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Vor 50 Jahren: Werler siegen beim „Spiel ohne Grenzen“

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Für das „Spiel ohne Grenzen“ wurde kräftig geworben.
Für das „Spiel ohne Grenzen“ wurde kräftig geworben. © Privat

Die Spannung steigerte sich von Monat zu Monat, jede Woche, jeden Tag und jede Stunde ein Stückchen mehr, bis die Stimmung schließlich am 20. Mai 1973 – vor 50 Jahren – zum Siedepunkt schnellte. Endlich war es so weit: Das lang erwartete Tele-Turnier „Spiel ohne Grenzen“ mit der damaligen Fernsehlegende Camillo Felgen als umschwärmten Spielleiter stieg, und der Werler Marktplatz glich einem brodelnden Hexenkessel, wie unsere Zeitung schrieb.

Werl – Einige Tausend Besucher verfolgten dort das Geschehen aus nächster Nähe, ein munteres Völkchen drückte die Daumen, Millionen von Zuschauern dürften daheim vor den Fernsehern gesessen haben, um zu erleben, wie sich die Strategen aus der Hellwegstadt im Wettstreit mit der Mannschaft aus Stadthagen im Schaumburger Land schlagen.

Die Werler als Gastgeber setzten von Anfang an auf Sieg – eine gute Taktik, wie sich zeigte. Gelang es der Crew doch, sich in dieser nationalen Vorrunde die Fahrkarte zur großen Eurovisionsshow in Blankenberge in Belgien zu sichern und dort im internationalen Vergleich zu stehen. Das Publikum jauchzte und johlte.

Die live übertragene Unterhaltungssendung gehörte seinerzeit zu den berühmten „Straßenfegern“ im Programm, weil so viele Menschen vor der Flimmerkiste saßen, dass in den Städten oft gähnende Leere herrschte.

Der Anzeiger berichtete am 21. Mai 1973 vom großen Tele-Spiel.
Der Anzeiger berichtete am 21. Mai 1973 vom großen Tele-Spiel. © Köppelmann

Wer sich damals in Werl als Zuschauer einen Platz auf der Tribüne gesichert, sich als Schlachtenbummler ins Getümmel gestürzt oder womöglich selber als wackerer Kämpe seine Geschicklichkeit auf dem Trecker-Parcours, beim Hochrad- Fahren oder Spurt mit dem Tretroller unter Beweis gestellt hat, erinnert sich noch lebhaft an das farbenfrohe Bild im Werler Zentrum, das sich für das Mega-Event in Walt Disneys wundersame Zauberwelt verwandelt hatte. Mit dabei: „Goofy“, „Dagobert“ und „Pluto“. Gemeinsam ging es darum, sowohl auf der Schmierseifenbahn als auch auf Slalom-Strecke und Schwebebalken das Beste zu geben, zu kriechen, zu krabbeln, zu klettern, alle möglichen abstrusen Widrigkeiten zu meistern und dabei möglichst die Nase vorn zu behalten.

In der Berichterstattung unserer Zeitung über den wohl höchst unterhaltsamen Probedurchlauf der bunten Figuren heißt es: „Viel Spaß versprachen sich die Kandidaten schon gestern von den Sieben Zwergen, denn da geht es mit riesigen Pappköpfen durch überdimensionale Betten. Dass sie noch Lachstürme ernten, bevor sie brav in den Betten liegen, dürfte selbstverständlich sein.“

Von einer überwältigenden Vorfreude getragen überließen die Werler bei der Vorbereitung des Spektakels offenbar nichts dem Zufall. Bürgermeisterin Dr. Amalie Rohrer und Stadtdirektor Wilhelm Dirkmann stellten in einem Grußwort heraus, dass sich die Stadt am historischen Hellweg als Austragungsort bestens eignet, weil dort die nationalen Grenzen weitgehend abgebaut seien: „Dafür haben unsere belgischen, kanadischen, englischen und amerikanische Gäste und Freunde gesorgt, ebenso die große Zahl von ausländischen Arbeitskräften, die in unserer Stadt lebt.“

Die Begeisterung muss die Werler damals beflügelt haben, zudem wussten sie Glücksgöttin Fortuna auf ihrer Seite, sodass sie die Spiele als strahlende Sieger entschieden, zwar knapp, aber immerhin. Einen bleibenden Eindruck hinterließ auch der smarte Moderator Camillo Felgen, „Fernseh- und Rundfunkstar aus dem Zwergstaat Luxemburg, telegen braun gebrannt, in salopper Jacke und kariertem Hemd darunter. Ein vielstimmiger Jubel hallte durch die ganze Innenstadt.“

Dabei sein ist alles – dieser olympische Gedanke dürfte die unternehmungslustigem Sportsleute auf beiden Seiten geleitet haben: Westfalen und Niedersachsen schlossen Freundschaft, und auf dem Marktplatz soll es sogar zu ergreifenden Verbrüderungsszenen gekommen sein. Man lag sich in den Armen, bei so viel Herzlichkeit sollen die Stadthäger die Niederlage schnell vergessen haben.

Schwester Margareta Lüttecken, Oberin im Ursulinen-Kloster, sorgten übrigens im Frühjahr 1973 auf besondere Weise für Furore. Sie schrieb im Vorfeld ein Gedicht zum Spiel, die ersten Verse lauten:

„Wisst ihr schon vom Hörensagen? Es kommen Gäste aus Stadthagen in unsere alte Sälzerstadt, wie WDR entschieden hat. Zwei heut’ noch ungekrönte Riegen von dort und hier – sie möchten siegen, zumindest sportlich-heiter glänzen im Fernseh-Wett-Spiel ohne Grenzen. Lasst uns die tapferen Männer loben, die sich gemeldet, die schon proben, wie ihre Nerven reagieren, die jeden Muskelstrang trainieren, die kaum noch trinken, weil Punkte für die Mannschaft winken.“

Mit ihrer poetischen Ader überzeugte auch die Bürgermeisterin, die einige Tage vor dem Start bei einem Besuch in Stadthagen abends in der Festhalle ziemlich frei nach Wilhelm Busch diese Zeilen zum Besten gab: „Wenn einer glaubt, er könnt sich’s sparen, am Zwanzigsten nach Werl zu fahren, er säh das Spiel genauso gut, wenn er zuhaus im Sessel ruht und kauft sich keine Karte mehr, so irrt sich der.“ - Köp.

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