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Werler Firmen "befürchten das Schlimmste“ - und setzen auf Kurzarbeit

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Von: Gerald Bus

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400 Beschäftigte haben die Standard-Metallwerke, nun gibt es Kurzarbeit. © Blossey

"Wir befürchten das Schlimmste.“ Aussagen wie diese von der F. W. Brökelmann Aluminiumwerk GmbH mit Werken in Werl und Ense zeigen: Das Coronavirus lähmt die Werler Wirtschaft und zwingt die Firmen zum Handeln. Etliche kündigen den Gang in die Kurzarbeit an, tausende Mitarbeiter sind betroffen.

Werl - Kurzarbeit habe das übergeordnete Ziel, Entlassungen vermeiden zu können. Immerhin: Die Existenz ihres Unternehmens sehen die Chefs bislang nicht gefährdet – man setze aber darauf, dass die Versprechen der Politik, den Firmen zu helfen, auch umgesetzt werden, schnell und unbürokratisch. 

Bei vielen Werler Firmen ist Kurzarbeit schon angemeldet. Darunter: die Standard Metallwerke Werl mit ihren rund 400 Mitarbeitern. Seit Mittwoch gilt das in Abstimmung mit dem Betriebsrat für die Hälfte der Belegschaft, ab kommenden Montag ist Kurzarbeit für rund 80 Prozent der Standard-Mitarbeiter geplant. Darüber hinaus gibt es seit Mittwoch fast keine Nachtschichten mehr. 

Coronavirus in Werl: Ausnahmesituation in Unternehmen

Von einer „Ausnahmesituation“ spricht Werner Steinweg, Mitglied der Geschäftsführung bei den Standard-Metallwerken. Man habe die Belegschaft über diese notwendigen Schritte informiert, sagt Steinweg. Die Beschäftigten werden aber auch von den Vorgesetzten weiter informiert, was die Maßnahmen bedeuten. 

Sie alle dienen einem Zweck: Entlassungen vermeiden. „Kündigungen sind kein Thema“, versichert die Geschäftsführung. Und man sehe auch keine Existenzbedrohung. Weitere Maßnahmen wie zeitliche Verschiebungen bei den Schichten sollen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter untereinander so wenig Kontakt wie möglich haben. Für die Standard gilt: Man bewerte die Lage jeden Tag aufs Neue und stimme sich mit dem Betriebsrat ab. 

Coronavirus in Werl: Neben Sorge auch Zuversicht

Zuletzt habe sich die Situation dramatisch geändert, vor allem nach dem Produktionsstopp in der Automobilindustrie. Das hat Auswirkungen auf die Standard als Zulieferer. In den Werken hat das zum Stopp der Produktion geführt; im Halbzeugbereich als weiterem Standbein werde es vergleichbare Entwicklungen mit etwas Zeitverzug geben. 

Steinweg verbreitet aber auch Zuversicht: Es gelte, die Standard auf die Zeit nach Corona auszurichten und die Krise „halbwegs unbeschadet zu überstehen“. Man sei überzeugt davon, den 2009 nach der Wirtschaftskrise beschrittenen Erfolgsweg erfolgreich fortsetzen zu können, wenn die Corona-Krise beendet ist. Die aktuellen Maßnahmen sollen der Grundstein dafür sein.

Das Virus schlägt auch voll auf die F. W. Brökelmann Aluminiumwerk GmbH und ihre 550 Beschäftigten in Werken in Ense und Werl durch. „Wir haben Kurzarbeit entsprechend den neuen Regelungen ab April angemeldet“, teilt Peter Schmidt, Geschäftsfeldleitung der Knauf Interfer Aluminium, mit. 

Coronavirus in Werl: Gewissheit in kommender Woche

Wie viele Mitarbeiter das letztlich betrifft, ist noch unklar. „Unsere Kunden planen noch, und wir warten ab.“ Man werde kommende Woche klar sehen, „wir befürchten aber das Schlimmste“. Die Kunden im Automobilbereich haben ihre Aufträge von einem Tag auf den anderen auf „Null“ reduziert, sagt der Geschäftsführer. Dem entsprechend reduziere Brökelmann ab kommende Woche.  Immerhin: „Kunden anderer Industrien bestellen noch unverändert.“ 

Entlassungen sind offenbar kein Thema: Brökelmanns Planungen basieren auf den von den Automobil-Kunden definierten „Shut-down“-Zeiträumen, sprich den Werksschließungen. „Für die Phase danach benötigen wir unsere Mitarbeiter für bestehende und neue Projekte“. Aber man rechne mit weiteren Auswirkungen. „Der Endkunde übt sich in Zurückhaltung und ist sparsam. Das wird ein Nachfrageloch verursachen.“

Autosektor rechnet mit verspäteten Effekten

Vor allem im Autosektor würden Effekte verspätet sichtbar, mutmaßt die Chefetage. „Wir erwarten nach der Corona-Krise einen zunächst schwachen Markt.“ Deutschland sei stark exportabhängig. Abnehmer- und Zulieferländer wie USA und Großbritannien fahren laut Schmidt „möglicherweise risikoreiche Strategien bei der Bekämpfung der Pandemie. Es könnte zu verlängerten Ausfällen wichtiger Märkte kommen.“ Aber Brökelmann sei als Teil der Knauf Interfer SE nicht in der Existenz gefährdet. 

Die politischen Maßnahmen wertet Brökelmann positiv. Die Hilfen seien auf den ersten Blick durchdacht und schnell. Aber die Wirksamkeit müsse sich erweisen. „Der Zeitraum der Corona-Krise wird die entscheidende Rolle spielen.“ Größere Mittelstandsfirmen sollen „gegebenenfalls einen vereinfachten Zugang zu Krediten erhalten. Spätere Investitionen würden somit erschwert. Das wäre für viele Unternehmen keine echte Hilfe.“ 

Ein Unternehmen verzeichnet keine Auswirkungen

„Bislang hatte das Virus keine Auswirkungen auf unser Unternehmen“, sagt Jochen Macha, Chef des Stahlservicecenters (SSC) Flachstahl. „Aber wir gehen davon aus, dass das jetzt kommt.“ Schließlich stehen viele Bänder an der Automobilindustrie still, davon sind Zulieferer betroffen, die wiederum SSC-Kunde sind. Daher erwarte man massive Auswirkungen zum Start in den April. 

Um dafür gewappnet zu sein, hat Macha zum 1. April vorsorglich Kurzarbeit angemeldet. Denn man sei sicher, dass die betrieblichen Abläufe so nicht aufrecht erhalten werden können. Man erwarte „erhebliche Einschnitte“ beim Umsatz. „Aber wir gehen nicht davon aus, dass wir Arbeitnehmer entlassen müssen.“ Macha rechnet mit tempörären Einflüssen durch die Pandemie. Ein Quartal – dann hoffe man auf eine langsame Erholung der Branche. 

Coronavirus in Werl: Keine Bedrohung der Existenz

Die Existenz sieht der Chef nicht bedroht. Das Paket mit den Maßnahmen, das die Politik geschnürt hat, zeuge von Besonnenheit. „Ich hoffe nur, dass die Unterstützungen, die in den Raum gestellt wurden auch so kommen – und dass nicht Zusagen gemacht worden, die nicht haltbar sind.“

Er könne und wolle nicht in den negativen Tenor einstimmen, sagt unterdessen Torsten Kulle von der Kulle Logistik GmbH. „Ja, wir haben erhebliche Vorkehrungen getroffen, um dem Virus zu begegnen“, sagt der Logistiker. Aktuell habe man keinen bekannten Corona-Fall und hoffe, dass das so bleibt. 

Zurzeit gibt es viel zu tun. „Unsere Fahrzeuge fahren alle unter Volllast, teilweise um den Nachschub in den Regalen des Einzelhandels sicherzustellen, teilweise um medizintechnische Geräte zu transportieren, aber auch um die Gesamtwirtschaft lauffähig zu halten.“

Das Lager im Norden habe einen sehr guten Auftragseingang, nicht zuletzt durch Kunden im Online-Geschäft. Demnach wirkt sich die Corona-Krise bislang durch zusätzliche Belastungen aus, die zu meistern sind. Daher ist bisher auch keine Kurzarbeit vorgesehen – und erst recht keine Entlassungen.

Coronavirus in Werl: Aufstellung für Krisensituation

„Wir müssen uns in der Krise so aufstellen, dass wir nach der Krise gestärkt weiter arbeiten können“, sagt Kulle. Zunächst sollte aus Sicht des Spediteurs „jedes Unternehmen so aufgestellt sein, dass es selber Maßnahmen ergreifen kann, um die schwierige Situation zu bewältigen. Es sollte nicht als erstes und der Einfachheit halber nach der Politik und dem Staat gerufen werden.“ Auf keinen Fall solle und dürfe man nur schwarz malen, es brauche auch Mut, um die Krise „gemeinsam zu meistern“.

Gebhardt-Stahl reagiert unterdessen mit einer Reduzierung der Stundenzahl. Noch sind die Corona-Auswirkungen auf das Stahlprofile-Unternehmen von der Runtestraße überschaubar. Kurzarbeit ist noch kein Thema für die 170 Beschäftigten. Allerdings wird man den Zweischichtbetrieb von zweimal acht auf zweimal sieben Stunden herunterfahren, mithin eine Stunde weniger arbeiten lassen. „Wir setzen zunächst auf den Abbau von Überstunden“, sagt Geschäftsführer Ralf Neuhaus. 

Allerdings macht der Blick zu den südeuropäischen Kunden in Italien, Frankreich und Spanien Sorgen. Dort sind viele Betriebe durch Corona geschlossen. Und das wirkt sich aus auf den Werler Lieferanten von Stahlverstärkungsprofilen. Etliche zusätzliche Telefonate führt Neuhaus in diesen Tagen. „Und wir können nur von Tag zu Tag schauen.“ Langfristiges Planen sei in diesen Wochen ein Ding der Unmöglichkeit.

Coronavirus in Werl: Betrieb läuft bei LWZ

Bei der Firma LWZ läuft der Betrieb aktuell noch regulär weiter, „die für uns wesentlichen Lieferketten sind noch nicht unterbrochen.“ Anders als bei manchen Firmen stammen die Kunden hier nicht nur aus der Automobilindustrie. Die Firma, Dienstleister im Bereich Löttechnik und Wärmebehandlung, hatte einen guten Start ins Geschäftsjahr, teilen die Geschäftsführer Ralf Schmetz und Holger Rodegra mit. „Nun beeinflusst das Corona-Virus natürlich auch uns.“

Man habe Verwaltungsmitarbeiter vorsorglich ins Homeoffice versetzt. Maßnahmen in der Produktion zur Verringerung der Mitarbeiterkontakte und Anhebung der Hygienestandards habe es gegeben. 

Kurzarbeit noch kein Thema

Noch ist Kurzarbeit bei der LWZ kein Thema, so die Geschäftsführung. „Einige unserer Kunden kommen aus der Automobilbranche, hier sind Auftragsverschiebungen vorhanden.“ Da die LWZ aber auch in anderen Branchen tätig sei, „werden wir Kurzarbeit hoffentlich vermeiden können“. Allerdings bleibe dies eine Option, „sollte sich die Situation der Gesamtwirtschaft deutlich verschlechtern, oder behördliche Maßnahmen dies notwendig machen“. 

Dem entsprechend habe man niemanden entlassen müssen. „Wir haben einen sehr großen Anteil an Mitarbeitern, mit denen wir auch die Wirtschaftskrise 2009 erfolgreich bewältigt haben.“ Damals habe man den Stammmitarbeitern versprochen, möglichst keine betriebsbedingten Kündigungen durchzuführen. „Seinerzeit konnten wir dies sicherstellen. Diese Versprechen haben wir aktuell erneuert.“ 

Wie es weiter geht? „Momentan kann niemand in die Glaskugel schauen.“ Die Firma sei marktseitig gut aufgestellt und könne nur die Entwicklung abwarten. Wichtig seien die externen Rahmenbedingungen. Ein Abbruch der Lieferketten oder behördliche Werksschließungen hätten Folgen. An der Runtestraße herrscht aber Optimismus: Aktuell sei das Unternehmen „nicht akut bedroht, es sei denn, die derzeitige Situation wird sich sehr lange hinziehen oder wesentlich verschlechtern“. 

Von der Politik erwarten die Chefs nun die schnelle und unbürokratische Umsetzung der Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft, „damit die Wirtschaftskreisläufe nicht zusammenbrechen“.

Coronavirus in Werl: Tecnamic erst kurz in Werk

Was die Corona-Krise für die erst jüngst in Werl angesiedelte Tecnamic GmbH bedeutet und welche „wirtschaftlichen Verwerfungen“ das mit sich bringt, das trage man gerade zusammen, sagt Geschäftsführer Martin Hammerschmidt. „Wir müssen heute davon ausgehen, dass wir Umsätze im zweistelligen Prozentsatzbereich verlieren werden.“ Das sei aber nur eine grobe Abschätzung aufgrund der Marktentwicklung. „Wir alle wissen, dass es eine solche Situation bisher nicht gab, man auf keine Erfahrungswerte setzen kann und daher eine verlässliche Prognose schwer möglich ist“, sagt Hammerschmidt. 

Am Ende bedeute es aber, dass die Firma sich auf schwierige Zeiten einstellen muss. „Das sie kommen, ist sicher“, so der Geschäftsführer. „Die Frage sei nur, wann genau und wie tief.“ Ein Teil der Tecnamic-Kunden (Landtechnik, Automotive etc.) habe selbst Betriebsschließungen verkündet und/oder habe bei der Werler Firma bereits Umsätze abgemeldet. „Daher müssen wir uns schnellstmöglich krisensicher machen und unser Unternehmen auf die Rückgänge einstellen.“ 

Kurzarbeit bei Tecnamic

Tecnamic hat daher Kurzarbeit angemeldet, um Kündigungen zu vermeiden. „Dieses Instrument wollen und müssen wir nutzen, da keiner weiß, wie lange die Krise dauert und wann es wieder in die andere Richtung geht“, begründet der Chef Martin Hammerschmidt. Die Produktpalette umfasst Kupplungstechnologien und Riementriebe sowie Antriebselemente. 

Die Athex GmbH verzeichnet einen „deutlichen Rückgang des Anfragevolumens und des Auftragseingangs innerhalb der letzten drei Wochen.“ Seit dieser Woche sei es fast zum Erliegen gekommen, sagt Geschäftsführer Hubertus Kaiser. Daher kommt das Unternehmen für Kunststoffrohre, -profile und Bearbeitungsteile an Kurzarbeit nicht vorbei. In der Produktion und Teilen der Verwaltung gelte das bereits in dieser Woche, nächste und übernächste Woche teilweise; einige bestehende Aufträge seien noch abzuarbeiten. 

„Danach befürchte ich eine Ausweitung der Kurzarbeit“, sagt Kaiser. Er fürchtet eine massive Verfehlung des Jahresplans. Liquiditätssicherung habe zurzeit höchste Priorität. Durch das schnelle Umschalten in einen „Überlebensmodus“ sehe er Athex derzeit nicht in der Existenz bedroht. Aber: „Alle werden starke Einbußen erleiden: die Arbeitnehmer durch Kurzarbeit, das Unternehmen durch ein Aufzehren von Kapitalrücklagen und Reserven.“ 

Coronavirus in Werl: Entlassungen nicht auszuschließen

Die Liquiditätserhaltung sei durch weitere Verschuldung noch für einige Zeit gesichert. „Bei einem längeren Anhalten der aktuellen Situation sind auch Entlassungen nicht auszuschließen“, sagt Kaiser. „Wenn sich das aktuelle Szenario in die 2. Jahreshälfte fortsetzt, kann es sehr kritisch werden." 

Die Politik habe viele Maßnahmen beschlossen. „Es gilt jetzt, diese enorm zügige Beschlussfassung in die Realität umzusetzen“, fordert Kaiser. Auf Rückfrage bei Banken sei das Instrument der Liquiditätshilfen im Detail noch gar nicht richtig definiert. „Hier ist Eile geboten.“ Die Maßnahmen zur Kurzarbeit greifen, zumindest die Anmeldung sei unproblematisch gewesen. „Hoffen wir, dass auch die Auszahlungen zügig kommen, weil die Behörden von der Flut der Anträge sicherlich bis ans Limit und darüber hinaus gefordert sind.“

Von A.T.U, Europart, Reality Import GmbH, DreiMeister, Mawick, Werneke, der Neuhaus Lighting Group, der Prinz-Mayweg Gruppe und Hermanussen gab es keine Rückmeldung.

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