einer gut funktionierenden Struktur mit vielen Helfern, die jeweils an der richtigen Stelle eingesetzt sind, um dort ihre Kompetenzen effektiv einbringen zu können, basiert auf einer einfachen Erkenntnis: Lediglich zu einer Hilfsaktion aufrufen, zu einer großen Sammelaktion etwa, hätte sicher großen Erfolg, würde aber ein zielgerichtetes Handeln eher blockieren, „das würde uns logistisch überlasten“. Der Bürgermeister: „Hilfe ist erwünscht, wenn sie geordnet organisiert ist“.

Deshalb ist jetzt Ziel, dass sich in den Vereinen, Kirchengemeinden und sonstigen Gruppen Helferkreise bilden, die gegenüber dem Rathaus signalisieren, welche Aufgabe sie übernehmen können. Wichtig sind aber auch Meldungen von Einzelpersonen, die auf bestimmten Fachgebieten weiterhelfen können.

Nur ein Beispiel: Die Verfügbarkeit von WLAN überall dort, wo Flüchtlinge untergebracht werden. Die Verbindung zu Familienmitgliedern, die im Krieg geblieben sind, zu den Vätern, Ehemännern und Söhnen an der Front, ist für die Geflüchteten von großer Bedeutung, wie etwa Julian Bräker deutlich machte.

Wer im Pfarrheim Echthausen unterkommt, hat diesen Empfang gegenwärtig unter dem Abdach der ehemaligen Westerheideschule, weil man dort das Netz der Firma Parkraum-Service nutzen kann, hieß es im Bürgerhaus. In Wimbern stehe eine frühere Freifunk-Verbindung inzwischen nicht mehr zur Verfügung, wurde mit Blick auf Flüchtlingsplätze im Kloster festgehalten – hier will das Dorf anpacken, so Ortsvorsteher Schmidt.

Wohnen, Kleidung, Kontakte, Gesprächskreise, Sprachunterricht, Kinderbetreuung, Hilfen im Alltag wie etwa bei Behördengängen, Jobangebote – die Bandbreite der Notwendigkeiten ist riesig – und von langer Dauer, wie der Bürgermeister beim Treffen skizzierte. Je mehr Helfer sich für einzelne Leistungen melden umso besser kann die Arbeit koordiniert werden.

Wer gibt Deutschunterricht?

Bereits für den Hilfsgipfel im Bürgerhaus hatten sich etliche Ehrenamtliche Gedanken gemacht. Wickeder mit russischen Sprachkenntnissen bieten ihr Dienste an – vom Dolmetschen bis hin zum Gesprächskreis. Sprache wurde als besonders wichtiges Thema herausgearbeitet. Michalzik: „Wer kann den Menschen helfen, Deutsch zu lernen? Wer übersetzt, wer stellt den Geflüchteten Wickede und Umgebung vor?“

Ein Hilfsangebot kommt von Jugendarbeiterin Bianca Straus: „Wir haben viele russisch sprechende Jugendliche, ich fänd es toll, wenn man sie mit einbezieht“.

Bei allen Fragen der Bekleidung stehen Kleiderkammer und Co bereit, Familientherapeutin Andrea Bechheim sprach das Problemfeld unbegleiteter und/oder traumatisierter Kinder an. Überhaupt wird Gruppenarbeit für Kinder notwendig sein.

„Die Tagesstätten sind alle voll. Also braucht es alternative Angebote gerade für die Kinder“, denen besonderes Augenmerk und mit Begegnung und Spiel auch Ablenkung von den traumatischen Erlebnissen gelten müsse. „Wer macht da mit?“, fragt der Bürgermeister, der sich ebenso vorstellt, dass bestimmte Unterstützungsaufgaben für ukrainische Kinder auch gezielt in eine Grundschulklasse gegeben werden könnten.

Die Kameraden der Feuerwehr stehen bei logistischen Aufgaben bereit, wie Feuerwehrchef Marcel Horn mitteilte, Dr. Clemens Frigge stellt nicht nur Lagerfläche für Hilfsgüter sowie Spendenmittel etwa für die Kinderbetreuung zur Verfügung, sondern auch einen Job und zudem zur Not auch kostenfreie Zahnversorgung.

Das erfolgreiche Konzept von „Wickede kocht“ könnte für die ukrainischen Frauen und Kinder reaktiviert werden, lautete ein Angebot, eine Ansprechpartnerin für frauenärztliche Fragen stellte sich zur Verfügung, ein weiterer Vorschlag gilt dem Wohl mitgebrachter Haustiere, die als Familienmitglieder und „Seelentröster“ möglicherweise gesondert unterzubringen, wenn dies die Unterkunft nicht zulasse. Der Freundeskreis „Menschen helfen Menschen“ stellte seine große Facebook-Gemeinde zur Verfügung, in deren Reihen immer wieder schnell Hilfe zu finden sei. Weitere Gemeinschaften waren beim Treffen im Bürgerhaus präsent, die mit ihrem Kommen ebenfalls die Bereitschaft zu tatkräftiger Unterstützung signalisierten.

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