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Böse Überraschung für Kirchen: Austritte erreichen Höchststand

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Von: Vanessa Moesch

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Kirchenaustritt mal wörtlich genommen: Ein Mann verlässt eine katholische Kirche in Bremen.
Die katholische Kirchengemeinde in Werl verzeichnet einen neuen Höchststand an Kirchenaustritten 2022. © Ingo Wagner/dpa

Immer mehr Kirchenmitglieder in Werl treten aus. Auch im Jahr 2022 ist das so, aber die Zahlen der Ausgetretenen sind auf einen neuen Höchststand gestiegen. Gründe dafür werden meist nicht genannt.

Werl – Es ist ein erneuter Schlag für die katholische Kirchengemeinde in Werl. Waren die 140 Austritte im Jahr 2021 schon eine „Katastrophe“, wie Propst Michael Feldmann in einem früheren Bericht unserer Zeitung sagte, sind die Austritte 2022 um 100 auf 240 angewachsen.

Aus der Sicht von Propst Michael Feldmann gibt es da nichts zu lamentieren. Die Missbrauchsfälle, die auch ein Grund für die Austritte sind, seien bedauerlich. Das Christentum werde „durch die Erschütterungen aber nicht verschwinden, es wird lediglich sehr klein werden“, ist Feldmann überzeugt.

Böse Überraschung für Kirchen: Austritte erreichen Höchststand

Pfarrer Christoph Lichterfeld hat den Eindruck, dass in der evangelischen Kirchengemeinde die Zahl der Austritte „leider konstant hoch ist“. Die bereitgestellten Zahlen allerdings verraten: Die Kirchenaustritte im Jahr 2022 haben sich im Vergleich zu 2021 verdoppelt.

Demnach sind aktuell 81 Mitglieder aus der evangelischen Kirche ausgetreten (41 waren es 2021). Auf der Suche nach den Gründen tappt Lichterfeld häufig im Dunkeln, denn viele Mitglieder, die austreten, nennen diese oftmals nicht. „Es kann natürlich sein, dass viele unzufrieden mit dem sind, worauf wir keinen direkten Einfluss haben“, sagt Lichterfeld und meint damit Entscheidungen von höherer Stelle, wie zum Beispiel der Landeskirche.

Die Kirche als Arbeitgeber: Wiedereintritt möglich

„Wir lassen unsere Mitglieder nicht gerne gehen, aber sie können frei entscheiden, ob sie die Kirche verlassen.“ Auch finanzielle Nöte oder allgemeine Schwierigkeiten können beispielsweise zu einem Kirchenaustritt führen, weil dann „überall geschaut wird, wo man sparen kann“.

Sind die Mitglieder jedoch aus der Kirche ausgetreten, wird es bei der Kirche als Arbeitgeber teilweise schwer. „Bei Berufen wie der Leitung eines evangelischen Kindergartens oder Pfarrers ist die Konfession unabdingbar. In evangelischen Krankenhäusern dagegen spielt die Konfession heute weniger eine Rolle“, erklärt Lichterfeld und macht damit darauf aufmerksam, dass man auch wieder in die Kirche eintreten kann. Dafür wird ein ausführliches Gespräch mit einem Pfarrer über den Austritt und den Wiedereintritt geführt.

Austritte erreichen Höchststand: Kein Ausgleich durch Taufen

Ein Grund für einige, wieder in die Kirche einzutreten, ist manchmal auch die Taufpatenschaft. „Viele suchen sich für die Taufe Paten aus. Aber Taufpate kann man nur werden, wenn man auch Mitglied in der Kirche ist. Einige überlegen dann, wieder einzutreten“, erklärt Lichterfeld. Auch Menschen, die in ihrer Jugend einmal aus der Kirche ausgetreten sind, treten teils Jahre später wieder in die Kirche ein, doch die Zahl der Wiedereintritte liegt weiter unter den Austritten und kann das Gleichgewicht nicht halten.

Im vorigen Jahr gab es gerade einmal zwei Wiedereintritte, dafür aber auch 45 Taufen bei den Werler Evangelen (32 im Jahr 2021). Die Anzahl der Taufen richtet sich hierbei auch nach der Geburtenrate. In der katholischen Kirchengemeinde sind 101 Taufen durchgeführt worden (85 im Jahr 2021). Und damit die Austritte nicht noch zahlreicher werden, gibt es bereits verschiedene Maßnahmen (siehe Kasten).

Das sagt das Erzbistum Paderborn

Die große Anzahl an Kirchenaustritten ist auch dem Erzbistum Paderborn nicht entgangen. Genaue Zahlen können derzeit nicht zur Verfügung gestellt werden, weil sie noch nicht vorliegen. Die Zahlen der Kirchenstatistik werden im Juni 2023 veröffentlicht. „Die Ursache für mehr Kirchenaustritte ist sicherlich auch, aber nicht allein, in den bekannt gewordenen Fällen des sexuellen Missbrauchs im Raum der Kirche und dem Umgang damit zu sehen“, erklärt Thomas Throenle vom Presseteam des Erzbistums.

Ein weiterer Grund sei auch die steigende Säkularisierung der Gesellschaft, die zu einem „gesamtgesellschaftlich zunehmenden Bedeutungsverlust von Religion und Kirche führt. Ebenso ist die verstärkte Individualisierung als Ursache für einen Kirchenaustritt zu nennen, die mit einer Entfremdung von der Gemeinschaft der Kirche verbunden ist“, so Thronele. Auch aktuelle finanzielle und wirtschaftliche Sorgen, die durch die steigenden Energiekosten und die Inflation ausgelöst werden, führen bei Kirchenmitgliedern dazu, aus der Kirche auszutreten.

Um weitere Gründe für das Austreten aus der Kirche zu erörtern, hat das Erzbistum Paderborn im Sommer 2022 eine Projektstelle eingerichtet, die aktiv den Dialog mit austrittswilligen und ausgetretenen Menschen sucht. Ende September des vergangenen Jahres wurde die zugehörige Website zum Thema „Kirchenaustritt“: https://www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/kirchenaustritt/ veröffentlicht. Des Weiteren hat das Erzbistum die Initiative „1000 gute Gründe“ gestartet. Bei dieser Initiative soll zur Sprache gebracht werden, wie lebenswert und vielfältig katholisches Glaubensleben ist. Weitere Informationen und Beispiele gibt es auf der Internetseite: https://noch-ein-grund-mehr.de/

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