Wer einen guten Mann haben will, muss dafür auch Geld in die Hand nehmen.
Auch Thomas Grümme, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, betont die Bedeutung des „strategischen Denkens“ und skizziert die Wunschvorstellung der „Werler Ampel“: Gesucht werde jemand, der Raum- und Stadtplanung aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.
Idealerweise sollte die Kandidatin oder der Kandidat ein Städtebauliches Referendariat abgeschlossen haben. Das sei eine zweijährige Zusatzausbildung nach dem Studium, erläutert Grümme. Das erwartbare Gegenargument gegen einen Beigeordneten seien die höheren Kosten. Doch Grümme findet: „Wer einen guten Mann haben will, muss dafür auch Geld in die Hand nehmen.“
Im Gegensatz zu einem Fachbereichsleiter handelt es sich bei einem Beigeordneten um einen Wahlbeamten. Das heißt, er wird vom Rat der Stadt für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt und muss sich dann erneut dem Votum der Politik stellen. Da Werl bislang keine weiteren Beigeordneten hat, wäre der neue Technische Beigeordnete auch zugleich Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. Ein Beigeordneter verantwortet seinen Zuständigkeitsbereich eigenständig, der Bürgermeister ist im Einzelfall aber weisungsbefugt. Innerhalb seines Geschäftsbereichs hat der Beigeordnete in politischen Sitzungen ein Rederecht, das vom Bürgermeister nicht beschnitten werden darf.
Ähnlich sieht das auch Quint. Werl sei schließlich nicht die einzige Kommune auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Dass die Stelle attraktiver und höher dotiert ist, sei in diesem Konkurrenzkampf durchaus ein Wettbewerbsvorteil. Das Signal „uns ist das Ganze etwas mehr wert“, sei da nicht verkehrt.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Mayela Hiltenkamp sieht in einem Beigeordneten ein „Bindeglied“ zwischen Politik und Verwaltung, sie erhofft sich eine stärkere Einbindung des Rats bei Entscheidungen. Außerdem sieht sie in einem technischen Beigeordneten eine gute Ergänzung zum Bürgermeister. Dieser bringe Sach- und Verwaltungskompetenz mit. Zusammen mit der Entwicklungskompetenz eines „technischen Beigeordneten“ könnte ein „fruchtbarer Dialog“ entstehen.
Ich halte das für eine Verbindung von Tradition und moderner Arbeitswelt, die heute angebracht ist.
Dem pflichtet Schulte bei: Der Bürgermeister sollte einen Beigeordneten nicht als Konkurrenz im eigenen Haus, sondern als befruchtendes Element sehen. Dass sich der Beigeordnete nach acht Jahren einer Wiederwahl stellen muss, stärke zudem das Leistungsprinzip. „Ich halte das für eine Verbindung von Tradition und moderner Arbeitswelt, die heute angebracht ist.“
So wie Hiltenkamp hat Quint die Hoffnung, dass ein Beigeordneter „nah am Rat dran ist“. Es gehe aus Sicht der Politik darum, mitgenommen zu werden. Positiv sieht Quint auch die stärkere Stellung des Beigeordneten im Gesamtgefüge: „Er kann auch mal eine abweichende Meinung äußern, ohne die Sorge vor direkten Konsequenzen haben zu müssen.“ Nicht zuletzt erhoffen sich die drei Fraktionen bei der Wahl eines Beigeordneten mehr Mitbestimmung als bei der Auswahl eines Fachbereichsleiters.
Dass der Antrag nur von drei Fraktionen unterzeichnet ist, macht aber deutlich: Eine Mehrheit ist zurzeit nicht in Sicht. Ohne die Stimmen des fraktionslosen Ratsherren Jürgen Stache, aus der BG oder der CDU wird es für die Ampel-Idee nicht reichen. Quint hofft, dass die Argumente überzeugen: „Wir sind weiter in Gesprächen.“
Bürgermeister Torben Höbrink will die Stelle des Stadtplaners in Kürze ausschreiben – und zwar wie bisher als Fachbereichsleiter. Die politische Diskussion um den Beigeordneten-Antrag will er nicht abwarten, zumal nach einem interfraktionellen Gespräch keine Mehrheit für den Vorstoß in Sicht sei.
„Es gibt einen gültigen Stellenplan, und bei der Wichtigkeit der Stelle will ich nicht sehenden Auges in eine Vakanz laufen“, sagt Höbrink. Der bisherige Fachbereichsleiter Ludger Pöpsel geht Ende März 2023 in Ruhestand.
Bei den Ansprüchen an die Qualifizierung sieht Höbrink keine Unterschiede zu den Vorstellungen von SPD, Grünen und FDP: „Wir suchen eigentlich den Gleichen“, sagt der Bürgermeister. Der neue Fachbereichsleiter sollte die Befähigung für den höheren bautechnischen Verwaltungsdienst mitbringen. Er sollte ein abgeschlossenes Studium der Raum- oder Stadtplanung, des Städtebaus oder der Architektur mit eindeutiger raumplanerischer und städtebaulicher Ausrichtung vorweisen können. Gewünscht sind zudem Berufs- und Führungserfahrung.
Das ist ein Luxus, den man sich leisten können muss. Und da sehe ich uns als Stadt nicht.
Höbrink macht keinen Hehl daraus, dass er der Beigeordneten-Idee nicht viel abgewinnen kann. „Das ist ein Luxus, den man sich leisten können muss. Und da sehe ich uns als Stadt nicht“, sagt der Bürgermeister. Im Vergleich zu einem Fachbereichsleiter könnte ein Beigeordneter jährlich bis zu 25 000 Euro mehr an Besoldung kosten. Hinzu komme das Risiko hoher Pensionsansprüche. Neben den finanziellen sprächen auch organisatorische Gründe gegen eine Beigeordneten-Stelle, so Höbrink.
Sinn ergebe die Stelle eines Technischen Beigeordneten vor allem in Kommunen, die mehrere Beigeordnete haben. In Werl würde der „Technische Beigeordnete“ aber automatisch Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. Der „teure Fachmann“ für Stadtentwicklung wäre somit teilweise durch allgemeine Verwaltungs-Aufgaben wie Haushalt, Vergabe und EDV gebunden.