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1000 Tonnen Altlasten in Baugrube: Stadt zahlt Schadensersatz an Firma

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Von: Gerald Bus

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Gewerbegebiet Hansaring mit Baustelle, Werl, Soester Boerde, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Auf dem Gelände, wo die neue Kulle-Halle gebaut worden ist, fanden sich Altlasten-Massen, die die Stadt nun teuer zu stehen kommen.  © Hans Blossey

„Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, sagt der Volksmund. In diesem Fall grub Logistiker Kulle die Grube zwar für den Eigenbedarf: zur Expansion – ein Reinfall war es trotzdem für den Unternehmer. Er stieß auf massenhaft Altlasten. Wenigstens zieht ihn das nicht nun auch noch finanziell in die Tiefe.

Werl – Denn der Aufsichtsrat der Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung (GWS) hat in dieser Woche einstimmig beschlossen, Schadensersatz an Kulle zu zahlen. Das bestätigt GWS-Chef Adrian Gruschka auf Anfrage. Zahlen will er zwar nicht nennen, dem Vernehmen nach handelt es sich aber um einen niedrigen sechsstelligen Euro-Bereich.

Baustelle ruhte nach brisantem Fund

Damit stelle sich die GWS ihrer Verantwortung, das Areal an der Belgischen Straße an Kulle verkauft zu haben. Zwar sei das im festen Glauben geschehen, dass das Militärgelände wie vor über 20 Jahren vertraglich vereinbart von allen Altlasten gereinigt worden und damit sauber ist.

Dass das aber letztlich zum Schrecken aller Beteiligten nicht so war, damit könne man nun nicht den Käufer, die Kulle Logistik GmbH, alleine lassen. Diese Auffassung hatte Gruschka schon unmittelbar nach dem Fund der Altlasten-Massen vertreten, als Kulle den Erweiterungsbau startete und die Baustelle danach drei Monate lang ruhen lassen musste.

Da stehen wir in der Verantwortung, wir haben belasteten Boden verkauft, auch wenn das vor so langer Zeit passiert ist

Adrian Gruschka, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung

„Da stehen wir in der Verantwortung, wir haben belasteten Boden verkauft, auch wenn das vor so langer Zeit passiert ist“, sagt der GWS-Chef. Es handele sich um ein offensichtliches Versäumnis der Vergangenheit, für das die Stadt auch für ihre Reputation gerade zu stehen hat.

Maß der Altlasten „über alle Grenzen“

Denn klar ist: Sauber war nichts an der Grube. Dass es sich dabei nur um ein Versehen gehandelt hat, glaubt die GWS nicht. „Dafür ist die Menge zu groß.“ Eher bleibt der Eindruck, dass auf dem Baugrund einst Altlasten gesammelt und dann mit einer Erdschicht einfach verscharrt worden sind. Eine Masse, „die über alle Grenzen hinausgeht“, wie Gruschka sagt. Asbesthaltige Auffüllungen fanden sich ebenso wie teerhaltige Materialien und Baustoffe, Schlacke, Gleisbettreste, Fundamentreste, Metallreste. Auf über 1 000 Tonnen summierte sich der „gefährliche Mix“.

Stadt ist der Vorfall „unangenehm“

Zwei Gutachter waren mit der Aufarbeitung des Falles befasst, einer von der GWS und einer von Kulle beauftragt. Über die Expertise ließ sich der GWS-Aufsichtsrat nun informieren; dabei wurden auch Zahlen genannt, die Kulle unberechtigterweise mehr ausgeben musste für die nicht absehbare Säuberung des Areals auf dem KonWerl-Areal. Dass der Unternehmer nur die Mehrkosten der Entsorgung ersetzt haben wollte, ansonsten viele Kosten selber trug, rechnet Gruschka dem Firmenchef hoch an. „Er hat konstruktiv mitgearbeitet“, lobt er – und räumt ein, dass der GWS der Vorfall „unangenehm“ sei.

Rund eine Million Quadratmeter Fläche galt es damals zu säubern

Rund eine Million Quadratmeter Fläche galt es damals nach der Aufgabe der Militärfläche aufzubereiten und von Altasten zu befreien. Dass es die ein oder andere kleine Stelle geben könnte, die die Beprobungen nicht erfasst haben, sei immer erwartbar gewesen, sagt Gruschka. Da stehe die Wirtschaftsförderung als Verkäufer der Parzellen bereit, bei der Beseitigung zur Seite zu stehen. Aber dass ein so großes verseuchtes Feld zutage treten würde, habe man zunächst gar nicht glauben können.

Stadt prüft Klage gegen Firma

Da von einer womöglich bewussten Vertuschung auszugehen ist, wird die GWS versuchen, sich den Schadensersatz vom Verursacher zurückzuholen. Ob Projektsteuerer, Bauleiter oder ausführende Baufirma: Irgendjemand ist für die Verklappung verantwortlich. Und den will die Stadt zur Rechenschaft ziehen. „Denn es gab eine klar definierte Ausschreibung und Auftrag.“ Dass dagegen verstoßen wurde, sei offensichtlich. Rund 60 Lkw-Ladungen verseuchter Boden musste separiert zur Sonderdeponie gebracht werden.

Die GWS hatte jene Firma, die Ende der 1990er Jahre das Areal zur Gewerbenutzung hergerichtet hatte, schon 2022 angeschrieben. Die Firma aus Norddeutschland hatte danach über einen Anwalt wissen lassen, sie warte das Gutachten ab. Nun, wo es vorliegt, leitet die GWS weitere Schritte ein: „Wir klären, was juristisch zu machen ist.“

Das sagt Unternehmer Kulle

Der Logistiker ist erleichtert über die Schadensersatz-Zahlung: „Dass die Stadt die Mehrkosten in erheblichem Umfang erstattet, freut und hilft uns“, sagt Firmenchef Torsten Kulle auf Anfrage. „Das entspricht der bisher wahrgenommenen guten Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung und der Stadt, die uns immer geholfen hat.“ Auch nach dem Altlastenfund habe es keinen Konflikt mit der GWS gegeben, da schon früh Unterstützung zugesagt worden sei. Dass das nun so auch kommt, sei umso erfreulicher – und wortwörtlich entlastend.

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