Am folgenden Tag wurden die Drainagen entfernt, dabei habe sie zum ersten Mal das Ergebnis gesehen. „Aber ich habe das da noch nicht richtig realisiert und wahrgenommen – erst, als ich wieder daheim war.“
Drei Wochen später musste sie sich noch einmal unters Messer begeben, weil es zu einer Wundheilungsstörung gekommen war. Danach stellte sich, nun mit Körbchengröße C, allmählich wieder ein deutlich normaleres Leben ein: „Seither geht es mir hervorragend. Es ist ein Gefühl wie nie zuvor, wie ein neues Leben, alles komplett um 180 Grad gedreht. Ich fasse neue Lebenslust, denn seit der OP hatte ich nicht ein einziges Mal Depressionen, und auch die Schmerzen sind fast weg.“ Neben den Auswirkungen auf den Rücken war dies vor allem eine Entzündungsreaktion der Haut gewesen.
Sie habe nach all den Jahren, in denen sie ihre Oberweite durch weite Kleidung zu kaschieren versucht hatte, seit sie als Teenager die ersten dummen Sprüche von Jungen zu hören bekommen hatte, erstmals wieder Kleidungsstücke aus dem Schrank geholt, die sie sich lange nicht zu tragen getraut habe. „Ich habe wieder Lust rauszugehen und was zu erleben, ich habe gerade eine Freundin in Frankfurt besucht, wir waren im Freibad schwimmen – das hätte mich vorher nie getraut.“
Indem sie sich jedoch traute, mit ihrer Problematik an die Öffentlichkeit zu gehen, bekam sie auch viel Zuspruch: „Mir haben sehr viele Frauen über die sozialen Medien geschrieben, wie toll und mutig sie es finden, dass ich das öffentlich mache. Und ich finde, jeder soll die Möglichkeit haben, ein schmerzfreies Leben zu führen – auch, wenn die Krankenkasse oder die Justiz anders denken.“
Den Schritt zurück ins Berufsleben hingegen traut sich die gelernte Verkäuferin vorerst noch nicht zu – einerseits ist da noch die Narkolepsie, eine organische, nicht heilbar Störung im Gehirn, aufgrund derer die Betroffenen tagsüber ungewöhnlich schläfrig sind und dazu neigen, plötzlich einzuschlafen.
„Definitiv werde ich nicht in den Verkauf zurückkehren können. Grundsätzlich habe ich nach all den negativen Erfahrungen, die ich bislang machen musste, auch wirklich Angst davor. Aber ich will im Moment ganz für meine kleine Tochter da sein“, sieht Michelle Ruhncke ihre Rolle im Leben derzeit vor allem als Mutter.