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Gas-Krise bedroht Sport- und Kulturbetrieb

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Von: Martin Hüttenbrink

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Front der Sporthalle
Die Gerkensporthalle soll im Winter für rund drei Monate geschlossen bleiben. © Hüttenbrink, Martin

Die Sporthalle wird im Winter für rund drei Monate nur eingeschränkt bzw. gar nicht nutzbar sein. Nämlich dann, wenn die neue Lüftungsanlage eingebaut wird. Die SPD bemängelt die Zeitplanung. In seiner Antwort skizziert Bürgermeister Martin Michalzik noch ein ganz andere Dimension: Wegen der Gas-Krise müssten öffentliche Gebäude im Winter möglicherweise generell geschlossen bleiben.

Wickede – SPD-Fraktionschef Julian Bräker hatte das Thema jüngst auf politischer Ebene angesprochen und den Stand der Maßnahme hinterfragt. „Die Ausschreibung läuft“, hatte Fachbereichsleiter Markus Kleindopp erläutert. Die Planung sehe die Maßnahme von November/Dezember bis zum Februar vor.

Ob die Gemeinde nicht bei Nachbarkommunen nachfragen könne, ob eventuell Ausweichflächen für den Trainingsbetrieb zur Verfügung gestellt werden könnten, hatte Bräker vorgeschlagen. Fachbereichsleiterin Modler bewertete das allerdings mit Skepsis. „Ich glaube, die sind relativ ausgelastet“. Eventuell könnte die Sporthalle in Echthausen eine Möglichkeit sein, könnten auch z.B. Handballspiele verlegt werden. Ansonsten aber gelte angesichts der Lüftungserneuerung für den Vereinssport: „Das geht jetzt mal nicht“.

SPD-Sprecher Bräker, ehedem nicht zuletzt Mitglied des Handball-Vorstandes, erläuterte zu seinen Äußerungen, dass ein Verlegen der Spiele gar nicht mal das Problem sei. Das Entgegenkommen der übrigen Mannschaften vorausgesetzt, könnte man die während der Bauzeit anstehenden Heim- gegen Auswärtsspiele tauschen und dies bei der Rückrunde dann wieder ausgleichen.

Handballer benötigen das komplette Spielfeld

Betroffen sei vielmehr das Training. Dafür werde spätestens ab den älteren Jugendklassen das gesamte Spielfeld benötigt. Ein Ausweichen in die Turnhallen der Gemeinde – ob nun in Echthausen oder an den Grundschulen – sei daher problematisch. Zumal dort auch keine Tore vorhanden seien.

Vor diesem Hintergrund bezeichnete Bräker das Timing der Baumaßnahme als ungünstig. Sinnvoller wäre es gewesen, die Lüftungserneuerung ähnlich wie bei anderen Maßnahmen in die Sommerpause zu legen. „Das hätte man hier sinnigerweise auch versuchen können. Hier wurde die Ausschreibung zu spät in Angriff genommen“.

Zudem setzt sich der SPD-Fraktionschef kritisch mit der Wertung von Schul- und Vereinssport auseinander. Bräker sieht die Vereine durch die Gemeinde nachrangig behandelt, wenn die Sporthalle etwa für den Schulsport abschnittsweise zur Verfügung stehe, nicht aber den Vereinen.

Schul- und Vereinssport ergänzen sich

Das Rathaus argumentiere, die Halle sei in erster Linie eine Schulsporthalle. Zwar könne man als Schulträger wohl anders in die Pflicht genommen werden, wenn es um die Gestellung von Hallenfläche für den Unterricht geht. Doch selbst wenn es diesen Rechtsanspruch für den Vereinssport nicht gibt, fragt Bräker: „Wo sollen wir Handballer denn hin? Sollen wir eine Halle für den Vereinssport beantragen? Die Argumentation, ,das ist Schulsport, alles andere ist nachrangig’, halte ich für falsch“. Zumal sich beide Nutzungen mit dem Schulsport tagsüber und dem Vereinssport am Abend zeitlich gut ergänzten.

Insofern sei nicht zuletzt eines zu hinterfragen: Wenn während der Arbeiten zur Lüftungserneuerung die Halle abschnittsweise für den Schulsport zur Verfügung gestellt werden soll – „warum geht das nicht auch für die Vereine?“ Zumal die Arbeiten potenziell eher zu den Zeiten des Schulsport laufen als in den Abendstunden.

Grundsätzlich stößt die Erneuerung der Lüftungsanlage auch bei Bräker auf breite Zustimmung. Die Maßnahme sei ganz klar begrüßenswert. Die jetzige Lüftung sei alt und energetisch nicht effizient und liefere gerade im Sommer nicht das, was sie soll. Insbesondere für den Spiegelsaal, der mit seinen großen Glaswänden über gar kein Lüftung und somit Zirkulation habe. „Da steht die Luft“.

Sommerferien waren Wunschtermin

„Die Arbeiten sind notwendig – ganz klar. Eine zeitweise Schließung – auch klar. Aber der Zeitrahmen ist unglücklich“, sagt Bräker. Nun, wo „das Kind in den Brunnen gefallen“ sei, appelliert der Fraktionssprecher, „im Interesse eines guten Miteinanders“ die unterschiedliche Wertung von Schul- und Vereinssport zu überdenken.

Die Nachfrage des SPD-Fraktionschefs steht vor dem Hintergrund einer Mitteilung aus dem Rathaus im Januar. „Ziel ist, das Projekt in den Sommerferien und damit so weit wie möglich in Zeiten umzusetzen, in denen die Sekundarschule Ferien macht und die Sporthalle teilweise für den Vereinssport geschlossen ist“, hieß es vor sechs Monaten. Damals sollten Ausschreibung und Auftragsvergabe in Kürze erfolgen.

Tatsächlich laufen die Ausschreibungen aber erst jetzt. Übrigens gibt es für die Baumaßnahme gleich vier Förderbescheide, weil es sich zur bedarfsgerechten Belüftung der verschiedenen Räumlichkeiten auch um vier getrennte Anlagen handelt. Der Bund fördert mit 80 Prozent. Das sind hier 313 000 Euro Fördermittel. Die verbleibenden 79 000 Euro zum Gesamtbetrag von 391 000 Euro sind im Haushalt 2022 als Eigenmittel fest eingeplant.

„Auftragsbücher der Firmen sind voll“

„Nur mit viel Flexibilität und auch Einschränkungen für Nutzer werden sich große kommunale Bauvorhaben künftig meistern lassen“, erläutert dazu Bürgermeister Martin Michalzik. ,,Anders lässt sich unter den aktuellen Bedingungen ein wirtschaftlicher Einsatz unserer Steuergelder mit Zeitaufwand für Planungen, mit Förderauflagen, Materialfluss und Dienstleistungen von Fachfirmen nicht zusammenbringen“. Das zeige sich aktuell konkret bei der Gerkensporthalle, geht der Bürgermeister auf die Kritik aus der SPD ein, ob der Einbau der neuen Lüftung dort nicht besser in den Sommerferien stattgefunden hätte.

,,Grundsätzlich teile ich das, praktisch ist das heute kaum noch möglich. Daher halte ich unsere Vorgehensweise für richtig“, so Michalzik. ,,Die Auftragsbücher der Fachfirmen – gerade solche, die für öffentliche Gebäude und an großen Anlagen arbeiten – sind voll. Außerdem gibt es dort selbst z.B. Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern, die Urlaube planen.“ Überdies wirken laut Michalzik enge Zeitfenster bei Auftragsvergaben als starke Preistreiber und lassen manche Firmen gleich ganz aussteigen.

Die Förderzusage für die neue, mit gleich vier Teilanlagen aufwändige Lüftungstechnik der großen Sporthalle, sei im Oktober 2021 gekommen. Auf dieser Grundlage habe die Detailplanung des Fachbüros eingesetzt, die bis in die Osterzeit gedauert habe. ,,Daher war es wirtschaftlich unbedingt vernünftig, nicht auf den Sommerferien diesen Jahres als Bauzeitraum zu bestehen“. Vielmehr habe man die Angebotsfrist so gewählt, dass für alle Anbieter genügend Zeit für eine vernünftige Angebotsausarbeitung inklusive von Ortstermin in der Halle zur Verfügung steht. Die Angebotsfrist laufe bis 5. August.

Nicht große Hallen für wenige Abende heizen

Die Bauarbeiten sind ab November bis Ende Februar möglich. „Bei Kosten von 392000 Euro und 80 Prozent Förderung, die strengen Prüfungen standhalten muss, müssen Sorgfalt und Machbarkeit vor dem Wunsch nach Schnelligkeit und Ferienperioden stehen. Die exakten Bauzeiten werden erst nach verbindlichem Auftrag feststehen, weil auch erst dann Firmen in die Materialbestellung und Arbeitsplanung einsteigen“.

So wie Schulen und Kitas - z.B. bei Melanchthonschule und Kindergarten Echthausen – dabei mit Einschränkungen umgehen müssen, müsse das auch im Sportbereich möglich sein. ,,Immerhin stellt die Gemeinde alle Hallen gerne und in einem guten Zustand für die Vereine bereit – und jedem ist klar, dass der Vereinsbeitrag an die Kommune von 5 Euro je Mitglied, das beim Landessportbund gemeldet ist, für abendlichen Sportbetrieb mit Licht, Heizung und Reinigung nur ein symbolischer Beitrag ist.“

Zum Hallenbetrieb könnte aus Sicht des Bürgermeisters noch eine viel einschneidendere Entwicklung drohen: ,,Falls im Herbst und Winter ein echter Gas-Notstand herrscht, wird es bei einer harten Prioritätensetzung für die Wärmeversorgung kein Tabu sein können, Schul- und Vereinssport für ein begrenztes Zeitfenster über die Winterferien hinaus auszusetzen“.

Ebenso würde dies einschließen, den Kultur- und Unterhaltungsbetrieb zu unterbrechen, „um nicht große Hallen für wenige Abende heizen zu müssen. Das ist kein Ausblick, der mir gefällt. Aber für eine ernsthaften Vorbereitung, was der Krieg in der Ukrainie und die zugespitzte Konfrontation in Europa bedeuten kann, gehört es für mich auf jeden Fall dazu“, so Michalzik. 

Energie-Gespräch mit Schulen und Kindergärten

Die Gemeinde wird mit den Schul- und KiTa-Leitungen und Hausmeistern über sparsames Energiewirtschaften nach den Ferien beraten. Für die kommunale Straßenbeleuchtung ist mit der Umstellung auf LED in zahlreichen Ortsbereichen bereits ein ordentliches Sparpotential erreicht worden.

Darüber hinaus findet in weiten Teilen der Gemeinde zusätzlich eine stufenweise Dimmung des Lichtes zur Nacht hin statt. Ampelkreuzungen und Zebrastreifen müssen ständig hell ausgeleuchtet werden. Ansonsten bleibe nur, ganze Wohnbereiche etwa zwischen ein und vier Uhr morgens komplett vom Straßenlicht zu nehmen. „Das macht aber nicht wenigen Anwohnern Angst“, weiß man im Rathaus.

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