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Fehlende Kita-Plätze: Stadt setzt weiter auf Provisorien

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Von: Dominik Maaß

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Seit gut zwei Jahren spielen im Untergeschoss des VHS-Gebäudes Kindergartenkinder. Zurzeit ist die Marianne-Heese-Stiftung dort Träger eines Provisoriums, das im Sommer im neuen Kindergarten St. Benedikt an der Norbertschule aufgehen soll. Doch weil der Platzbedarf weiter hoch ist, will die Stadt die VHS und das Vinzenzhaus in Büderich auch über den Sommer hinaus als Übergangskitas nutzen.
Seit gut zwei Jahren spielen im Untergeschoss des VHS-Gebäudes Kindergartenkinder. Zurzeit ist die Marianne-Heese-Stiftung dort Träger eines Provisoriums, das im Sommer im neuen Kindergarten St. Benedikt an der Norbertschule aufgehen soll. Doch weil der Platzbedarf weiter hoch ist, will die Stadt die VHS und das Vinzenzhaus in Büderich auch über den Sommer hinaus als Übergangskitas nutzen. © Maaß, Dominik

Allen laufenden und geplanten Ausbauten zum Trotz bleiben Kita-Plätze in Werl vorerst Mangelware.

Werl –Das wurde am Dienstagabend in der Sitzung des Sozialausschusses deutlich. Sozial-Dezernent Sascha Kudella stellte die Kindergartenbedarfsplanung des Kreises Soest für Werl vor. Mit Blick auf das kommende Kindergartenjahr stellte er fest: „In der Summe ist das wenig erfreulich.“ Dabei ist eine weitere Nutzung der Provisorien im Vinzenzhaus in Büderich und im VHS-Haus bereits vorgesehen.

Zurzeit werden die beiden Provisorien von der Marianne-Heese-Stiftung betrieben. Die Übergangs-Kitas gehen dann im Sommer in der neuen Kita St. Benedikt auf, die zurzeit an der Norbertschule errichtet wird. Ein ähnliches Modell schwebt der Stadt auch für die neue Kita vor, die für Büdericher und Holtumer Kinder gebaut werden soll.

Wie die städtische Fachbereichsleiterin Iris Bogdahn auf Anfrage erläuterte, wäre es wünschenswert, die Ausschreibung der Trägerschaft für die neue Kita mit der Trägerschaft für die Provisorien zu koppeln. So könnten die 55 neuen Plätze (35 in Büderich und 20 in der VHS) schon deutlich vor Fertigstellung des Neubaus zur Verfügung stehen. Vor der Ausschreibung muss die Politik in der nächsten Ratssitzung (30. März, 18 Uhr, Stadthalle) aber zunächst über den Standort der Kita entscheiden.

Laut den Zahlen, die Kudella jetzt der Werler Politik vorstellte, gibt es für das nächste Kindergartenjahr eine Betriebserlaubnis für 1134 Kindergartenplätze, 239 für Kinder unter drei Jahre, 895 für Kinder über drei Jahre. Darin enthalten sind die neuen Plätze des Benedikt-Kindergartens und des erweiterten Martin-Luther-Kindergartens. Der Bedarf liegt aber mit 352 bzw. 942 Plätzen deutlich höher. Im U3-Bereich fehlen laut Kudella 113 Plätze, im Ü3-Bereich sind es 47.

95 Tagespflege-Plätze

Was dramatisch klingt, wird etwas überschaubarer, wenn man die 16 U3-Plätze und 39 Ü3-Plätze in den genannten Provisorien abzieht, mit denen vor allem die Lücke in Büderich und Holtum geschlossen werden soll. Außerdem gibt es in Werl noch 95 Plätze in der Kindertagespflege, die vor allem von den Eltern jüngerer Kinder in Anspruch genommen werden. Bogdahn verwies zudem darauf, dass viele Eltern ihre Kinder besonders früh anmeldeten, um sich einen Platz in der Wunsch-Kita zu sichern. Wenn sie diesen nicht bekommen können, seien sie oft aber bereit, noch ein Jahr zu überbrücken.

Für das Kindergartenjahr 2024/25 prognostiziert der Kreis Soest einen Bedarf von 355 U3-Plätzen und 893 Ü3-Plätzen. Dem stünden dann 279 U3-Plätze und 980 Ü3-Plätze gegenüber. Einkalkuliert sind hierbei neben den Kita-Neubauten in Westönnen und Büderich auch die zehn zusätzlichen Plätze einer möglichen Erweiterung des Walburga-Kindergartens. Über diese hat der Träger bislang aber noch keine Entscheidung getroffen. Insgesamt fehlen demnach 76 Plätze im U3-Bereich.

Prognose zu fehlenden oder überschüssigen Plätzen nach Ortsteilen

Kindergartenjahr 23/24
Werl gesamt: U3: -113 / Ü3: -47
Innenstadt: U3: -67 Plätze / Ü3: +24 Plätze
Büderich/Holtum: U3: -27 /Ü3: -39
Sönnern: U3: -1 / Ü3: +1
Westönnen: U3: -10 / Ü3: -28
Hilbeck: U3: -8 / Ü3: -5

Kindergartenjahr 24/25
Werl gesamt: U3: -76 / Ü3: +87
Innenstadt: U3: -55 / Ü3: +62
Büderich/Holtum: U3: -11 /Ü3: +5
Sönnern: U3: 0 / Ü3: -1
Westönnen: U3: -1/ Ü3: +20
Hilbeck: U3: -9/ Ü3: +1

Bei den Über-Dreijährigen gibt es hingegen rechnerisch ein Überangebot von 87 Plätzen. Doch diese Zahl relativiere sich schnell, sagte die Leiterin des Kreisjugendamtes Patricia Deertz in der Ausschusssitzung. „Kinder gehen immer früher und immer länger in die Betreuung“, sagt sie mit Blick auf die Buchungszeiten. Der Anteil der Eltern, die 45 Stunden für ihre Kinder buchen, habe in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Und das reduziere die Zahl der zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze.

SPD fehlt das Tempo

Sascha Quint (SPD) kritisierte das fehlende Tempo beim Ausbau. In den vergangenen beiden Jahren seien in Werl keine neuen Plätze geschaffen worden. Es gebe viele Zuzüge von Kindern, was grundsätzlich toll sei. Und wenn er bei den Baugebieten Werl-Nord-3 und Werl-Süd-II mit 1,5 Kindern pro Familie rechne, kämen künftig nochmals 100 Kinder hinzu. Quint wollte von Deertz wissen, woran es beim Ausbau hapert: „Ist der Kreis zu langsam? Sind wir in Werl zu langsam?“ Deertz antwortete: „Wahrscheinlich sind sie in Werl nicht schnell genug.“ Und Kudella ergänzte: „Wir stellen die Bedarfe fest, bauen die Kitas aber nicht.“

Bürgermeister: Nicht so düster

Das rief Bürgermeister Torben Höbrink auf den Plan, der Quint vorwarf, die Jugendamtsleiterin mit Suggestivfragen zu solchen Aussagen zu bringen. Als Vorstandsmitglied der Awo wisse Quint doch genau, mit welchen Schwierigkeiten Kita-Träger zurzeit zu kämpfen hätten und wie Entscheidungsprozesse abliefen. Höbrink verwies auf die allgemeinen Baupreissteigerungen, die Kalkulationen in Frage stellten, und Lieferengpässe, die zum Beispiel die Fertigstellung des Kindergartens St. Benedikt verzögert haben. „Zaubern können wir auch nicht“, sagte Höbrink. Und so düster wie geschildert, sei die Situation nicht. Das bereits vieles auf den Weg gebracht worden sei, zeige die Beschlusslage.

Auch Höbrink bewertete die Zuzüge als positiv. Die Rechnung mit 1,5 Kindern pro Bauplatz, die alle „on top“ kommen, sei aber zu einfach. Dem pflichtete auch Deertz bei. „Wir wissen ja gar nicht, ob das Kinder sind, die wir schon in unserem Portfolio haben oder Kinder, die von außen dazu kommen.“ Bogdahn betonte, dass die Stadt nach Bekanntwerden der Bedarfszahlen sehr wohl schnell gehandelt und für die eingerichteten Provisorien auch tief in die Tasche gegriffen habe.

Ausbau in Hilbeck

Quint blieb bei seiner Position: „Bei den anderen klappt das, bei uns nicht.“ Er erkundigte sich nach dem Stand der Ausbauplanung für Hilbeck, die in der Kreispräsentation unter „bedarfsorientiert“ geführt wurde. Bogdahn sagte, dass der Träger nochmals das Gespräch mit der Elternvertretung suchen werde. Das Kreiskirchenamt habe aber sehr deutlich gemacht, dass ein Ausbau um 10 Plätze bei einer Förderung von 33 000 Euro pro Platz nicht auskömmlich und die Frage der Finanzierung weiter offen sei. „Vielleicht muss man hier über eine Großtagespflege nachdenken“, sagte Bogdahn. Den Träger habe man zudem gebeten, zu prüfen, ob er durch eine Veränderung der Gruppentypen mehr Plätze schaffen kann. Das sei aber auch nicht ohne Weiteres möglich, sagte Bogdahn im Nachgang zur Sitzung, sondern setze bestimmte räumliche Gegebenheiten voraus.

Mit Blick auf die anstehende Entscheidung über den Standort der neuen Kita für Büderich und Holtum wollte Quint noch vom Kreis wissen, ob eine Veränderung des Standortes eines neuen Beschlusses durch den Jugendhilfeausschuss des Kreises bedarf. Kudella sagte, dies sei zu prüfen. Aber eine solche Notwendigkeit würde seiner Ansicht nach nicht zu einer Verzögerung beim Ausbau führen.

Anmeldeverfahren

Welche Erfahrungen der Kreis Soest mit der Premiere des Anmeldeverfahrens über das neue Online-Portal gemacht hat, wollte Hendrik Weber (SPD) wissen. Jugendamtsleiterin Patricia Deertz räumte ein, dass es beim Verfahren noch „Kinderkrankheiten“ und „Luft nach oben“ gebe. Insgesamt habe sich das Verfahren aber bewährt. Viele Eltern seien vor allem froh darüber gewesen, dass sie im Gegensatz zum vorherigen System mit der Kita-Karte schon deutlich früher, nämlich um Weihnachten herum, ihre Zusagen erhalten haben. Deertz ermunterte die Beteiligten zudem, sich zum Verfahren zu äußern: „Wir sind für jede positive und negative Rückmeldung dankbar.“

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