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Mehrweg-Pflicht in der Gastronomie: Umsetzung hakt noch

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Von: Ilka Platzek

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Adnan Berri hat Mehrwegverpackungen angeschafft, aber die will kaum jemand haben.
Adnan Berri hat Mehrwegverpackungen angeschafft, aber die will kaum jemand haben. © Ilka Platzek

Anfang Januar wurde die Mehrweg-Pflicht eingeführt: Alle Anbieter von Essen oder Getränken zum Mitnehmen – also Restaurants, Cafés, Tankstellen, Bistros, Supermärkte, Caterer und Kantinen – müssen jetzt Mehrwegverpackungen anbieten. Doch Achtung, es gibt Ausnahmen:

Werl – Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Westfalen, kennt sich bestens aus, denn: „Wir haben unsere Mitglieder seit Mitte letzten Jahres regelmäßig über die Bestimmungen informiert. Die Krux dabei: Die Bestimmungen sind kompliziert und es gibt Ausnahmen. Mehrwegverpackungen müssen nur Betriebe anbieten, die größer als 80 Quadratmeter sind und mehr als fünf Mitarbeiter haben.“

Und das ist noch nicht alles: „Plastik ist verboten, aber Papier, Pappe und Alufolie sind weiter als Einwegverpackungen erlaubt.“ Kleine Betriebe, etwa der Imbissstand oder die Dönerbude, sind von der Neuregelung nicht betroffen. „Sie haben nur die Pflicht, die Kunden darauf hinzuweisen, dass diese ihre eigenen Verpackungen mitbringen dürfen“, sagt Martin. Er weiß aber auch: „Die Kunden fragen nicht nach Mehrwegverpackungen. Es gibt ja keine einheitlichen und die Leute müssten Geschirr oder Becher zuhause spülen. Das ist eine Frage der Bequemlichkeit.“

Lars Martin ist nicht zufrieden mit der neuen Verordnung. „Damit sich Mehrwegverpackungen durchsetzen, müsste es ein einheitliches Pfandsystem geben. Im Idealfall sollte man in Dortmund am Hauptbahnhof einen Kaffee kaufen und den Becher in Werl wieder abgeben können“, findet der stellvertretende Dehoga-Geschäftsführer.

Tatsächlich gibt es beim Geschirr diverse Insellösungen – und kaum Kontrollen. Zu diesem Schluss kann man zumindest kommen, wenn man bei der Stadt nachfragt, wer denn kontrolliert, ob Mehrwegverpackungen angeboten und gegebenenfalls Bußgelder verhängt werden. Die Stadt Werl fühlt sich nicht zuständig: „Derzeit liegen noch keine ausführenden Bestimmungen zum Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen vor. Die Wallfahrtsstadt Werl führt bislang keine Kontrollen durch“, teilt Fachbereichsleiterin Alexandra Kleine mit.

In der Tat ist die Stadt nicht zuständig, sondern der Kreis. Genauer gesagt, die Untere Abfallwirtschaftsbehörde, aber eine Sprecherin sagt ganz klar, dass Mehrwegverpackungen ein Posten auf einer langen Liste seien und der Behörde die Kontrolle von gefährlichen Stoffen wichtiger sei als die von Verpackungsmüll.

Fischlokal

Auf zum Praxistest. Im „Fischlokal“ in Westönnen herrscht Ratlosigkeit in Sachen Umsetzung. Die Inhaber Christiane und Volker Damm finden die neue Vorgabe „eigentlich toll, denn Plastikmüll verschmutzt die Meere, aber leider ist die Verordnung völlig unausgegoren“, sagt er.

Als das Ehepaar von der neuen Verordnung hörte, hat es sich „ganz viele Muster von Mehrweganbietern kommen lassen. Wir haben aber noch keinen Behälter gefunden, auf den unsere ganzen Fische passen“, klagt Volker Damm. „In die angebotenen Behälter passt bestenfalls ein Lachsfilet. Deswegen haben wir jetzt Fischplatten angeschafft, die wir den Kunden bei Bedarf mitgeben können. Da werden wir dann Pfand drauf erheben.“

Volker Damm vom Fischrestaurant in Westönnen hat bisher noch kein Mehrweggeschirr gefunden, auf das seine ganzen Fische passen.
Volker Damm vom Fischrestaurant in Westönnen hat bisher noch kein Mehrweggeschirr gefunden, auf das seine ganzen Fische passen. © Ilka Platzek

Beim Catering komme ohnehin das eigene Geschirr zum Einsatz. Kunden, die sich ihr Essen zum Mitnehmen bestellen, hätten aber noch nie nach Mehrweggeschirr gefragt. „Wenn die Kunden ihr eigenes Geschirr mitbringen wollen, stellt uns das vor andere Probleme: Wir können das bestellte Essen zwar so weit fertigmachen, aber das Anrichten auf dem Geschirr der Kunden ist ein weiterer Arbeitsschritt, den wir in unsere Arbeitsabläufe integrieren müssen.“

Die Restaurantbetreiber sehen es ähnlich wie Dehoga-Geschäftsführer Lars Martin: „Es müsste ein einheitliches Pfandsystem und noch größere Platten geben, sodass ich beim Asia Palast in Soest das Mehrweggeschirr mitnehme und es hier wieder abgeben kann. Unsere Kunden essen schließlich mal hier, mal da.“

Pizzeria Capriccio

Ortswechsel. Auf der Steinerstraße, in der Steh-Pizzeria Capriccio, kennt sich das Personal aus: „Wir müssen keine Mehrwegverpackung anbieten“, sagt der Mann hinter der Verkaufstheke. Wer wolle, könne aber seinen eigenen Topf mitbringen. Das sei aber noch nie vorgekommen.

Döner Werk

Ismail Karaoglu bietet im Döner Werk keine Mehrwegverpackungen an. Er würde den Kunden die Speisen aber in deren eigene Töpfe oder Dosen füllen.
Ismail Karaoglu bietet im Döner Werk keine Mehrwegverpackungen an. Er würde den Kunden die Speisen aber in deren eigene Töpfe oder Dosen füllen. © Ilka Platzek

Schräg gegenüber beim Döner Werk hören Vater und Sohn Karaoglu offenbar zum ersten Mal von der neuen Verpackungsvorschrift. Kein Problem: Ihr Betrieb ist klein und, so versichern beide, sie würden Kunden natürlich auch das Essen in den mitgebrachten Topf packen.

Byblos

Adnan Berri, Inhaber des libanesischen Restaurants Byblos auf der Walburgisstraße, hat Mehrwegverpackungen im Angebot. Begehrt sind diese allerdings nicht: „Die meisten wollen Einwegverpackungen, weil sie keine Lust haben, zu spülen“, hat er festgestellt. Ein weiterer Grund: „Sie sagen, wenn ich nur einmal im Monat komme, steht das Geschirr die ganze Zeit bei mir rum.“ Adnan Berri versteht, dass die Kunden das nicht wollen. „Mir ist es lieber, wenn die ihr eigenes Geschirr mitbringen. Stammkunden, die etwa ein Buffet bei mir bestellen, gebe ich mein eigenes Geschirr mit – ohne Pfand.“

Zumindest kettenintern bietet McDonald’s Mehrwegbecher an. Mehrwegbehälter für die Burger gibt es nicht.
Zumindest kettenintern bietet McDonald’s Mehrwegbecher an. Mehrwegbehälter für die Burger gibt es nicht. © Ilka Platzek

McDonald’s

Letzte Station: McDonald’s. Hier wird der ketteneigene Becher aus der Niederlassung angenommen und es gibt das Pfand zurück.

Kommentar: Auf Einweg sollten Abgaben erhoben werden

VON ILKA PLATZEK
Die Regelung ist ein Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Solange Alufolie, Papier und Pappe erlaubt sind, landen diese nach Gebrauch weiterhin im nahe gelegenen Gebüsch, wie man es tagtäglich im Umfeld von Fastfood-Restaurants, Pommes- und Dönerbuden sehen kann. Um Einwegverpackungen unattraktiv zu machen und Kunden umzugewöhnen, sollte auf Einweg generell eine Abgabe erhoben werden, zum Beispiel 50 Cent pro Verpackung. Die zahlreichen Ausnahmeregelungen für Kleinunternehmen sind schlecht für die Umwelt. Auch hier könnten Abgaben helfen, die Kunden dazu zu bewegen, eigene Behälter mitzubringen. Außerdem sollten einheitliche Pfandsysteme entwickelt werden, die es den Kunden erlauben, ihre Mehrwegverpackungen nicht nur bei dem Restaurant/Imbiss zurückzugeben, von dem es kommt.

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