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Krippe bekommt weiblichen Zuwachs

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Von: Fabian Neuenzeit

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Neu in der Krippe: Eine Hirtin (links), die Nötiges für die Geburt des Jesuskindes bringt, unter anderem eine Windel, und Hedwig Dransfeld (2. von links), sitzend auf einer Bank. Gut zu sehen: Ihre wegen Krankheit verkrüppelte rechte Hand, etwas bedeckt von einer Pelerine. Dem Wallfahrtsteam war es wichtig, dass alles „echt“ ist.
Neu in der Krippe: Eine Hirtin (links), die Nötiges für die Geburt des Jesuskindes bringt, unter anderem eine Windel, und Hedwig Dransfeld (2. von links), sitzend auf einer Bank. Gut zu sehen: Ihre wegen Krankheit verkrüppelte rechte Hand, etwas bedeckt von einer Pelerine. Dem Wallfahrtsteam war es wichtig, dass alles „echt“ ist. © Fabian Neuenzeit

In der Basilika finden Hirtin und Hedwig Dransfeld ihren Platz. Viel Arbeit für Holzbildhauerin.

Werl – Nein, die Weihnachtsgeschichte soll nicht durchgegendert werden, und Ja, das Jesus-Kind ist natürlich auch weiter ein Junge. Vielmehr sind es alte Liedzeilen wie „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Fraun“, die zeigen, dass Frauen in den Krippen unserer Kirchen genau so ihren Platz verdienen wie Männer. Das Thema Frauenrechte ist auch aufgrund der Proteste im Iran aktueller denn je. Das Werler Wallfahrtsteam hatte schon vorher den Wunsch, die Krippe im Hinblick auf das Geschlecht der Figuren in die heutige Zeit zu holen. Denn: „Wir feiern an Weihnachten nicht irgendeine geschichtliche Story, sondern etwas, dass auch mit unserem Leben heute zu tun hat“, sagt Ursula Altehenger aus dem Wallfahrtsteam. Das dürfe und solle man auch in der Krippe umsetzen. Bislang gab es, wie in den meisten Krippen, nur eine Frau: Maria.

Eine von den „neuen“ Frauen ist Hedwig Dransfeld. Nicht nur eine Frauenrechtlerin der ersten Stunde, sondern auch eng mit der Stadt Werl verbunden: Deshalb passt sie doppelt. Die Entscheidung war aber auch mit Herausforderungen verbunden. Wenn schon eine echte Person in der Krippe ihren Platz findet, dann solle die auch so realistisch wie möglich sein, so das Ziel vom Wallfahrtsteam.

Problem: „Man hatte von ihr nur alte Briefmarken und Fotos, aber keine Profilfotos“, also Aufnahmen von der Seite, auf denen man die Gesichtsform sieht, erklärt Altehenger. Zur Freude aller fand sich mit Petra Rentrup, einer Holzbildhauerin aus Rheda-Wiedenbrück, ein Profi. „Sie hat sich unsere anderen Krippenfiguren angeschaut und die zwei neuen Frauen daran angepasst erschaffen.“ Das sei viel Arbeit. Schließlich müssten sich „die Neuen“ in das Gesamtbild einfügen, dafür „die Alten“ vermessen und in Details fotografiert werden.

Die Kleidung hat Schwester Elisabeth Beine aus dem Ursulinenkonvent für uns genäht.

Ursula Altehenger

Krippe bekommt weiblichen Zuwachs: Mehr als nur das Geschlecht

Die fertige Hedwig Dransfeld hat einen ganz besonderen Platz bekommen. Direkt neben Josef, auf einer Holzbank. Das Wallfahrtsteam hatte die Idee, dass sie auf diese Weise eine einladende Haltung hat. Neben ihr ist, wenn natürlich auch nur symbolisch, ein freier Platz. Die Botschaft bleibt aber die Gleiche: „Du sitzt hier genau richtig an der Krippe. Du darfst dich zu mir setzen“, erklärt Altehenger.

Nächste offene Frage: Woher bekommt man Kleidung für Krippenfiguren? „Die Figuren waren im August fertig, dann mussten wir uns um die Kleidung kümmern. Die hat dann Schwester Elisabeth Beine aus dem Ursulinenkonvent für uns genäht“, sei man dafür sehr dankbar - und mit der Arbeit voll und ganz zufrieden. Schließlich wollte man einer so wichtigen Frau, passend zur gesamten Intention, nicht einfach irgendein Hirtinnen-Gewand anziehen. Sogar die Pelerine, die sie aufgrund ihrer Knochentuberkulose-Erkrankung häufig über ihrer Hand trug, findet sich wieder.

Auch hinter der zweiten neuen Figur steckt mehr als nur die Tatsache ihres Geschlechts. „Der Wunsch war eine Frau, die zur Krippe bringt, was man für eine Geburt braucht.“ Und neben Essen und Heilkräutern eben auch das, was man heute nach einer Geburt braucht: Windeln zum Beispiel. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, sei das nun einmal eine besondere Situation, in der man Hilfe und Unterstützung braucht.

Aber: Auch die männlichen Figuren haben, neben Jesus und Josef natürlich, eine individuelle Geschichte. So steht da in der Basilika zum Beispiel ein Franziskaner. „Die haben wir alle im Advent in einer Predigtreihe vorgestellt“, ergänzt Wallfahrtsleiter Gerd Best. Darunter auch die Könige, die logischerweise aber erst am 6. Januar zu sehen sein werden , und das Jesuskind, das am Heiligen Abend seinen Platz einnimmt.

Krippe bekommt weiblichen Zuwachs: Bald kommen auch die Tiere

Die Krippe wurde im Laufe dieser Woche aufgebaut. Am Mittwoch wurden die Figuren platziert. Zur Vergangenheit derer, die nicht neu sind, weiß Best: „Die sind von einem Franziskanerbruder geschnitzt worden, Bruder Gandulf Stumpe.“ Die ältesten Figuren seien Maria und Josef, „die sind aus den 50er-Jahren“, die übrigen vom Anfang der 70er-Jahre.

Mit den Neuen in der alten Krippe ist das Wallfahrtsteam zufrieden: Frauen in der Krippe, das sei kein neues Thema, aber eine Krippe mit modernen Frauen, das sei neu. Das Team ist sich sicher: Das Krippengeschehen hat damals sicherlich auch mit Frauen stattgefunden.

Und man ist sich einig: Eine Krippe ist nie vollständig. So gibt es auch für die in der Wallfahrtsbasilika noch Erweiterungs-Ideen. So viel sei versprochen: „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Fraun“, das ist jetzt ja erfüllt und kann in Zukunft in der Basilika wohl um die Zeile „Ihr Hirten mit eurem Tier“ ergänzt werden.

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