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Miri-Clan-Prozess: Verteidiger sieht Vorverurteilung - kippt Urteilstermin?

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Ein Haufen Kokain
Um Kokain geht es im Miri-Prozess mit einem beschuldigten Werler. © Christian Charisius / dpa

Der Dortmunder Kokainprozess gegen einen inzwischen 41-jährigen Mann aus Werl könnte noch im Juni zu Ende gehen. Nach fast sechs Monaten Verhandlungsdauer hat Oberstaatsanwalt Dirk Stickeln jetzt sein Plädoyer gehalten. Danach kam aber alles wieder einmal ganz anders als geplant.

Dortmund/Werl – Für Stickeln steht fest, dass der Angeklagte seinem Bruder, dem Chef des Dortmunder Miri-Clans, tatkräftig bei dessen Kokaingeschäften geholfen hat.

Mehr als nur einmal soll der 41-Jährige größere Lieferungen in seiner Werler Wohnung aufbewahrt haben. Laut Oberstaatsanwalt portionierte der Mann das Kokain dann entweder neu oder er versetzte es sogar mit Streckmittel, ehe er die Drogen an andere Mitglieder der Gruppierung weiterleitete.

Stickeln ist davon überzeugt, dass entschlüsselte Kurznachrichten aus dem Messenger Encrochat die Schuld des Werlers belegen. Darüber hinaus hatte zuletzt auch ein Zeuge im Prozess vor dem Dortmunder Landgericht bestätigt, dass der 41-Jährige der Empfänger von Kokainlieferungen aus dem Ruhrgebiet war. Der Oberstaatsanwalt hält dafür eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren für erforderlich.

Dass Verteidiger Rotger van Lengerich die Sachlage gänzlich anders bewertet, hat er bereits im Laufe des Prozesses mehrmals deutlich gemacht. Entsprechend legte sich der Rechtsanwalt in seinem Plädoyer auch ins Zeug und unternahm alles, um Zweifel an der Schuld des Werlers zu säen.

Letztendlich stellte van Lengerich sogar noch einen sogenannten Hilfsbeweisantrag. Falls die Richter bei ihrer Beratung zu dem Schluss kämen, dass der Werler wegen Drogenhandels verurteilt werden müsse, sollten sie vorab noch zwei weitere Zeugen vernehmen. Die 37. Strafkammer des Landgerichts wollte über diesen Antrag aber gerne schon unmittelbar nach den Plädoyers entscheiden. Daher wurde die Verhandlung um eine Stunde unterbrochen, ehe sie mit der Zurückweisung des Antrags fortgesetzt wurde.

Für Verteidiger van Lengerich war dies jedoch eine weitere Steilvorlage. „Über meinen Hilfsbeweisantrag hätte zwingend erst im Urteil entschieden werden dürfen“, echauffierte er sich. Die Tatsache, dass die Richter die Vernehmung der Zeugen nun schon vor dem letzten Wort des Angeklagten abgelehnt hätten, mache deutlich, dass sie sich eindeutig auf Verurteilungskurs befänden.

„Mein Mandant hat nun den Eindruck, dass er bereits vorverurteilt ist“, sagte Anwalt van Lengerich. Die für ihn logische Folge: Der Angeklagte stellte einen Befangenheitsantrag gegen alle vier Berufs- und Schöffenrichter.

Über diesen Antrag muss nun eine andere Strafkammer am Dortmunder Landgericht entscheiden. Lehnt sie ihn ab, könnte am 22. Juni das Urteil gesprochen werden.

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