Übergriffe beim Langzeitausgang: JVA-Insasse soll Frau verletzt haben

Ein Sicherungsverwahrter der Justizvollzugsanstalt Werl soll sich bei einem Langzeitausgang in Bochum an einer Frau vergriffen haben. Vorgeworfen werden ihm eine gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung.
Werl/Bochum – Das teilt die Werler JVA auf Anfrage unserer Redaktion mit. Passiert sein soll das schon am 9. November des Vorjahrs. Allerdings hatte die Anstalt den Vorgang nicht öffentlich gemacht, zumal die JVA „über keine eigenen Erkenntnisse zum Tatgeschehen verfüge“, sagt Anstaltssprecherin Verona Voigt.
JVA informierte nicht
Das Justizministerium in Düsseldorf sei aber über den Vorfall „unmittelbar informiert worden“. Richtig ist, dass das Land eine aktuelle „Übersicht der berichtspflichtigen Ereignisse im Strafvollzug in NRW im Jahr 2022“ aufgestellt hat, über die der Rechtsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen am 18. Januar informiert worden ist. Darin tauchte tatsächlich ein Vorfall mit einem Werler Sicherungsverwahrten am 9. November auf. Dabei war von einem „Verdacht der Begehung von Straftaten während vollzugsöffnender Maßnahmen“ die Rede. Allerdings hatte es auch Ende November einen Vorfall mit einem Mann aus der Sicherungsverwahrung (SV) gegeben, über den unsere Zeitung – damals ebenfalls erst auf gezielte Anfrage – berichtet hatte (siehe Infokasten). Der wiederum war aber im Bericht des Landes an den NRW-Rechtsausschuss nicht aufgetaucht.
„Zwei Vorkommnisse“
Bei der neuerlichen Nachfrage berichtet die JVA Werl nun von „zwei verschiedenen Vorkommnissen im November 2022“, jeweils mit Sicherungsverwahrten. Ein Vorfall betrifft jenen 9. November und den „Verdacht der Begehung einer Straftat“: Ein Sicherungsverwahrter soll demnach während eines Langzeitausgangs in seiner Wohnung in Bochum straffällig geworden sein. Opfer soll eine Frau sein, die der Mann zuvor in einer Gaststätte kennengelernt und in seiner Wohnung übernachten lassen hat. Zum im Raum stehenden Vorwurf einer gefährlichen Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung habe die JVA allerdings keine eigenen Informationen, weil der Mann ohne Begleitung von Bediensteten unterwegs war. „Gegen den Beschuldigten ist zwischenzeitlich durch die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage erhoben worden“, sagt Verona Voigt. Der Beschuldigte habe die Tatvorwürfe allerdings bestritten.
In Haft wegen räuberischer Erpressung
Der Sicherungsverwahrte sei wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Darüber hinaus sei in dem Urteil die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, erläutert die Sprecherin. Und sie zeichnet auch die Lockerungen nach, die der Mann vor der vermeintlichen Tat erfahren hat: Demnach habe der Untergebrachte in der Vergangenheit zunächst acht Ausführungen „beanstandungsfrei absolviert“.
Seit Mitte 2021 hatte der Untergebrachte zehn Ausgänge und seit Februar 2022 vier Langzeitausgänge beanstandungsfrei absolviert.
Ab 2019 seien ihm dann 15 Begleitausgänge gewährt worden, ohne dass es zu Auffälligkeiten gekommen sei. „Seit Mitte 2021 hatte der Untergebrachte zehn Ausgänge und seit Februar 2022 vier Langzeitausgänge beanstandungsfrei absolviert“, berichtet die JVA-Sprecherin. Zuletzt habe sich der Untergebrachte ein zweites Mal in einem Langzeitausgang zur Entlassungsvorbereitung befunden.
JVA hat nach Vorfall Lockerung widerrufen
„Der Langzeitausgang wurde nach dem Ereignis vom 9. November unmittelbar widerrufen“, sagt Voigt. Wie in solchen Fällen üblich sei der Langzeitausgang intensiv vorbereitet worden, „zudem bestand während des Langzeitausgangs fortlaufend Kontakt zum Untergebrachten“. Die Lockerungsmaßnahme sei „durch verschiedenste Weisungen flankiert“ worden.
In der JVA Werl sind alle Sicherungsverwahrten des Landes NRW zentral untergebracht. Dazu gibt es ein eigenes Haus innerhalb der Anstaltsmauern, da SV und Strafhaft deutlich voreinander getrennt sein müssen. Denn SVer haben ihre Strafe bereits abgesessen, gelten aber nach der Haft als zu gefährlich, um sie in die Freiheit zu entlassen. Da sie nicht mehr für ihre Tat büßen müssen, sind sie in vielen Bereichen – zum Beispiel der Unterkunft – besser gestellt als Häftlinge. Aber ebenso wie Strafgefangene sind SVer eben nicht frei.
Fall 2: Betäubungsmittel unter der Kloschüssel
Ein weiteres Vorkommnis mit einem Sicherungsverwahrten der JVA Werl außerhalb der Anstalt betrifft den 25. November. Da habe es laut Verona Voigt „Auffälligkeiten während einer Ausführung“ gegeben: An jenem Tag sei ein in der Sicherungsverwahrung Untergebrachter zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit in Begleitung von zwei Bediensteten in das Stadtgebiet von Werl ausgeführt worden. „Im Verlauf der Ausführung bat er darum, eine Toilette aufsuchen zu dürfen.“ Einer der ausführenden Bediensteten habe das Klo aber zuerst aufgesucht, um es zu überprüfen. „Im Rahmen der Überprüfung fiel dem Bediensteten ein Gegenstand auf, der unter der Toilettenschüssel angeklebt war“, berichtet die JVA-Sprecherin. Der Gegenstand sei von dem Bediensteten sichergestellt worden: Es habe sich um zahlreiche weiße Tabletten gehandelt. „Da der Verdacht bestand, dass es sich um Betäubungsmittel handelte, die dem Untergebrachten gezielt zugänglich gemacht werden sollten, wurde die Polizei hinzugezogen, die Ausführung abgebrochen und der Untergebrachte durch den Fahrdienst der Anstalt wieder zurück in die JVA gebracht.“ Zu jenem Vorfall habe die Anstalt „unmittelbare eigene Erkenntnisse durch unsere Bediensteten“. Was der versuchte Schmuggel für Folgen für den SVer haben wird, ist noch unklar.