Dabei war die Frage: Was wiegt schwerer? Das Recht des Einzelnen, sein Grundstück um ein Haus im Garten zu erweitern? Oder das Recht der Nachbarn, die keine Bebauung im Garten wollen, auch nicht beim Nachbarn?
„Wir als CDU stehen zur Hinterlandbebauung“, sagte Karl-Wilhelm Westervoß. Es sei nun mal so, dass Kinder von Hausbesitzern im Umfeld bleiben, ein eigenes Heim errichten wollen. Die Christdemokraten wollen eine nach innen wachsende Verdichtung. Und irgendwann würden wohl die Nachbarn doch bauen wollen. Dass es Probleme mit einem städtischen Kanal gibt, der vier der sechs Gärten quert, sei „regelbar“, sagte Westervoß.
Die Situation sei zwar unbefriedigend, sagte Sascha Quint (SPD). „Aber wir fangen doch jetzt nicht an, gegen die Eigentümer zu planen.“ Über deren Köpfe hinweg „auf Biegen und Brechen, das wollen wir nicht.“
Sicher seien die Nachbarn nicht einig, räumte Klaus Eifler (CDU) ein. Aber dem einen Bauwilligen wolle man die Möglichkeit geben. „Es gibt Menschen, die wollen, dass die nächste Generation da bauen kann.“
Die Grünen zeigten sich überrascht – und uneinig. „Das Vorhalten von potenziellen Bauflächen hat die CDU der Stadt jahrzehntelang eingebrockt“, sagte Reinhard Scheer. Wenn nur einer bauen wolle, es bei anderen Grundstücken gar Probleme mit dem Wegerecht gebe, dann sei die Vorlage der Verwaltung – den Weg zum B-Plan aufzugeben – zielführend. Sonst schaffe man eine Fläche, „die uns woanders hindert“. Sein Kollege Uwe Jansen sah das anders: Die Nicht-Bauwilligen könnten ihre Gärten ja behalten. „Nur der, der bauen will, kann das machen.“
Bauflächen unter bestimmten Größen würden gar nicht in den Bauflächen-Pool einberechnet, warf Gerd Petermann (CDU) ein. Womöglich könne man den Geltungsbereich verkleinern auf weniger Grundstücke und die außen vor lassen, die nicht wollen. „Wenn das Maximum nicht geht, kann man das Baufeld reduzieren.“
Natürlich werde niemand zum Bau gezwungen. Flächen ab 2 000 Quadratmetern gehen in die Reserveflächenbilanz, das sei in diesem Fall so, sagte Stadtplaner Pöpsel. Die Gesamtfläche zu reduzieren widerspreche einer geordneten Stadtplanung. „Ich mache ungern eine Briefmarkenplanung“, sagte Pöpsel. Auch er sei ein Freund der Nachverdichtung, sehe in diesem Fall aber keine Möglichkeiten. Uwe Jansen (Grüne) warb dafür, zu warten, bis die Nachverdichtung im Quartier kommt. „Denn mit einem Flickenteppich tun wir uns langfristig keinen Gefallen.“
Wenn einer bauen will und fünf nicht, verschwende die Stadt Flächen, kritisierte Thomas Grümme (SPD). „Wir weisen x-tausend Quadratmeter Bauland aus, die wir nicht bebauen können – das ist nicht nachvollziehbar. Warum soll man dem Einen nach dem Mund reden?“ Lieber solle die Stadt Bauland dort anbieten, wo auch gebaut werden kann.
Marcel Westervoß (CDU) drehte den Spieß herum: „Wenn fünf nicht wollen und einer darunter leidet, ist das schwierig.“ Nachverdichtung bleibe ein Thema der folgenden Generation bei Grundstücken mit Großgärten. Nun das Verfahren für den Bebauungsplan wieder einzukassieren, hätte „Außenwirkung für die Zukunft“ und für kleine Ortsteile Signalwirkung.
Und es sei eben das „falsche Signal“, ergänzte Eifler, wenn die Stadt Nachverdichtung nicht zulasse. Wenn es einen ernsthaften Bewerber am Beringweg gebe, gehe es nicht darum, ihm nach dem Mund zu reden, sondern das Ziel zu verfolgen. „Wir sollten Kindern die Möglichkeit geben, auf dem Grundstück der Eltern zu bauen.“ Am Beringweg und anderswo.
Wir sollten Kindern die Möglichkeit geben, auf dem Grundstück der Eltern zu bauen.
Angelika Schritt (SPD) erinnerte an zehn Bürger, die sich gegen die Bebauung im Garten ausgesprochen hatten (Infokasten). „Die ignorieren wir einfach alle?“ Von Einzelinteressen, entgegnete Pöpsel, dürfe sich die Stadt allerdings nicht leiten lassen. Die unterschiedlichen Belange seien vielmehr abzuwägen.
„Wenn wir für einige Bürger die Aussicht im Garten erhalten und der Nachbar darf nicht bauen, werden wir beliebig“, warnte Eifler. „Und wir haben hier noch nie entschieden, weil eine Mehrheit der Bürger dagegen war.“ Man dürfe Bürger nicht gegeneinander ausspielen.
Hier geht es um das Hab und Gut von Menschen. Fünf von sechs wollen das nicht – und wir zwingen ihnen das auf?
„Aber hier geht es um das Hab und Gut von Menschen“, entgegnete Quint. „Fünf von sechs wollen das nicht – und wir zwingen ihnen das auf?“ Der SPD-Mann warnte davor, „gegen die Interessen der Menschen zu entscheiden.“ Einem Bauwilligen etwas zu verwehren sei aber auch nicht richtig, entgegnete Karl-Wilhelm Westervoß.
Pöpsel kündigte an, dass beim Fortgang des Verfahrens nun Artenschutzgutachten kommen müssen, auch ein Umweltbericht.
Nachdem ein Eigentümer am Beringweg die Errichtung eines Wohnhauses im Garten seines Grundstücks geplant und das bei der Stadt angefragt hatte, hat sich die Verwaltung zunächst für die Aufstellung eines Bebauungsplanes ausgesprochen, „aufgrund der Ziele der Stadt Werl zur Wohnraumbeschaffung“ und im Sinne des Freiraumschutzes. Im Juni 2020 wurde das Verfahren eingeleitet, die Öffentlichkeit Anfang 2022 beteiligt. Dort protestierten die übrigen Grundstückseigentümer in einem gemeinsamen Schreiben; sie hätten kein Interesse an der Erstellung eines Bebauungsplans. „Hätte der Neubesitzer vorab mit den betroffenen Nachbarn Kontakt aufgenommen, hätte er erfahren können, dass wir (...) eine Hinterlandbebauung auf unseren jeweiligen Grundstücken ablehnen“, heißt es in dem Schreiben. Man stimme „grundsätzlich einer Umwandlung von Gartenland in Bauland nicht zu“. Dazu gebe es keine städtebauliche Notwendigkeit. Und: „Die Wohnbebauung in zweiter Reihe vernichtet über 60 Jahre ökologisch-gewachsene Gartenbereiche mit alten Baumbeständen.“ Der breite Grüngürtel diene der Biodiversität, der ökologische Wert der Gärten werde durchschnitten. Um diese grünen Inseln herum gebe es viel Verdichtung durch Schulbauten. „10 bis 12 zweistöckige Wohneinheiten mit vermutlich 20 Anlieger-Autos (...) bedeuten für uns eine deutliche Senkung unserer Wohn- und Lebensqualität, verbunden mit einer Wertminderung unseres Eigentums“. Es gehe um den Bestandsschutz der Wohnanlagen – und nicht zuletzt um eine drohende höhere Grundsteuer. Erste Pläne sahen vor, Einzel- und Doppelhäuser zuzulassen. Die Zahl der Wohnungen je Haus sollten auf zwei Einheiten begrenzt, die Grundstücke vom Beringweg aus erschlossen werden. Ohne Bebauungsplan aber geht nichts.