Schwere Zeiten für den Reitverein

Schulden, Investitionsstau und Mitgliederschwund gehen an die Substanz.
Werl – Der Zucht-, Reit- und Fahrverein Werl besteht seit bald 100 Jahren – gegründet wurde er 1925. Ob dieses Jubiläum noch gefeiert werden kann, steht derzeit in den Sternen: Der Verein hat Schulden im hohen fünfstelligen Bereich. „Altschulden“, betont Vorstandsmitglied Jochen Werkmüller, der davon ausgeht, dass dieser Umstand nicht existenzbedrohend ist. „Die Halle ist mehr wert als das, und wir retten jetzt, was zu retten ist“, sagt er und beklagt gleichzeitig, dass es nur wenige Mitglieder gibt, die aktiv mitmachen: „Zur außerordentlichen Versammlung sind nur 18 Mitglieder gekommen. Es galt, einen neuen Vorstand zu wählen, weil die letzte Wahl wegen eines Formfehlers wiederholt werden musste.“
Verein bietet keine Dienstleistungen an
Bedrohlich ist, dass dem Verein die Mitglieder in Scharen weglaufen. Etwa 50 gibt es noch. Vor zwei Jahren waren es noch 130. Die Abtrünnigen berichten von Investitionsstau, mangelnder Perspektive und drohender Insolvenz. Ein langjähriges ehemaliges Mitglied, das anonym bleiben möchte, glaubt, dass der Niedergang schon vor etwa zehn Jahren begann. „Die meisten Kinder besuchen inzwischen eine Ganztagsschule und können nachmittags nicht zum Reiten kommen.“ Wegen ausbleibender Reitschüler wurde bereits vor sieben Jahren die Reitlehrerin entlassen, wurden die Schulpferde abgeschafft.
Der Verein, der über den einzigen Kutschfahrplatz im Kreis Soest verfügt, hat kaum noch Pferde in den Boxen stehen. Diese werden nämlich nicht mehr von Personal versorgt, sondern von den Besitzern selbst: „Sie müssen selbst füttern, Boxen ausmisten und sich darum kümmern, dass ihre Pferde rausgestellt werden. Mehr noch: Sie müssen auch selbst Futter und Einstreu für ihre Tiere einkaufen“, berichtet das ehemalige Mitglied.
Letzte Pächter sind schon wieder weg
Jochen Werkmüller, wiedergewähltes Vorstandsmitglied, bestätigt das. „Als Verein dürfen wir keine Dienstleistungen anbieten. Wenn wir es tun, müssen wir 19 Prozent Umsatzsteuer darauf zahlen. Deswegen haben wir zuletzt mit Pächtern zusammengearbeitet, aber mit denen haben wir schlechte Erfahrungen gemacht, deswegen wollen wir keine neuen.“
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass man solvente Reiter oder Fahrer mit diesem Haltungskonzept eher abschreckt. Wer über genügend Geld verfügt, wünscht sich eher Vollpension für sein Pferd sowie Unterricht und Training, und ist bereit, dafür auch zu zahlen.
In Werl koste die Selbstversorgerbox jetzt vergleichsweise günstige 250 Euro pro Monat, berichtet das frühere Mitglied. Angezogen würden mit diesem Angebot Leute mit eher wenig Geld, die sich trotzdem den Traum vom eigenen Pferd erfüllen – was längst nicht immer gut geht. Es erinnert sich an einen besonders krassen Fall: Ein Mann, gegen den ein Pferdehaltungsverbot verhängt war, habe seine Pferde vorübergehend in Zelten auf dem Gelände untergebracht.
Unverschuldete Rückschläge
In der jüngsten Vergangenheit musste der Verein viele unverschuldete Rückschläge hinnehmen: „Ein ehemaliges Vorstandsmitglied hat in die Vereinskasse gegriffen und wurde für diese und weitere Betrügereien vor Gericht in Arnsberg verurteilt. Es muss den Schaden entweder zurückzahlen oder seine Strafe absitzen“, berichtet Werkmüller. Es geht um mehrere tausend Euro.
Das letzte Pächterehepaar erwies sich als Flop. Erst ging sie, die eigentliche Fachfrau, und er machte alleine weiter, dann reihte sich Fehler an Fehler: „Der Mann hat einige Verbesserungsarbeiten auf der Anlage durchgeführt, die er sich vom Bauamt hätte genehmigen lassen müssen. Das hat er versäumt und alles musste wieder zurückgebaut werden“, ärgert sich der Vorstand. Die letzte Pacht konnte der Mann schon nicht mehr bezahlen. Er warf das Handtuch.
Weitere Daten
Die Reitanlage an der Windmühle umfasst neben der Reithalle (20 x 40m) einen Dressurplatz, einen Springplatz, einen Fahrplatz und Weidegelände. Das vereinseigene Gebäude mit Halle und Stallungen steht auf einem Erbpachtgrundstück. Früher wurde hier Reit-, Fahr- und Voltigierunterricht angeboten, waren laut der veralteten Homepage acht Vereinspferde im Einsatz und 500 Mitglieder registriert.
Der Vorstand besteht aus Jochen Werkmüller, Christina Kleine und Andreas Frank.
Zurück bleibt ein harter Kern von aktiven Mitgliedern, die in naher Zukunft viel zu tun haben werden: „Es gibt eine neue Gülleverordnung. Der Misthaufen braucht eine Wanne und muss überdacht werden; einige Boxen müssen vergrößert werden, weil sie nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben entsprechen“, zählt der Vorstand auf. Danach werde man nur noch 14 statt wie früher 22 Pferdeboxen haben. Auch sei im Moment nicht klar, wo das Stroh für die Pferde gelagert werden soll. Weckmüller klingt resigniert: „Das deutsche Steuerrecht, das Baurecht, immer wieder neue Verordnungen – all das sind Fallstricke, mit denen man erst mal nicht rechnet, wenn man ehrenamtlicher Vereinsvorstand wird.“