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Nach Zwangsräumung: Belvona-Hochhaus bleibt wohl länger gesperrt

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Von: Dominik Maaß

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Das Belvona-Hochhaus an der Droste-Hülshoff-Straße bleibt nach der Zwangsräumung weiter gesperrt.
Das Belvona-Hochhaus an der Droste-Hülshoff-Straße bleibt nach der Zwangsräumung weiter gesperrt. © Thomas Nitsche

Nach der Zwangsräumung des Hochhauses an der Droste-Hülshoff-Straße geht die Stadt nicht davon aus, dass das Gebäude kurzfristig wieder für bewohnbar erklärt werden kann.

Werl – In einer Pressemitteilung heißt es: „Die Stadt werde im Laufe der nächsten Woche eine Begehung des Gebäudes mit verschiedenen Akteuren durchführen, um die Sachlage aufzuarbeiten.“ Für die Bewohner bestehe allerdings in Abstimmung mit dem Ordnungsamt die Möglichkeit, notwendige Dokumente, Medikamente und Ähnliches aus ihren Wohnungen zu holen. Davon machten die ersten am Dienstag bereits Gebrauch.

Am Montagabend war es gegen 19 Uhr zu einem Brand in einem Sicherungskasten im vierten Stock gekommen. Als Ursache vermutet die Stadt einen Kurzschluss. Demnach könnte das Wasser nach einem Rohrbruch in einer der unbewohnten Wohnungen in den Sicherungskasten gelaufen sein. Es drohten weitere Kurzschlüsse, weil auch andere Sicherungskästen bereits durchnässt waren. Mieter berichteten allerdings auch von einem undichten Dach.

Nach Einschätzung von Feuerwehr und Ordnungsamt bestand „Gefahr für Leib und Leben der Bewohner“, sodass das gesamte Gebäude noch vor Ort für unbewohnbar erklärt wurde. Nicht nur wegen der Brandgefahr, sondern auch weil Bewohnern elektrische Schläge drohten. Das Gebäude wurde nach einer Begehung durch Feuerwehr, Ordnungsamt und Polizei versiegelt. Das Wasser und der Strom wurden abgestellt.

In diesem Sicherungskasten im vierten Stock kam es zu einem Schwelbrand, nachdem vermutlich Wasser einen Kurzschluss ausgelöst hatte.
In diesem Sicherungskasten im vierten Stock kam es zu einem Schwelbrand, nachdem vermutlich Wasser einen Kurzschluss ausgelöst hatte. © Feuerwehr Werl

Gemeldet waren in dem Hochhaus laut Stadtverwaltung 23 Personen, darunter ein Minderjähriger. Tatsächlich angetroffen wurden am Montagabend bei der Evakuierung des Hauses 17 Bewohner. Zwei Mieter hatten der Aufforderung, das Gebäude zu verlassen, zunächst nicht Folge geleistet. Die Feuerwehr fand sie erst beim Durchkämmen des Gebäudes.

Viele Wohnungen leer

Acht Mieter sind laut Stadtverwaltung in städtischen Einrichtungen untergebracht worden, neun seien in ihrem privaten Umfeld untergekommen. Insgesamt gibt es im Gebäude 56 Wohnungen, die meisten von ihnen stehen aber schon lange leer. Beim Ausfall der Heizungen schrieb Belvona zuletzt von 15 betroffenen Parteien.

Die Stadtverwaltung hat im Belvona-Wohnpark am Melsterberg einige Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen angemietet – laut Angaben der Stadt allerdings nicht im Hochhaus. Dazu, wie die Stadt nun weiter mit dem umstrittenen Unternehmen Belvona verfährt, äußert sich die Verwaltung in der Pressemitteilung nur vage: „Die Stadt befindet sich bereits seit Anfang des Jahres in einem intensiven Austausch mit der Wohnungsverwalterin Belvona und dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. Es wird in dieser Woche mit der Belvona ein Gespräch zur weiteren Vorgehensweise stattfinden.“

Bereits seit Herbst häufen sich die Beschwerden über Belvona massiv. Die Stadt hat daraufhin Belvona im Dezember „Anordnungsbescheide“ geschickt und das Unternehmen aufgefordert, die Missstände zu beheben. Verbessert hat sich für die Mieter seitdem nichts.

Belvona schweigt

Wohnungsverwalter Belvona ließ eine Anfrage zur Evakuierung des Hochhauses bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

So bleibt unklar, was das Unternehmen tun will, um den Betroffenen zu helfen und in welcher Form Belvona Verantwortung für die Vorkommnisse übernimmt. Auch die Frage, warum Belvona nicht schon früher auf die von Mietern gemeldeten Schäden reagiert hat, blieb offen.

Einer der Betroffenen aus dem Hochhaus ist Reinhold Wörmann. Der 50-Jährige wohnt im ersten Stock, wurde am Montagabend aufgeschreckt durch den „Tumult“ vor dem Haus und fragte die Feuerwehr, was los sei. Ihm blieb nur wenig Zeit, um das Nötigste in ein paar Beutel zu packen. Wörmann, der einen Minijob bei der Stadthalle hat, kam bei seiner Freundin in Werl unter. „Das ist keine Dauerlösung, aber ich bin froh, dass ich nicht in eine Notunterkunft muss.“

Betroffener berichtet: „Man steht plötzlich vor dem Nichts“

Wörmann wohnt bereits seit mehreren Jahren im Hochhaus. Der schlechte Zustand des Gebäudes und der Wohnungen war ihm vertraut, mehrfach habe er Belvona darüber in Kenntnis gesetzt und um eine andere, vergleichbare Wohnung gebeten. Doch mit einer plötzlichen Räumung habe er nicht gerechnet: „Das ist schon heftig. Man steht plötzlich vor dem Nichts. Nun weiß ich, wie sich das für die Mieter in Herne angefühlt hat.“ Dort waren bereits Anfang Dezember Belvona-Häuser geräumt worden.

Plötzlich ohne Bleibe: Die Bewohner Reinhold Wörmann (links) und Uwe Holl mussten ihre Wohnungen im Hochhaus auf die Schnelle verlassen.
Plötzlich ohne Bleibe: Die Bewohner Reinhold Wörmann (links) und Uwe Holl mussten ihre Wohnungen im Hochhaus auf die Schnelle verlassen. © Thomas Nitsche

Das Mindeste, was Wörmann nun von Belvona erwartet, ist „dass sie mir schnellstmöglich eine neue Wohnung stellen.“ Das Vertrauen in das Unternehmen hat er schon lange verloren. Er kennt die leeren Versprechen von den Internetseiten: „Das ist alles nur gelogen.“ In das Hochhaus will Wörmann auf keinen Fall zurück. Die Renovierungen vor ein paar Jahren seien nur oberflächlich erfolgt: „Da wurde ein bisschen Farbe drüber gemacht, damit es besser aussieht.“

Das Flachdach sei zum Teil eingefallen. Dass von oben Wasser ins Gebäude eindringt, sei dem Unternehmen lange bekannt gewesen, sagt Wörmann. Auch er habe Belvona darauf hingewiesen, aber nie eine Reaktion erhalten. Ein Schimmel-Problem gebe es auch in seiner Wohnung, es nehme aber mit jeder Etage, die man nach oben geht, zu: „Ab der fünften Etage bekommt man kaum noch Luft.“ Das deckt sich mit den Aussagen anderer Bewohner und Besucher des Hauses, die von ganzen Wänden voller Schwarzschimmel berichten.

Die Heizungen im Hochhaus sind seit Monaten ausgefallen. Belvona stellte eine baldige Reparatur in Aussicht und riet den Mietern, sich Elektroheizungen zu kaufen. Das Unternehmen werde die Kosten übernehmen. Wörmann hat die Rechnung an Belvona geschickt. Geld habe er bislang aber noch keines gesehen.

Defekter Aufzug, kaputte Heizung, Schimmel, undichte Fenster – Mängel habe er viele an die Wohnungsverwaltung gemeldet, per E-Mail und telefonisch. Doch entweder er habe niemanden erreicht oder die Angesprochenen hätten gesagt, sie seien nicht zuständig.

Auch andere Mieter haben weiter Probleme

Ähnliches berichten Mieter anderer Belvona-Häuser im Melsterberg-Quartier seit Monaten. So warten zwei Familien an der Droste-Hülshoff-Straße seit Mitte Oktober darauf, dass sie wieder fließend Wasser in Küche und Gäste-WC haben. Dies war nach einem Wasserschaden in einer leer stehenden Wohnung abgestellt worden. Im selben Haus soll zudem seit einigen Wochen Wasser im Keller stehen. Auch darum habe sich Belvona bislang nicht gekümmert. Stattdessen seien nun die Flure nach langer Zeit mal wieder geputzt worden.

Kommentar: Umgang mit Mietern ist ein Skandal

Von Dominik Maaß
Belvona ist das Wohl seiner Mieter offenbar völlig egal. Das Unternehmen nimmt inzwischen sogar in Kauf, dass Bewohner in den Häusern zu Schaden kommen – sei es durch Schimmel, Brand oder Stromschlag. Ob Schäden wissentlich ignoriert werden – wofür vieles spricht – oder nicht bekannt waren, weil sich der Vermieter nicht kümmert (nicht mehr kümmern kann), ist da fast schon unerheblich.

Die unterlassene Hilfe für die Mieter ist in jedem Fall ein Skandal. Den Verantwortlichen muss das Handwerk gelegt werden. Und zwar schnell. Bevor beim nächsten Mal noch Schlimmeres passiert.

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