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Schulbeginn erst um 9 Uhr: Warum die Schulen das mit Skepsis sehen

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Von: Gerald Bus

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Noch mal umdrehen – was sich mancher Schüler wünschen mag, sorgt an den Schulen für Skepsis
Noch mal umdrehen – was sich mancher Schüler wünschen mag, sorgt an den Schulen für Skepsis. © Patrick Pleul dpa

Frühes Aufstehen geht vielen Schülern auf den Wecker. Da könnte man ihn doch später klingeln lassen und erst um 9 zur Schule gehen. Möglich soll das bald sein an den Schulen des Landes. Die neue Schulministerin Dorothee Feller (CDU) will Schulen die Möglichkeit für einen späteren Unterrichtsbeginn am Morgen einräumen. Die Eigenverantwortung der Schulen solle gestärkt werden, dazu gehöre auch die Möglichkeit, den Schulbeginn auf bis zu 9 Uhr festzulegen – was jeweils die Schulkonferenz beschließen müsste. Die Abfrage bei den Grundschulen zeigt aber eher Skepsis.

Werl - Was dann mit Betreuungen morgens und nachmittags, mit Bussen, mit Arbeitszeiten der Eltern ist? Aber alle Schulen kündigen an, das Thema zu diskutieren.

Walburgisschule

Natürlich werde sie die Idee in der Schulkonferenz zum Schuljahresbeginn ansprechen, kündigt Andrea Humpert, Chefin der Walburgisschule, an. Dort werde sie aber auch sagen, „was wir dann alles bedenken müssten.“ Und das sei einiges, vor allem ein „erheblicher organisatorischer Aufwand“. Den Schulbeginn einfach so verschieben, das sei gar nicht machbar. Das fange schon mit den Eltern an, die ihre Arbeitszeiten beachten müssen. Oft sind die mit den Schulzeiten abgestimmt. „Und bei uns sind fast alle Eltern in Arbeit.“ Die Grundschule müsste also einen Frühdienst organisieren, um Kinder betreuen zu können, bei denen die Arbeitgeber der Eltern nicht mitziehen.

Hinzu komme der Schülertransport: „Ich glaube kaum, dass die Busbetriebe für uns zusätzliche Busse zur Verfügung stellen“, sagt Andrea Humpert. Auch der Schülerverkehr sei schließlich genau getaktet, es fehle an Fahrern und Fahrzeugen. Hinzu kommt der offene Ganztag: Bei späterem Schulbeginn würde sich auch das Mittagessen nach hinten schieben, die anschließenden Hausaufgaben für Kinder der OGS ebenso. „Das wäre einfach zu viel für die Kinder“, sagt die Schulleiterin. Natürlich könne die Walburgisschule auch morgens mit einer Betreuung samt Frühstück in der OGS anfangen. Aber für die Kinder wäre das eher verschenkte Zeit, glaubt Humpert. „Und wenn sie erst um 18 statt um 16 Uhr zuhause sind, ist das auch nicht günstig.“ Denn Kinder bräuchten auch Zeit zum Spielen, Toben, Freunde treffen, draußen sein. „Das Leben ist ja nicht nur Schule.“ Daher will Humpert über die Möglichkeit gerne mit den Eltern sprechen, aber zurzeit solle das eher „kein Thema“ für die Umsetzung sein, schon gar nicht so kurzfristig. Ohnehin glaubt Andrea Humpert, dass ein späterer Start in den Schultag eher für ältere Kinder mit ihrem anderen Biorhythmus interessant sein könnte.

St.-Josef-Schule

„Ich halte die grundsätzliche Idee auf jeden Fall für überdenkenswert“, sagt Ursula Steinhoff, Leiterin der Westönner Grundschule. Allerdings startet die St.-Josef-Schule ohnehin bereits etwas später, erst um 8 Uhr. „Beim Schulbeginn liegen wir also schon im guten Mittelfeld, das können alle Familien gut schaffen.“ So hätten Eltern ein gutes Zeitfenster, um andere Kinder in die Kita zu bringen und selber pünktlich zur Arbeit zu kommen. Den Kindern könne ein noch späterer Start womöglich entgegenkommen. „Aber das kann die Schule nicht allein entscheiden“, sagt Steinhoff, hänge doch an einer Umstellung ein Rattenschwanz von Änderungen bei Familien, dem Lehrerkollegium und auch bei Arbeitgebern. Auch private Befindlichkeiten seien zu berücksichtigen.

„Nur auf einer Ebene etwas umzustellen, das macht keinen Sinn – und bereitet Familien Stress.“ Vielleicht müsse man aber langfristig denken, erst nur an Stellschrauben drehen. Eine offenere erste Schulstunde bringt die Rektorin als Beispiel. „Aber im Moment halte ich das für Westönnen nicht erforderlich“, sagt Steinhoff. Sie werde das Thema auf die Agenda der Konferenz mit dem Kollegium nehmen und diskutieren. Wenn dort die neue Möglichkeit als gute Idee bewertet wird, dann werde sie das Thema in die Schulkonferenz bringen – ein Schritt, den natürlich auch Eltern gehen können.

Marienschule

„Für uns ist das gar kein Thema“, sagt Schulleiter Stefan Cordes – aber zeigt sich zugleich offen: Wenn gerade auch von Elternseite die Möglichkeit des späteren Schultags an die Schule herangetragen werde, sei er „offen und bereit“, darüber zu diskutieren. Denn grundsätzlich sei die Debatte ja in Ordnung. Schnellschüsse werde es in Büderich aber nicht geben. Ein Hauptargument für den Schulleiter: die Busse. „Wenn die nur zehn Minuten später kommen, müssten wir die Kinder hier beaufsichtigen“. Dazu fehle es an Kapazitäten. Die Taktung passe nicht – es sei denn, die Buslinien würden geändert. Natürlich aber werde er das Thema in die Konferenz mit dem Kollegium bringen, kündigt Cordes an. „Und wir werden in der Schulkonferenz die Meinung der Eltern einholen.“

Gerade für die würde eine Umstellung des Schulbeginns aber erheblichen organisatorischen Aufwand bedeuten. „Für uns als Schule ist das hingegen das kleinste Problem, eine Formalität.“ Aber das „organisatorische Drumherum“ wiege schwer, nicht zuletzt die Folgen im Mittagsbereich. Einen Mehrwert in einer Änderung vermag Cordes daher nicht zu erkennen; vielmehr bringe sie zu viele Probleme mit sich. Daher sieht er auch keinen Anlass, das zu ändern. „Und ganz ehrlich: Wir haben ganz andere Sorgen, als uns damit auch noch zu beschäftigen.“

Persönlich hätte der Schulleiter nichts gegen einen Start um 9 Uhr, „da bin ich fitter als um 8.“ Und er könne sich auch vorstellen, dass einigen Kindern das guttun würde. Andererseits würde es anderen Kindern wiederum womöglich nicht so gut bekommen. „Das ist halt individuell unterschiedlich.“

Norbertschule

„Das Thema ist so vielschichtig – das kann man nicht solitär betrachten“, sagt Markus Reim, Leiter der Norbertschule. Dem entsprechend könne sich eine Schule allein nicht einfach so auf den Weg machen. Dass man bei allen Überlegungen so viele Beteiligte ins Boot holen müsste, sieht er kritisch. „Der Tisch, an den sich alle setzen müssten, müsste groß sein.“

Die Landesregierung habe mit dem Angebot einen Ball ins Spiel gebracht, „über den man diskutieren und intensiv nachdenken kann“, sagt Reim. Aber wenn eine Schule diesen Weg gehe, dann gehöre eben auch zur Wahrheit, dass eine Verschiebung der Anfangszeit viele Auswirkungen hätte. Auch Reim nennt die Bussituation und den Fahrplan als Beispiel: „Wenn eine Schule das macht – bekommt sie dann auch einen eigenen Bus?“ Ein späterer Unterrichtsbeginn würde auch ein späteres Unterrichtsende nach sich ziehen – die Zeiten der Betreuung würden nach hinten rutschen. Also müsste der Träger des Ganztags und des Schulkinderhauses mitgehen, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeitszeiten der Mitarbeiter habe.

Reim verweist darauf, dass das vertraute System ja laufe, er erst einmal keine Notwendigkeit zur Änderung sieht – schon gar nicht so kurzfristig. „Aber natürlich verschließen wir uns Neuerungen nicht.“ Und so werde er „sehr genau überlegen und mit dem Kollegium besprechen, ob wir diesen Weg beschreiten wollen.“ Im Alleingang werde er das nicht entscheiden. Natürlich werde die Norbertschule die Frage auch an die Eltern weiterreichen in der Schulkonferenz. Reim findet es aber auch wichtig, sich darüber mit den anderen Werler Grundschulen auszutauschen. Später. „Erst mal lassen wir den Ball jetzt liegen.“

Petrischule

„Wir beobachten durchaus, dass Schüler morgens extrem müde sind“, sagt Kim Wawroschek von der Petrischule. Die Frage sei nur, ob ein späterer Schulbeginn daran tatsächlich etwas ändern würde.

Es gebe aber manches Argument gegen einen späteren Start. „Wir müssten zum Beispiel den Offenen Ganztag ausbauen, um dann auch vor der Schule eine Betreuungsmöglichkeit anbieten zu können“, sagt Wawroschek. Gerade mit Blick auf berufstätige Eltern und der „Zeitsicheren Schule“ überwiegt die Skepsis in der Schulleitung. Sie selber sehe die Frage neutral; es gebe Dinge, die für und die gegen eine Änderung sprechen. „Aber ich denke nicht, dass das für uns in Frage kommt. Im Endeffekt ist es eher komplizierter, als dass es helfen würde. Das ist den Aufwand am Ende nicht wert.“

So wird es wohl beim Schulstart um 8 Uhr bleiben. Wawroschek kündigt aber an, mit dem Kollegium zu beraten. Mit dem Meinungsbild des Kollegiums werde man das Thema dann auch in der Schulkonferenz den Elternvertretungen vortragen.

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