Tattoos: Die Farben Grün und Blau stehen vor Verbot

Erst Corona und – immer noch – drohender Farbverlust: Die Pläne der EU, ab dem 1. Januar 2023 die Farben Grün und Blau zu verbieten, beunruhigen den Werler Tattoo-Künstler Andreas „Winz“ Stephan. „Bisher ist kein Ersatz in Sicht“, weiß der selbst ernannte „Kunsthandwerker an der Tattoo-Maschine“, der seit gut 20 Jahren seine überwiegend bunten Motive auf der Haut seiner Kunden verewigt.
Werl – Würden die beiden Farben tatsächlich verboten, fielen „68 Prozent aller Mischfarben weg.“ Das sage schon die Farblehre. Stephan ärgert sich über das drohende Verbot. „Der Tattoo-Branche liegen keine Kundenbeschwerden vor“ und erst jetzt sei eine Langzeit-Studie an der Berliner Charité gestartet, die untersucht, wie viele Pigmente in der Haut bleiben.
„Wir werden bei den Farben von der EU wie die Kosmetikindustrie eingestuft. Dabei sollen kosmetische Farben leicht zu entfernen sein, während unsere Farben dauerhaft halten sollen.“ Das kann er nicht nachvollziehen.
Bereits 2021 waren die Dienstleister mit der Nadel alarmiert: Hatte doch die EU angekündigt, zum 1. Januar 2022 beinahe alle Tattoofarben zu verbieten – damals wegen darin enthaltener Konservierungs- und Bindemittel, die unter Verdacht stehen, Krebs zu erregen oder anderweitig gesundheitsschädlich zu sein. Nur Schwarz, Weiß und Grau wären dann noch übrig geblieben. Andreas „Winz“ Stephan war damals nicht gut zu sprechen auf die Hersteller der Farben, denn „die Tattoo-Industrie,“ sagte er damals, „hat schlichtweg geschlafen.“
„Die haben gewartet, bis es nicht mehr ging“
Das Damokles-Schwert der gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffe schwebte schon seit geraumer Zeit über der Branche. „Die haben gewartet, bis es nicht mehr ging“ – und dann nach und nach neue Farben auf den Markt gebracht, die den neuen sogenannten REACH-Anforderungen der EU entsprechen. Inzwischen verfügt Stephan wieder über die ganze Farbpalette und kann die Wünsche der Kunden nach bunten Bildern befriedigen. Die REACH-Farben seien zwar etwas teurer, würden sich aber gut verarbeiten lassen und seien intensiv. Ob sie auch haltbar sind, werde die Zeit zeigen.
Kundin Anna Spekker geht das Risiko ein. Sie hat großformatige Rosen auf dem linken Unterarm. Heute ist die junge Frau in Stephans „Tattooschmiede“ gekommen, um sich weitere Rosen stechen zu lassen – diesmal soll der Rücken verziert werden. „Ich habe noch nie gesundheitliche Probleme gehabt nach den Tätowierungen“, sagt sie auf Nachfrage. Ihre Tattoos sind schon ein paar Jahre alt. Es dominieren die Farben Rot und Grün. Grün und Blau stehen jetzt auf der Verbotsliste für 2023 – wegen der Farbpigmente, die sie enthalten und die der EU suspekt sind.
Eine Rose ohne Grün?
Eine Rose ohne den Farbton Grün kann sie sich nicht vorstellen. Insofern findet sie die drohenden Einschränkungen erst einmal „blöd“ und sagt „es ist meine Sache“, räumt aber ein, „die werden schon ihre Gründe haben, insofern äußere ich mich dazu ungern, da ich die nicht kenne.“
Der Werler Tattoo-Schmied widerspricht ihr: „Es ist nicht nur Sache der Kunden. Wir Tätowierer haben einen Ehrenkodex, arbeiten mit hohem hygienischen Aufwand und wollen auch saubere Farben verarbeiten.“ Bei seiner Nadelkunst hat er keine Bedenken, aber Piercings macht er kaum noch. Allzu oft habe es Entzündungen gegeben, auf die er keinen Einfluss habe. „Es reicht ja, wenn die erst an die Türklinke und sich dann ans Ohr greifen“, beschreibt er die Problematik.
Was das drohende Farbverbot von Grün und Blau anbetrifft, wartet der 52-Jährige einfach ab. Er persönlich arbeitet auch gerne nur in Schwarz und sticht es in allen Stilrichtungen.
Kundin Anna Spekker möchte zur Einstimmung erst einmal einen Kaffee trinken – ein bisschen wie beim Friseur. „Ja, Tattoos sind teurer geworden“, sagt sie, findet das aber gerechtfertigt: „Tattoos sind Luxus. Der Tätowierer muss Pflegemittel und Hygieneartikel verwenden. Die sind ja auch teurer geworden.“ Andreas „Winz“ Stephan führt auch noch den Zeitaufwand und die höheren Strom- und Heizkosten an. Seine Kundin hat Verständnis und ergänzt: „Das ist ein Handwerk und gute Handwerker kosten Geld. Das Tattoo soll ewig halten. Da muss man schon etwas investieren.“