Kompromiss für „Balkonkraftwerke“: Stadtwerke wollen Gutschriften geben

Wenn es auch nicht 200 Euro sind – es bleibt zumindest ein „Sonnen-Scheinchen“: Für Bürger, die sich über die Stadtwerke Werl eine Mini-Solaranlage angeschafft haben oder das noch tun wollen, soll es bei der Stromrechnung des Energieversorgers einen Rabatt per Gutschrift geben.
Werl – Von 50 Euro sprach Bürgermeister Torben Höbrink im Rat – und überraschte mit diesem Vorstoß die Politik.
Die SPD hatte zuvor beantragt, dass der Kauf eines solchen „Balkonkraftwerks“ von der Stadt mit 200 Euro bezuschusst werden solle; das aber war im Umweltausschuss abgelehnt worden. Nun stand der Antrag der SPD auch auf der Tagesordnung für den Rat – nachgebessert von der SPD mitsamt Entwurf einer möglichen Förderrichtlinie.
„Zeichen setzen“
Im Vorfeld wurde eine neuerliche Ablehnung erwartet, auch wenn Thomas Grümme (SPD) erneut dafür warb, dass es darum gehen müsse, „ein Zeichen zu setzen“. Klimaschutz sei nun mal wichtig, und über die Anschaffung und Nutzung einer Mini-PV-Anlage könne der Bürger aktiv etwas gegen den Klimawandel unternehmen – auch wenn er kein Eigenheim hat.
Dann ergriff der Bürgermeister im Rat das Wort – und schlug eine überraschende Alternative vor. Beim Vorschlag der SPD gehe es schließlich auch um die Frage, „ob wir Steuergelder einsetzen wollen“, sagte Höbrink. Daher habe er sich kurzfristig in dieser Woche mit Stadtwerke-Geschäftsführer Robert Stams besprochen und eine andere Lösung erarbeitet. Die sieht eine Gutschrift bei der Stromrechnung vor für Menschen, die sich eine solche Anlage über die Stadtwerke kaufen. „So können wir ein Signal senden und zugleich die Kundenbindung an die Stadtwerke erhöhen“, sagte der Bürgermeister.
Sicher seien 50 Euro weniger, als die von der SPD beantragten 200 Euro. Im Gegenzug aber wäre der SPD-gewollte Fördertop von 20 000 Euro im Haushalt schon nach 100 dieser Klein-Anlagen erschöpft gewesen. Die Gutschrift-Lösung lässt eine unbegrenzte Zahl an Balkonkraftwerken zu. Es seien aber noch einige Fragen zu klären, sagt Höbrink im Nachgang. Zum Beispiel, ob die Gutschrift auch gegeben wird, wenn die Anschaffung bereits früher erfolgt ist. „Es ist richtig, dass wir die, die schon gekauft haben, nicht vergessen“, sagte der Bürgermeister am Freitag.
Der Vorschlag fand viel Anklang im Rat – wenn auch Mayela Hiltenkamp (FDP) den „Zwang zur Bindung an die Stadtwerke“ kritisierte. So lobenswert der Vorschlag auch sei: „Wir sollten es jedem freistellen, auch wenn er kein Stadtwerke-Kunde ist.“ Die Liberale warb vielmehr dafür, den SPD-Antrag auf Bezuschussung mit 20 Euro zu wählen, die Zuschussgewährung aber an das Einkommen zu koppeln – wer wenig Geld hat, solle ihn bekommen können.
Höbrink sprach von einem „Kompromiss“, der sich spontan ergeben habe – und der sichtlich überraschte SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Quint räumte ein: „Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.“ Die SPD finde die Idee aber gut, „da können wir mitgehen“.
„Kreative Lösung“
Auch Uwe Jansen (Grüne) nannte die Alternativvorschlag „grundsätzlich gut“, fragte aber, warum das nicht Thema im Stadtwerke-Aufsichtsrat am Dienstag gewesen sei. Das, erläuterte Höbrink, liege daran, dass er erst danach mit Stams gesprochen habe. Jürgen Stache (fraktionslos), nannte es „gut, wenn die Stadtwerke den Hut aufhaben“. Und auch Christian Zahedi (Grüne) begrüßte den Vorstoß als „kreative Lösung, das hätten wir eher haben können“. Aber das zeige doch, dass man sich im Rat Ideen von anderen Fraktionen nicht einfach nur um die Ohren hauen soll. Der Rabatt sei eine „super Sache, Klimaschutz aktiv betreiben, ist ein guter Schritt“.
Gegen Ebay-Verkauf
Henning Cloer (CDU) stimmte in den Loblied-Chor ein: Das Angebot der Stadtwerke sei „wirklich super“. Das verhindere zugleich, dass eine von der Stadt mit 200 Euro bezuschusste Mini-Solaranlage kurz darauf wieder „bei Ebay verkauft wird.“ Und das Ordnungsamt freue sich, „wenn es nicht unbescholtene Bürger aufsuchen muss“. Denn wie die richtige Nutzung des Zuschusses überhaupt kontrolliert werden solle, war ein Haupt-Streitpunkt bei der langen Debatte im Umweltausschuss gewesen, wo der SPD-Antrag abgelehnt worden war.
Nun habe man also eine „bessere Lösung“, sagte Gerd Petermann (CDU); da brauche es doch den vorliegenden SPD-Antrag auf Bezuschussung samt Fördertop von 20 000 Euro nicht mehr. Man müsse und werde den Stadtwerke-Chef „beim Wort nehmen“, so Petermann. Aber eine Einkommensstaffelung, wie die FDP sie wolle, gehe bei dem Modell nicht. „Denn wir können die Stadtwerke nicht zu einer Einkommensklausel zwingen“, warnte der Christdemokrat.
Die mit der Alternative zufriedene SPD zog ihren Antrag letztlich zurück; nun gelte es, die Konzeptentwicklung als Auftrag zu sehen. Der Bürgermeister versprach kurzfristige Gespräche mit den Stadtwerken – und die Politik dann zu informieren.
Klein-Kraftwerk für zehn Prozent des Bedarfs
Mini-Solaranlagen für Balkon oder Garage („Balkonkraftwerke“) können einen Beitrag leisten, Strom zu sparen, decken aber bei weitem nicht den eigenen Strombedarf. Von bis zu 10 Prozent je nach Leistung, Ausrichtung, Witterung und individuellem Verbrauch gehen die Stadtwerke aus. Sie bieten ein „Rundumsorglospaket“ (Infos: stadtwerke-werl.de) zum Kauf an, darunter fällt auch die Meldung beim Netzbetreiber – im Fall Werl die Stadtwerke selbst – und die beim Marktstammdatenregister. Der Energieversorger tauscht auch den Stromzähler aus – kostenlos.
Es gibt eine Leistungsbegrenzung: Mehr als 600 Watt dürfen nicht ins Netz eingespeist werden. Mini-Solaranlagen sind einfach in Betrieb zu nehmen. Zum Paket gehören neben dem Modul (Kollektor) die Verkabelung und ein Wechselrichter, der aus Gleichstrom Wechselstrom macht. Zum Anschluss ans Netz reicht der haushaltsübliche Schuko-Stecker; eine Wieland-Steckdose müsste vom Elektriker installiert werden. Befestigungs- und Haftungsfragen müssen mitbedacht werden.
Die Stadtwerke vermitteln auch einen Elektrobetrieb von vor Ort. Es sei „immer ratsam“, einen Elektriker auf die Anlage schauen zu lassen. Ist die Anlage in Betrieb, kann Strom für den Eigenbedarf in die Hausverteilung fließen. Der „Zweirichtungszähler“ registriert, was reinkommt und was rausgeht. Dieser Strom wird aber nicht vergütet. Mini-PV-Anlagen produzieren allein mit der Kraft der Sonne Strom. Die Kollektoren haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, als problematisch gilt der Wechselrichter.