Untreue-Anklage gegen drei Werler

Im millionenschweren Untreue-Fall eines Werler Ex-Geschäftsführers liegt mittlerweile eine zweite Anklage der Staatsanwaltschaft Arnsberg vor. Sie richtet sich aber nicht allein gegen den Geschäftsmann, sondern auch gegen zwei weitere Beschuldigte, die sich der „Beihilfe zur Untreue“ schuldig gemacht haben sollen. Das bestätigt Oberstaatsanwalt Thomas Poggel auf Anfrage.
Werl – Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich dabei um ein Werler Ehepaar, das mit dem Hauptbeschuldigten zusammengearbeitet haben und ihm früher auch freundschaftlich verbunden gewesen sein soll. Mittlerweile haben sich die Beteiligten offenbar überworfen.
Unter anderem soll der Hauptangeklagte die Frau als „Strohfrau“ in einer Drittfirma für unrechtmäßige Firmenkäufe eingesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar vor, dass es über viele strafbare Handlungen des Hauptbeschuldigten als Chef einer großen Firma im Kreis Soest Bescheid gewusst habe, wenn auch nicht in allen Fällen. Die Anklage spricht von Beihilfe zur Untreue in drei beziehungsweise 17 Fällen. Die Frau soll als Geschäftsführerin einer als „Strohfirma“ gegründeten Holding Gelder bekommen und weitergeleitet haben. Ihr wird täterschaftliches Handeln vorgeworfen.
Es geht um 15 Millionen Euro
Gegen den Werler Ex-Geschäftsführer hatte die Staatsanwaltschaft bereits im August eine erste Anklage auf den Weg gebracht (siehe Infokasten).
In beiden Fällen geht es um veruntreute Firmengelder in Millionenhöhe. Insgesamt soll sich die Summe der veruntreuten Gelder auf nahezu 15 Millionen Euro belaufen.
In der zweiten Anklage geht es um den Erwerb von zwei Lieferfirmen aus Süddeutschland und ein verzweigtes System von Geldflüssen ohne ausreichende Sicherheiten, die der Werler zur Verschleierung seiner Taten angewandt haben soll. Man habe es mit einer „komplizierten“ Sachlage zu tun, sagt Oberstaatsanwalt Poggel.
Zunächst sei es 2015 darum gegangen, zwei in Schieflage geraten Lieferfirmen zu stützen; als der Beirat seines Arbeitgebers den Kauf der beiden Unternehmen abgelehnt hatte, soll der Werler auf eigene Faust tätig geworden sein und mit Firmengeldern schließlich über eine Holding jene Betriebe gekauft haben, als sie insolvent waren – ohne dass sein Arbeitgeber das wusste. Eingebunden war beim Kauf jene Werlerin als „Strohfrau“, so der Vorwurf.
Firma spricht von „krimineller Energie“
Dabei soll der Hauptbeschuldigte über verschiedenen Darlehen und Verpfändungen die Transaktionen verschleiert und Unterschriften gefälscht haben, um den Eindruck zu erwecken, seine Firma stütze die Firmenkäufe. All das soll aber gegen die Interessen der Firma als vermeintlich Sicherheit gebende GmbH geschehen sein – und damit den Vorwurf der Untreue erfüllen; an der Drittfirma soll der Beschuldigte privat beteiligt gewesen sein.
Zum Teil soll der Mann aus dem Millionenpaket auch erhebliche Geldbeträge für private Zwecke abgezweigt haben, offenbar eine siebenstellige Summe. Zum Vorwurfs-Katalog gehört neben der Untreue die bewusste Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss, der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte und eine falsche Versicherung an Eides statt.
Die betroffene Firma aus dem Kreis Soest sieht sich als Opfer der Machenschaften und bescheinigt ihrem ehemaligen Geschäftsführer „hohe kriminelle Energie“. Man wolle sich aber aktuell nicht weiter zur Entwicklung äußern. Das Unternehmen hatte nach eigenen Angaben im September 2020 Kenntnis von „finanziellen Unregelmäßigkeiten erhalten“ und in dem Zuge auch eigene Recherchen und juristische Schritte eingeleitet, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Im Zuge der Offenlegung des Ex-Geschäftsführers kamen jene weiteren Vorwürfe der Veruntreuung hinzu, die nun in der zweiten Anklage mündeten. Es gelte aber auch in diesem Fall: Aus Sicht der Firma habe sich ihr Ex-Geschäftsführer „in erheblichem Maße persönlich bereichert“.
Anwalt erwartet einen umfangreichen Prozess
Man habe es „mit zwei umfangreichen Anklagen mit zwei völlig verschiedenen Komplexen zu tun“, sagt Peter Wehn von der Kanzlei „Minoggio Wirtschafts- und Steuerstrafrecht“ auf Anfrage. Der Hammer Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht vertritt den hauptbeschuldigten Werler, der mittlerweile in Dortmund gemeldet und auf freiem Fuß ist. Dass „ein Teil der Tatvorwürfe letztlich stimmen wird“, räumt der Jurist ein.
Aber bezüglich der zweiten Anklage zieht Wehn in Frage, ob tatsächlich ein Schaden entstanden sei und wie hoch er ausfällt. Letztlich habe sein Mandant im Interesse seines Unternehmens gehandelt und nicht zum wirtschaftlichen Nachteil seiner Firma, da es um die Sicherung von Lieferbetrieben gegangen sei. Laut Ankläger gibt es zwar auch den strafbaren „Gefährdungsschaden“, also allein auf die Gefahr eines möglichen Schadens hin betrachtet. „Aber das wird schwierig zu berechnen“, sagt Wehn. Der Anwalt erwartet einen umfangreichen Prozess.
Die Verteidigung, die die der Beihilfe beschuldigten Werler vertritt, zeigt sich hingegen davon überzeugt, „dass die Vorwürfe haltlos sind“. Das Paar sei unverschuldet in den Fokus der Ermittler geraten und habe „nichts erlangt außer einer Menge Ärger“. Vor allem, so eine Juristin, habe das Ehepaar kein Geld erhalten und „in keinster Weise profitiert“.
Zu erwarten ist, dass die Verteidiger dem Unternehmen des ehemaligen Geschäftsführers zumindest unzureichende Kontrolle vorhalten werden. Für die Taten soll sich das Trio vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Arnsberg verantworten müssen. Dass die Verfahren zugelassen werden, gilt als sicher. Der Auftakt wird nicht vor Sommer sein. Dem Hauptbeschuldigten droht nach Einschätzung aus Juristenkreisen eine mehrjährige Haftstrafe.
Vorwurf der ersten Anklage: 7,5 Millionen Euro Firmengeld privat genutzt
Im August hatte die Staatsanwaltschaft Arnsberg eine erste Anklage gegen den Werler Ex-Firmenchef erhoben, wegen Untreue in zwei Fällen sowie Urkundenfälschung in vier Fällen in Tateinheit mit „unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss“. Allein in jenem Verfahren ging es um 7,5 Millionen Euro.
Der Mann soll Gelder aus seiner damaligen Firma aus dem Kreis Soest gezogen, sie ohne deren Wissen auf ein Treuhandkonto gelenkt und dann an private Beteiligungsgesellschaften weitergeleitet haben. An denen soll er selber beteiligt gewesen sein und damit auch Zugriff auf die Gelder gehabt haben. Die Gelder des Firmenkontos soll er privat genutzt haben, unter anderem für den Kauf von Immobilien. An einer privaten Beteiligungsgesellschaft soll ein weiterer Werler beteiligt gewesen sein.
Auch zu diesem Komplex gab es daher Ermittlungen gegen das zuvor mit dem Beschuldigten befreundete Werler Paar; in diesem Fall aber waren sie eingestellt worden. Das Firmenkonto mit den 7,5 Millionen Euro soll seit 2012 geführt worden sein. 2020 flog die Sache auf, als der Mann sich unter zunehmendem Druck der Entdeckung dem Arbeitgeber gegenüber offenbart hatte. Zum Teil sind diese Vorwürfe bereits verjährt, die Veruntreuung von letztlich einer Million Euro ist angeklagt.
Das Unternehmen hat die Summen bereits abgeschrieben, da es mit einer Rückzahlung in voller Höhe nicht rechnet. Es schlossen sich interne Ermittlungen der Firma gegen den Ex-Geschäftsführer an, dabei kam es auch zu weiteren Erkenntnissen bezüglich der unabgestimmten Firmenkäufe. Im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatte es im Juni 2021 mehrere Durchsuchungen gegeben, auch in Werl. Dabei wurden Datenträger als Beweise sichergestellt. Im Oktober 2021 hatte unsere Zeitung die Vorgänge öffentlich gemacht.