Trompetensolo zum Abschied: Ukrainischer Schüler verlässt Werl, um seinen Traum zu leben

Martyn Badzay flüchtete kurz nach Beginn des Krieges mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland. Nun steht der 15-Jährige am Donnerstagmorgen auf dem Schulhof des Marien-Gymnasiums umringt von seinen Mitschülern und spielt auf der Trompete „What a wonderful world“ – „Was für eine wundervolle Welt“.
Werl – Es regnet, einige Zuhörer haben glasige Augen und schlucken. Martyns Trompetensolo sagt in diesem Moment so viel mehr als Worte.
Martyn wollte mit dem kleinen Konzert seinen Mitschülern und Lehrern Lebewohl sagen und für die Unterstützung in den zurückliegenden Monaten danken. Er wird das Marien-Gymnasium und Werl verlassen, um seinen Traum zu leben. Martyn hat eine Zusage von der „Musication – Berufsfachschule für Musik“ in Nürnberg erhalten und will später als Berufsmusiker Geld verdienen.
Ein Traum inmitten eines Albtraums
Ein Traum inmitten eines Albtraums. Schließlich wären Martyn, seine Eltern und seine beiden Brüder ohne den russischen Angriffskrieg wohl nie in Werl gelandet. Der Rest der Familie lebt noch in Lwiw. Im Sommer war er einige Tage dort, auch Weihnachten und Neujahr möchte Martyn im Westen der Ukraine verbringen. Ob und wann es für ihn dauerhaft zurück in die Heimat geht, bleibt ungewiss. Seine Eltern und Geschwister werden zunächst im ehemaligen Franziskaner-Kloster in Werl wohnen bleiben. Noch ist ihnen die Lage in der Ukraine zu unsicher. Martyn wird in Nürnberg bei einer Gastfamilie wohnen.
Ich fand es wichtig, dass es diesen Moment des Abschieds gibt.
Die Idee für das Schulhof-Konzert hatte Lehrer Marco Hagedorn. Er kümmert sich am MG um die ukrainischen Schüler. Martyn habe zuletzt nicht viel Zeit mit seinen Klassenkameraden am MG verbringen können, habe viel Energie in den Online-Unterricht in der Ukraine investiert, um dort seinen Abschluss zu schaffen.
Außerdem habe er sich auf die Musik und das Erlernen der deutschen Sprache konzentriert, erläuterte Hagedorn. „Aber ich fand es wichtig, dass es diesen Moment des Abschieds gibt. Zwischen Martyn und den Mitschülern ist eine Beziehung gewachsen, sie waren füreinander da.“
Martyn musste er nicht lange überzeugen: „Warum nicht? Coole Idee!“ Warum er „What a wonderful world“ gespielt hat? „Louis Armstrong ist mein Lieblings-Trompeter.“ Es folgten Hallelujah von Leonard Cohen und eine kurze Jazz-Improvisation. Denn Improvisieren, das sei genau sein Ding. Auch Martyn war von der Situation hörbar ergriffen, traf nicht jeden Ton, dafür aber mitten ins Herz seiner Zuhörer. Das Konzert endete mit viel Applaus und herzlichen Umarmungen.
Wir können ihnen ihre Heimat, die sie schmerzlich vermissen, nicht ersetzen. Aber wir sind bemüht, ihnen bei uns eine geistige Heimat zu geben.
Schulleiter Michael Prünte weiß um die besondere Situation, in der sich die ukrainischen Kinder und Jugendlichen befinden: „Wir können ihnen ihre Heimat, die sie schmerzlich vermissen, nicht ersetzen. Aber wir sind bemüht, ihnen bei uns eine geistige Heimat zu geben.“ Die Schüler sollen sich wertgeschätzt und willkommen fühlen, Zuspruch, Trost und Unterstützung finden. Und nicht zuletzt wolle man ihnen auch neue sprachliche Kompetenzen vermitteln.
Prünte lobte „das Herzblut“, mit dem sich Betreuungslehrer Hagedorn für die Flüchtlinge engagiere. Außerdem erwähnte er die gute Kooperation mit dem Wallfahrtsteam, das sich persönlich für die Familie eingesetzt habe.
Martyn will sich in Nürnberg weiter entwickeln
Martyn will nun die Chance nutzen, um sich in Nürnberg menschlich, sprachlich und vor allem musikalisch weiter zu entwickeln. Neben Trompete werde er dort auch noch Bass-Gitarre und Klavier lernen – das Instrument, das auch Mutter Mariana spielt, mit der er in der Basilika schon ein Konzert gegeben hat.
Werl, das MG und seine Mitschüler werde er vermissen, sagt Martyn. „Ich habe hier neue Freunde gefunden.“ Ganz abreißen wird die Verbindung zur Wallfahrtsstadt ohnehin nicht. Schließlich bleibt seine Familie vorerst hier wohnen. Und sein kleiner Bruder Filaret (11) besucht weiter das MG.