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„Es wird viel zu viel weggeschmissen“: Immer mehr Werler retten Lebensmittel

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Von: Dominik Maaß

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Torsten Tiebe und Astrid Wiegand mit einer Lieferung geretteter Lebensmittel. Sie hoffen, dass noch mehr Werler sich für die Idee des Rettens und Teilens von Lebensmitteln begeistern können.
Torsten Tiebe und Astrid Wiegand mit einer Lieferung geretteter Lebensmittel. Sie hoffen, dass noch mehr Werler sich für die Idee des Rettens und Teilens von Lebensmitteln begeistern können. © Maaß, Dominik

Läden werfen oft Lebensmittel weg, die eigentlich noch vollkommen in Ordnung sind. Doch es gibt immer mehr Werler, die sich nicht mit dieser Verschwendung abfinden wollen.

Werl – Vom Apfel bis zur Zucchini und vom Brot bis zur Sojasauce reicht das Angebot an Waren, das sich an diesem Mittwochabend auf dem großen Tisch im Hause Tiebe ausbreitet. Astrid Wiegand und Torsten Tiebe haben sie aus einem Supermarkt geholt. Doch die beiden Werler haben sie dort nicht gekauft, sondern gerettet.

Die Werler haben sich Anfang des Jahres auf der Internet-Seite Foodsharing.de als sogenannte Foodsaver (Lebensmittel-Retter) registriert. Seitdem machen sie sich ein- bis zweimal die Woche auf den Weg zu Supermärkten, Restaurants, Hotels und Bäckereien, um Waren abzuholen, die andernfalls im Müll landen würden.

„Es werden viel zu viele Lebensmittel weggeschmissen“

Sie retten vor allem Lebensmittel, die von gemeinnützigen Organisationen wie den Tafeln abgelehnt werden und nutzen sie für sich selbst, verteilen sie unter Bekannten und Freunden, aber inzwischen auch an alle anderen, die Interesse haben.

Auf die Idee aufmerksam geworden, seien sie durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Tiebe. Und Wiegand hat sich schon während des Studiums für das Thema Lebensmittel-Rettung interessiert. „Damals hieß das noch Containern und war verboten“, erinnert sich die 31-Jährige.

Ihre Motivation: „Es werden einfach viel zu viele Lebensmittel weggeschmissen.“ Das passe einfach nicht in Zeiten, in denen alle über Ressourcenschonung und Energiesparen reden. Für jedes gerettete Lebensmittel müsse schließlich kein neues produziert werden.

Inzwischen haben Tiebe und Wiegand in Werl einen eigenen „Fairteiler“ gegründet. So nennt sich in der Foodsharing-Gemeinde ein Ort, an dem Lebensmittel abgeholt und vorbeigebracht werden können. Vorher waren die nächsten „Fairteiler“ in Holtum und Hemmerde. Wer den „Fairteiler“ mit neuer Ware füllt, teilt dies in einer eigens eingerichteten WhatsApp-Gruppe und der Werler Foodsharing-Facebook-Gruppe mit.

Die Kiste mit Lebensmitteln ist jederzeit zugänglich, nur gekühlte Waren werden in einem Kühlschrank im Haus gelagert. Wer solche abholen oder bringen will, muss sich vorher ankündigen.

16 Partnerbetriebe aus der Gegend machen mit

Tiebe und Wiegand sind mit ihrem Engagement nicht allein. Die WhatsApp-Gruppe zählt inzwischen rund 140 Mitglieder, von denen zwischen 50 und 60 regelmäßig Essenslieferungen abholen und weiter verteilen. Die Werler Facebook-Gruppe hat sogar rund 360 Mitglieder.

Hinzu kommen in Werl und der näheren Umgebung 16 Partnerbetriebe, die regelmäßig Waren zur Abholung bereitstellen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um solche mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, die die Geschäfte nicht mehr verkaufen dürfen, trotzdem aber noch genießbar sind.

Auch Ware in beschädigten Verpackungen, Gemüse mit Druckstellen oder ähnliches holen die Foodsaver ab. Sie übernehmen dabei die volle Verantwortung für die weitere Verwendung. Die Geschäfte müssen also keine Sorgen haben, dass sie für vermeintlich ungenießbare Ware haften.

Sonja Bonin kommt aus Hemmerde und ist Botschafterin des Foodsharing-Bezirks Werl: „Langfristig ist es unser größtes Ziel, uns überflüssig zu machen. Wir wollen ein größeres Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln schaffen.“ Bei vielen Betrieben habe ein solches Umdenken schon eingesetzt.

Ein Partner, der die Initiative unterstützt, ist Edeka Sauer. „Wir freuen uns darüber, wenn es jemanden gibt, der uns Lebensmittel abnimmt, die wir nicht mehr verkaufen können, aber viel zu schade zum Wegwerfen sind“, sagt Max Sauer. Ganz verhindern ließe sich die überschüssige Ware nicht. Falsche Disposition, plötzlicher Wandel im Kaufverhalten, Sortimentsbereinigungen – die Gründe sind verschieden.

Aktive hoffen auf mehr Mitstreiter

Sauer arbeitet auch mit der Tafel zusammen, die bei der Abgabe von Lebensmitteln grundsätzlich den ersten Zugriff habe. Das betont auch Wiegand: „Wir wollen auf keinen Fall mit den Tafeln konkurrieren. Gemeinnützige Organisationen haben selbstverständlich immer Vorrang.“

Abholen, sortieren, den neuen Inhalt der Gemeinschaft melden – bei größeren Lieferungen könne das schon mal zwei, drei Stunden in Anspruch nehmen, erläutert Tiebe. Es sei halt letztlich eine Art Ehrenamt. Und auch wenn das Geldsparen für sie persönlich nicht im Vordergrund steht: „Wir freuen uns, wenn so jemand günstig an Lebensmittel kommt, die er sich sonst vielleicht nicht leisten könnte.“

Der 42-Jährige und seine Mitstreiterin hoffen, dass sich noch mehr Werler und noch mehr Partnerbetriebe für die Idee des Lebensmittel-Rettens begeistern können. Wer mitmachen möchte, kann sich auf der offiziellen Internetseite Foodsharing.de registrieren oder über die Facebook-Gruppe Kontakt zur Werler Gemeinschaft aufnehmen. Dort finden Interessierte weitere Informationen und Hinweise zu den „Fairteiler“-Standorten.

Infostand

Am 25. September, stellt sich die Initiative von 13 bis 18 Uhr beim „Markt der Möglichkeiten“ des Klimatreffs am Café Dreiklang vor.

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