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Landwirten fehlt Vertrauen: Riesen-Schutzzone für Rebhühner ist geplatzt

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Von: Gerald Bus

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Der Bestand von Rebhühnern hat abgenommen. In Deutschland steht das Tier bereits auf der Roten Liste.
Der Bestand von Rebhühnern hat abgenommen. In Deutschland steht das Tier bereits auf der Roten Liste. © Andreas Neuthe dpa

Die Landwirte hatten mit der Politik und der EU offenbar noch ein Hühnchen zu rupfen. Oder eher ein Rebhühnchen: Wegen zu starker Bedenken der Landwirtschaft bezüglich späterer Folgen ist das Projekt „Rebhuhn retten – Vielfalt fördern!“ überraschend geplatzt. Das haben der Kreis Soest, der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) und die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Hinter den Kulissen liefen zuletzt die Drähte heiß, formierten sich zunehmende Proteste. Nun folgt das Aus.

Werl - Die Bewerbung zur Teilnahme am Rebhuhn-Schutzprojekt könne „nicht weiter verfolgt werden“, sagt Kreis-Sprecher Wilhelm Müschenborn. Der Kreis Soest war einer der Projektpartner. Der Grund liege aber an anderer Stelle: „Aufgrund der im Raum stehenden EU-Verordnung zum Verbot von Pestiziden in Vogelschutzgebieten konnte sich die Landwirtschaft nicht dazu entschließen, den gemeinsam erarbeiteten Entwurf zu unterstützen.“

Sorgen um die Existenz

Heißt: Es fehlt Vertrauen, dass die riesige Schutzzone von rund 100 Quadratkilometern den Landwirten nicht „irgendwann auf die Füße fällt“, wie Petra Drees-Hagen, Sprecherin des WLV, formuliert. So hätten die Bauern 2004 das europäische Vogelschutzgebiet Hellwegbörde unter dem Versprechen mitgetragen, dass dort auch in Zukunft noch Landwirtschaft „nach guter fachlicher Praxis möglich sei, die den Bauernfamilien die weitere Existenz ermöglicht“ – und sich darauf verlassen, dass ihnen das später nicht zum Nachteil gereicht, so der Vize-Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Soest, Andreas König. Genau das passiere aber nun mit dem Vorschlag der EU-Kommission, Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten komplett zu verbieten. „Da hat die Landwirte im Nachhinein etwas ereilt, von dem es früher hieß: Da kommt nichts.“

Es fehlt das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Zusagen.

Petra Drees-Hagen, Sprecherin des WLV

Politische Zusagen seien besonders in letzter Zeit oft nicht eingehalten worden. Wenn es nun auch nicht um ein „Schutzgebiet“, sondern um ein „Projektgebiet“ gegangen sei, habe das doch Ängste geschürt bei den Bauern, die stets auch an die Sicherung ihrer Existenz denken müssten. König sieht „berechtigterweise die Angst bei Landwirten, dass der Rebhuhn-Projektbereich in Zukunft mit nicht praktikablen Auflagen versehen wird.“ Auch werde befürchtet, dass „gewonnene Daten durch Projektpartner im Falle eines naturschutzfachlichen Erfolgs bei Stellungnahmen in späteren Planungsvorhaben im Projektgebiet verwendet werden und Genehmigungen verhindern“.

In der Abwägung vom Pro und Contra zum Rebhuhn-Schutz überwog die Skepsis, dass das Projekt spätere Entwicklungsmöglichkeiten der Höfe, zum Beispiel beim Bau neuer Ställe, hemmen könnte. „Es fehlt das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Zusagen“, sagt Petra Drees-Hagen.

WLV setzt lieber auf freiwillige Basis

Das bedeute nicht, dass den Bauern der Schutz der gefährdeten Art nicht wichtig sei. Im Gegenteil: „Wir wollen uns da nicht raushalten.“ Aber statt eines Großprojekts wolle der WLV lieber auf die „freiwillige Basis“ setzen.

Das Projekt habe ja freiwillige Maßnahmen zum Ziel gehabt, die in enger Abstimmung unter den Beteiligten umgesetzt werden sollen, sagt Ralf Joest von der ABU. „Leider konnten sich der landwirtschaftliche Kreisverband und die Kreisjägerschaft aufgrund der im Raum stehenden EU-Verordnung zum Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten (...), einer von allen Beteiligten als unglücklich empfunden öffentlichen Berichterstattung und der von einigen Landwirten geäußerten Vorbehalte gegenüber der ABU nicht dazu entschließen, den Entwurf zu unterstützen.“ Dies sei erst in der Phase der Endabstimmung kurz vor Antragstellung geschehen. Das Projekt könne daher in der gewollten Form nicht weiterverfolgt werden.

ABU bedauert das Aus

ABU-Vorsitzender Joachim Drüke bedauert das Aus wegen des Wegfalls von Geldern für Schutzmaßnahmen durch Landwirte und Jäger. Es sei aber auch „die Möglichkeit vertan (...), in einem bundesweit beachteten Projekt zu demonstrieren, wie eine Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Jagd zum Wohle des Rebhuhns und anderer Arten der Feldflur gelingen kann.“ Und zwar kooperativ statt durch Ordnungsrecht.

Kreis Soest: „bedauerlich“

Der Kreis Soest nennt die Entwicklung „bedauerlich, unter anderem, weil eine Möglichkeit zur Finanzierung von Maßnahmen, die das Förderprogramm ,Rebhuhn retten’ eröffnet hätte, wegfällt.“ Es wäre aber schön, ergänzt Kreissprecher Müschenborn, „wenn die gemeinsame Arbeit auch ohne dieses Förderprogramm fortgesetzt werden könnte“. Es soll eine weitere Zusammenarbeit der gebildeten Arbeitsgruppe geben, der Kreis werde darüber hinaus „weiterhin im Westteil des Kreises intensiv um Vertragsnaturschutzmaßnahmen werben“.

Bedenken auch aus der Jägerschaft

Auch in der Jägerschaft soll es Bedenken gegen das Rebhuhn-Projekt gegeben haben. Ein Stellungnahme der Kreis-Jägerschaft blieb aber aus.

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