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Zwangs-Stillstand bei der Windenergie: Stadt ist „nicht handlungsfähig“

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Von: Gerald Bus

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Für Werl-Brünningsen sieht die Stadt noch Ausbau-Potenzial.
Für Werl-Brünningsen sieht die Stadt noch Ausbau-Potenzial. © Müller

Statt dass sich neue „Mühlen“ in Werl drehen, drehen die Planer Däumchen. Zwangsweise. Es herrscht Flaute. Von frischer Brise beim Bau neuer Windkraftanlagen ist im Werler Rathaus nichts zu spüren. Die Pläne zum Bau von drei Windrädern im Stadtwald? Ruhen. Die zuvor nötige Studie mit Blick auf die Gesamt-Stadt, ob es neue Potenzialflächen in Werl geben könnte? Nicht beauftragt. Und die regelmäßigen lockeren Anfragen von Investoren von außerhalb, die neue Windräder bauen wollen, werden mit Bedauern zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass es derzeit schlicht keinen Sinn macht, konkrete Anfragen zu stellen.

Werl - Das gilt auch für den Interessenten aus der Region, der nördlich des Stadtwalds ein Windrad bauen will. Keine Chance zurzeit.

Zustände, die Werls Stadtplaner Ludger Pöpsel nerven. „Es ist bedauerlich, dass wir nicht handlungsfähig sind.“ Aber der Stadt seien derzeit die Hände gebunden, da die Vorgaben von Bund und Land nicht feststehen. Was nutzt eine Studie zu Windflächen in Werl, wenn sie in einem halben Jahr überholt ist? Nichts. „Sie wäre sinnlos, für die Tonne“, sagt Pöpsel. Die Mühlen der Bürokratie in Deutschland mahlen langsam. Und neue Windmühlen entstehen dadurch zurzeit in Werl gar nicht erst. Ein Stillstand wider Willen.

Nichts ist wirklich fix

„Ärgerlich“ nennt Pöpsel das. Und „schade, weil wir doch die Energiekrise bewältigen wollen“. Zumal der Eindruck entstehe, die Stadt mache nichts. Aber ohne die nötigen Parameter gehe nun mal nichts, um das Klima besser zu schützen und die Abhängigkeit von anderen Energieformen zu mildern. Gesetzliche Regelungen und Verordnungen stehen noch immer nicht fest. Zwar gab es ein „Osterpaket“ der Bundesregierung im April, dann ein „Sommerpaket“ zur Förderung erneuerbarer Energien – aber nichts ist bislang wirklich fix.

Daher bleibt es vorerst bei dem Fazit, das die Stadt bereits im Mai dem Planungsausschuss präsentierte: „Wann die neuen Rahmenbedingungen nach Durchlaufen der Gesetzgebungsverfahren wirksam sein werden, ist zurzeit nicht zu sagen. Die Prüfung potenzieller Standorte für zukünftige Windenergienutzung im Stadtgebiet Werl macht erst Sinn, wenn die maßgeblichen Kriterien bestimmt sind.“

Frage der Gesamtfläche

Wann es so weit sein wird? Das kann die Stadtverwaltung nicht absehen. Und auch nicht, inwieweit Bund und Land tatsächlich mit Vorgaben in die kommunale Planungshoheit einzugreifen und sie damit auszuhebeln bereit wären. Zwar geht der Stadtplaner davon eigentlich nicht aus – aber auszuschließen ist selbst das aktuell nicht. „Das ist alles noch nebulös“, sagt Pöpsel. Damit ist auch nicht klar, wie viel Prozent der Fläche künftig für Windkraft in Werl vorgehalten werden müssen.

Die aktuelle Zahl zeigt, dass die Stadt in den Vorjahren nicht untätig war beim Windrad-Bau. Rund 1,1 Prozent der städtischen Fläche sind aktuell der Windkraft vorbehalten: Das Sondergebiet in Westhilbeck umfasst 39 Hektar, die beiden Konzentrationsflächen in Brünningsen (bei Hilbeck) und Mawicke sind 17 beziehungsweise 29 Hektar groß. Alle Flächen sind derzeit voll. In Mawicke soll bald mit zwei Großanlagen repowert werden, dann ist das Areal erneut ausgeschöpft.

Wo noch was geht

In Brünningsen hingegen drehen sich zum Teil noch alte Räder. Ein Repowering mit weniger, aber effizienteren Anlagen könnte neuen Schwung in das Gebiet bringen. Zudem sieht Ludger Pöpsel dort durchaus Potenzial für einen anderen Flächenzuschnitt, wenn die bisherigen Abstandsregeln zur Wohnbebauung tatsächlich wegfallen. Dort geht also womöglich noch etwas beim Ausbau der Windenergie.

Das gilt auch für die große Fläche an der Scheidinger Straße, die die Windstudie im Jahr 2104 als weitere Potenzialfläche in Werl ausgemacht hat. Immer wieder gibt es Vorstöße von Investoren, die an der Scheidinger Straße Windkraftanlagen bauen wollen. Bislang vergeblich. Dem Vernehmen nach will die Verwaltung diese Fläche lieber zur Ausweitung der zu knappen Gewerbeflächen nutzen. Ein Konflikt also.

Windkraft im Wald?

Sollte aber der von der Werler CDU geforderte Bau von drei Großwindrädern im Stadtwald gelingen, würde der Flächenanteil Werls wachsen. Aber – und das zeigt die Crux bei allen Überlegungen: Ob in Wäldern waldarmer Kommunen überhaupt Windkraft erlaubt wird, ist noch offen. Und Werl ist eine waldarme Stadt... Darüber hinaus ist noch ungeklärt, was mit einer Stadt passiert, die die Vorgaben nicht umsetzt.

Natürlich ist es eine spannende Frage, inwieweit die Auslegung jenes überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit neue Möglichkeiten schafft auf Flächen, die heute Tabuzonen sind.

Ludger Pöpsel, Stadtplaner

Dabei sei die Stadt ja bereit, etwas zu tun, um die Energiewende voranzutreiben, betont der Stadtplaner. Aber ohne Kenntnis darüber, was denn nun das vom Bund postulierte „überragende öffentliche Interesse“ beim WKA-Ausbau für Konsequenzen hat, bleibt es beim zwangsweisen Stillstand.

Artenschutz-Konflikt

Dabei sind die Konflikte von Windkraft und Artenschutz in einer Stadt wie Werl gerade durch das Vogelschutzgebiet hinderlich beim Windradbau – und seit Jahren greifbar. Klar ist: „hohe Standards für den Artenschutz“ soll es auch künftig geben, europäische Naturschutz-Richtlinien unangetastet bleiben. Auf der Gegenseite soll aber die Genehmigung von Windenergie in Landschaftsschutzgebieten erleichtert werden. Ein schmaler Grat.

Fallen aber bisherige Ausschlusskriterien zum Bau neuer Mühlen weg, dann könnte eine neue Studie für das Stadtgebiet Werls tatsächlich zu anderen Ergebnissen kommen als die von 2014. Eigentlich geht Ludger Pöpsel bislang zwar nicht davon aus, dass die neue Gesamtbetrachtung für die Stadt grundsätzlich neue Erkenntnisse bringt. „Aber natürlich ist es eine spannende Frage, inwieweit die Auslegung jenes überragenden öffentlichen Interesses und der öffentlichen Sicherheit neue Möglichkeiten schafft auf Flächen, die heute Tabuzonen sind“, sagt Werls Stadtplaner. Es könnte demnach mehr Flächen geben, die plötzlich für Windkraft in Frage kommen, wenn bisherige Nutzungskonflikte entfallen.

Die Sache mit der „Wertschöpfung“

Und dann ist da auch noch der Aspekt der „Wertschöpfung“ beim Räderbau. Die Werler CDU hat sich nicht zuletzt deshalb für den Bau von drei Rädern im Stadtwald eingesetzt, weil die Fläche dort der Stadt gehört. Das, was die Windkraft an Geld abwirft, soll den Bürgern der Stadt zugute kommen, nicht Investoren. Die Stadtwerke als Partner können beteiligt werden in einer städtischen Gesellschaft, an der auch Bürger mitwirken (und mitverdienen) könnten. Ein Aspekt, den die Verwaltung zumindest mit im Blick halten will.

Flächen für Windkraft

Am 28. Juli hat der Bund das „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (Wind-an-Land-Gesetz) verkündet. Der Kernpunkt: das „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ mit der rechtlichen Vorgabe, dass in Zukunft mindestens zwei Prozent der Fläche Deutschlands der Windenergie vorbehalten sind. In Kraft treten soll das Gesetz aber erst am 1. Februar 2023. Zuvor sollen die Bundesländer „Windenergiegebiete“ finden, die die Flächenvorgaben für das jeweilige Bundesland erfüllen. Für NRW sind das 1,8 Prozent der Landesfläche. Umgesetzt werden muss das aber erst bis 2032. Bis Ende 2027 muss NRW in der ersten Stufe demnach 1,1 Prozent der Landesfläche zur Verfügung stellen – ein Wert, den Werl bereits heute erreicht. Wobei davon auszugehen ist, dass es für die jeweiligen Kommunen unterschiedliche Vorgaben geben wird.

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