Das große Interesse an der Immobilie wurde bei den meisten auch nicht durch die Bauruine mit 150 Quadratmetern Wohnfläche und 465 Quadratmetern Grundstück geweckt, sondern durch die gute Lage mitten in der dörflichen Eigenheim-Idylle.
Der Verkehrswert war im Vorfeld auf 92 300 Euro taxiert worden, der Mindestverkaufpreis auf 64 610 Euro. Eine Frau ließ sich bei der Rechtspflegerin als erste Bieterin eintragen, mit 68 000 Euro.
Gemurmel im Saal. Nun fing das Taktieren an. Wer steigt wann ein? Wo liegt die eigene Schmerzgrenze? Schon mit dem dritten Gebot dürfte dies bei einigen geringer geworden sein: 100 000 Euro. 115 000 Euro, 125 000 Euro – die Schritte blieben relativ groß.
Ein Werler wollte das Haus gerne für seine Nichte ersteigern, war zum ersten Mal bei einem solchen Termin. „Wir überlegen noch und warten lieber noch ab.“ Ein Abbruchunternehmer aus Meinerzhagen sagte, er beobachte Zwangsversteigerungen regelmäßig. Auch ihm hatte es das „schöne Grundstück“ angetan.
Ein Bieter aus Lünen hätte das Haus gerne als „zusätzliche Altersabsicherung“ erworben. Er war auf den Termin aufmerksam geworden, weil seine Schwiegereltern in Büderich wohnen. Auch sein eigenes Wohnhaus habe er bei einer Zwangsersteigerung erworben. Doch am Montag gab er bei 138 000 Euro sein Bieterkärtchen ab und verließ die Stadthalle. Limit erreicht: „Schließlich gibt es auch noch einen erheblichen Investitionsbedarf.“
Kurz nach 10 Uhr wäre die Versteigerung beinahe zu Ende gewesen. „180 000 Euro zum Zweiten“, sagte die Rechtspflegerin und machte eine kurze Pause. Dann entwickelte sich doch noch ein kurzes, spannendes Bieterduell, das bei 187 000 Euro endete.
Alex Philipp aus Dortmund stieg aus. „Ich bin schon 10 000 Euro über meine eigentliche Schmerzgrenze gegangen.“ Der Architekt ist in Werl aufgewachsen und hätte das Haus gerne selbst saniert und genutzt. Doch so ließ er einem Werler den Vortritt.
Der 43-jährige Familienvater mit zwei Kindern will das Haus ebenfalls für sich selbst nutzen. Bislang habe er weder Garten noch Balkon. Nun möchte er das Haus renovieren. Ein Abriss ist seiner Meinung nach nicht notwendig.
Da die Besichtigung von innen im Vorfeld wegen des zu großen Interesses abgesagt worden war, habe er sich selbst aber noch keinen eigenen Eindruck vom genauen Zustand des Gebäudes machen können. Beim Steigern blieb er trotzdem hartnäckig. Dabei sei er zum ersten Mal bei einer Zwangsversteigerung gewesen. „Ich habe mich vorher im Internet ein wenig eingelesen.“
Seine Taktik ging auf. Doch auch er habe am Ende deutlich mehr gezahlt, als er sich eigentlich vorgenommen hatte. „Wir haben uns ein bisschen in Haus und Grundstück verliebt. Hätte ich nicht gekauft, hätte ich zuhause wohl Ärger bekommen“, sagte der Meistbietende und lachte.
Zufrieden lächeln konnte auch die Vertreterin der Versicherung, die Gläubigerin im Verfahren war. Mehr als das doppelte des Verkehrswertes – das sei nicht unbedingt üblich und ein „sehr gutes Ergebnis“. Und vielleicht können ja bald auch die Nachbarn in Büderich lächeln, wenn aus dem 22 Jahre andauerenden „Sechs-Tage-Albtraum“ doch noch ein ganz persönlicher Wohntraum geworden ist.